Logo-VerbraucherzentraleDie Tür ins Behandlungszimmer öffnet sich nur noch mit der elektronischen Gesundheitskarte. Aufgestocktes Pflegegeld, Verbesserungen für Demenzkranke und höhere Zuschüsse für Umbauten: nur drei der vielen Neuerungen im großen Paket „Pflegereform“. Ab 1. Januar kann jede Krankenkasse selbst über einen erforderlichen Zusatzbeitrag entscheiden. Damit einher geht die Pflicht, umfassend zu informieren, und Kunden haben, wird ein zusätzlicher Obolus verlangt, ein Recht auf Sonderkündigung. Zu einigen Stoffen in Kosmetika und Produkten zur Körperpflege sagt die EU: Jetzt reicht`s.

  • Behandlung nur noch mit elektronischer Gesundheitskarte
  • Pflegereform: Verbesserte Leistungen
  • Zuzahlung bei Rezepten: Höhere Freibeträge
  • Krankenkassen: Informationspflichten zum neuen Zusatzbeitrag
  • Weniger Konservierungsstoffe in Körperpflege- und Kosmetikprodukten

Behandlung nur noch mit elektronischer Gesundheitskarte
Das neue Jahr bringt für die alte Krankenversicherungskarte das endgültige Aus: Ab 1. Januar 2015 öffnet nur noch die neue elektronische Gesundheitskarte mit Logo, Chip und Foto die Tür zum Behandlungszimmer. Auf diesen Termin haben sich die Kassenärzte und Krankenkassen verständigt. Unabhängig vom aufgedruckten Ablaufdatum verlieren die alten Karten dann ihre Gültigkeit.
Pflegereform: Verbesserte Leistungen
Mit Inkrafttreten des ersten Pflegestärkungsgesetzes zum 1. Januar 2015 gibt es verbesserte und flexiblere Leistungen für Pflegebedürftige und deren Angehörige. Außerdem werden fast alle Leistungsbeträge der Pflegeversicherung um 4 Prozent erhöht.
Pflegegeld, Pflegesachleistungen, Leistungen bei vollstationärer Pflege
Alle Beträge erhöhen sich 2015. So steigt das Pflegegeld in Pflegestufe I zum Jahreswechsel von 235 auf 244 Euro, die Pflegesachleistungen (bei ambulanter Pflege) steigen in dieser Pflegestufe von 450 auf dann 468 Euro. Bei der Unterbringung in einem Pflegeheim (stationäre Pflege) werden bei Pflegestufe I dann statt 1.023 dann 1.064 Euro von der Pflegekasse gezahlt.
Pflegesachleistungen ambulanter Pflegedienste werden bis zu einer Höhe von 1.612 Euro (Pflegestufe III) (bisher 1.550 Euro) erstattet. Bei stationärer Pflege gibt es ab 1. Januar 2015 für Pflegebedürftige der Pflegestufe III statt bislang 1.550 dann 1.612 Euro von der Pflegekasse.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat alle Änderungen in einer anschaulichen Liste zusammengefasst: www.bmg.bund.de

Pflegezeit: Zehn Tage bezahlte Freistellung

Wer berufstätig ist und akut die Pflege eines Angehörigen organisieren oder leisten muss, kann sich ab Jahresbeginn zehn Tage lang vom Arbeitgeber freistellen lassen – ohne dabei auf sein Gehalt verzichten zu müssen. Das neue Pflegeunterstützungsgeld wird mit etwa 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts (aus beitragspflichtigem Arbeitsentgelt) von der Pflegeversicherung gezahlt.
Darüber hinaus kann die schon rechtlich verankerte sechsmonatige Pflegezeit nun mit einem zinslosen Darlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) finanziert werden. Das Darlehen wird nach Ende der Pflegezeit in Raten zurückgezahlt.
Mehr Geld für Hilfe im Haushalt und Alltagsbegleitung
Auch Pflegebedürftige mit Pflegestufen 1 bis 3 erhalten ab dem nächsten Jahr einen zusätzlichen Betreuungsbetrag von 104 Euro im Monat. Dieses Geld ist derzeit nur Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz vorbehalten; in Zukunft steht der Obolus allen zu – zum Beispiel für die Begleitung bei Arztgängen durch ehrenamtliche Helfer, für Unterstützung beim Einkauf oder bei der Haushaltsführung. Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote können künftig auch anstelle eines Teils der Pflegesachleistung in Anspruch genommen werden. Die neue „Umwidmungsmöglichkeit“ gilt bis zu einer Höhe von 40 Prozent des jeweiligen ambulanten Pflegesachleistungsbetrags.
Flexiblere Gestaltung von Verhinderungs- und Kurzzeitpflege
Verhinderungs- und Kurzzeitpflege sind immer die erste Wahl, wenn pflegende Angehörige eine Auszeit brauchen oder Pflegebedürftige zum Beispiel nach einem Krankenhausaufenthalt noch über einen kürzeren Zeitraum vollstationär gepflegt werden müssen. Zum Jahreswechsel gibt es auch hierfür mehr Geld: Unabhängig von der Höhe der Pflegestufe erhalten Pflegebedürftige nun für jede dieser Leistungen 1.612 Euro (bisher 1.550 Euro) pro Jahr. Ab Januar 2015 ist eine Ersatzpflege bis zu sechs Wochen pro Kalenderjahr möglich. Außerdem können in Zukunft – unter entsprechender Anrechnung auf den Anspruch auf Kurzzeitpflege – bis zu 50 Prozent des Leistungsbetrags für Kurzzeitpflege (806 Euro) zusätzlich für Verhinderungspflege ausgegeben werden. Bisher stand für die Verhinderungspflege pro Jahr bis zu 1.550 Euro zur Verfügung; künftig werden es bis zu 2.418 Euro jährlich sein.
Statt vier Wochen werden in Zukunft bis zu acht Wochen Kurzzeitpflege pro Jahr möglich sein; die Pflegekasse übernimmt dafür dann bis zu 3.224 Euro; bisher sind es bis zu 3.100 Euro. Das lässt sich verwirklichen, weil Geld, das in der Verhinderungspflege nicht verbraucht wurde, ab dem neuen Jahr auch für die Leistungen der Kurzzeitpflege eingesetzt werden kann. Der für die kurzzeitige Pflege in Anspruch genommene Erhöhungsbetrag wird dann auf den Leistungsbetrag der Verhinderungspflege angerechnet. Außerdem können Tages- und Nachtpflege künftig ungekürzt neben den ambulanten Geld- und Sachleistungen genutzt werden.
Verbesserungen für Menschen mit erheblicher Einschränkung der Alltagskompetenz
Demenzkranke mit anerkannter erheblicher Einschränkung der Alltagskompetenz, sofern sie nicht in den Pflegestufen 1 bis 3 eingestuft sind, werden der Pflegestufe 0 zugerechnet. Sie erhalten zum Jahreswechsel erstmals Zugang zu allen ambulanten Leistungen der Pflegeversicherung. So haben sie Anspruch auf teilstationäre Tages-/Nachtpflege sowie auf Kurzzeitpflege.
Demenzkranke in ambulanten Pflegewohngemeinschaften haben ab Januar 2015 erstmals auch Anspruch auf Wohngruppenzuschlag in Höhe von 205 Euro pro Monat. Dieser wird jedem Bewohner zur Finanzierung einer Unterstützungskraft gezahlt. Diese soll dort soziale Aktivitäten organisieren oder zum Beispiel Spaziergänge begleiten. Auch die Anschubfinanzierung in Höhe von 2.500 Euro pro Bewohner zur Gründung einer ambulant betreuten Wohngruppe steht in der Pflegestufe 0 nun zu.
Höhere Zuschüsse für Umbauten und Pflegehilfsmittel
Umbauten wie Rollstuhlrampen, begehbare Duschen oder die Verbreiterung von Türen ermöglichen es Pflegebedürftigen häufig, im eigenen Zuhause oder in einer Pflegewohngemeinschaft zu bleiben. Ab dem 1. Januar 2015 gibt es für diese Umbauten deutlich höhere Zuschüsse von der Pflegekasse: Statt bis zu 2.557 Euro werden künftig bis zu 4.000 Euro pro Vorhaben gezahlt. Leben mehrere Pflegebedürftige gemeinsam in einer Wohnung, können sie dann bis zu 16.000 Euro (bisher: 10.228 Euro) pro Umbau erhalten. Außerdem steigen die Zuschüsse zu Pflegehilfsmitteln, die im Alltag verbraucht werden: von derzeit 31 Euro auf bis zu 40 Euro je Monat.
Mehr Betreuungskräfte in stationären Einrichtungen
Pflegefachkräfte in Pflegeheimen werden ab dem 1. Januar 2015 von mehr Betreuungskräften unterstützt. Deren Aufgabe ist es, den Bewohnern bei alltäglichen Aktivitäten wie etwa Spaziergängen und Gesellschaftsspielen oder beim Lesen zu helfen. Damit werden die Fachkräfte in der Pflege entlastet. Der Betreuungsschlüssel in den stationären Pflegeeinrichtungen – also wie viele Kräfte für die Betreuung auf einen Pflegebedürftigen kommen – wird ab dem Jahreswechsel verändert: Während es bislang 1:24 sind, werden es in Zukunft 1:20 sein. So kann die Zahl von bislang 25.000 weiteren Betreuungskräften auf 45.000 aufgestockt werden.
Neuer Pflegevorsorgefonds
Um die Beiträge zur Pflegeversicherung möglichst auch ab 2035 – dem Jahr, ab dem die geburtenstarken Jahrgänge ins Pflegealter kommen – stabil halten zu können, wird ein Pflegevorsorgefonds aufgebaut. Ab dem nächsten Jahr sind darin Einzahlungen von 0,1 Beitragspunkten (rund 1,2 Milliarden Euro) vorgesehen. Der Fonds wird durch die Bundesbank verwaltet.
Familienpflegezeit
Ab dem 1. Januar 2015 haben alle Beschäftigten Anspruch auf eine Familienpflegezeit von 24 Monaten, wenn sie in häuslicher Umgebung einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen pflegen. Allerdings gilt das neue Recht nur unter zwei Voraussetzungen:

  • Arbeitnehmer arbeiten weiterhin mindestens 15 Stunden in der Woche und
  • der Betrieb hat mehr als 25 Mitarbeiter.

Zur finanziellen Absicherung können Beschäftige während der Freistellung in der Familienpflegezeit beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) ein zinsloses Darlehen beantragen.
Während der Familienpflegezeit genießen die Beschäftigten einen besonderen Kündigungsschutz. Die Familienpflegezeitversicherung, die derzeit noch Pflicht ist, entfällt.
Die Familienpflegezeit muss dem Arbeitgeber acht Wochen vor Beginn mitgeteilt werden. Der Rechtsanspruch gilt auch für die Betreuung eines pflegebedürftigen minderjährigen Kindes. Familienpflegezeit und Pflegezeit können miteinander kombiniert werden, sofern 24 Monate Aus- oder Teilzeit nicht überschritten werden. Soll sich an eine Pflegezeit eine Familienpflegezeit anschließen, muss dies dem Arbeitgeber mindestens drei Monate vorher angekündigt werden.
Zuzahlung bei Rezepten: Höhere Freibeträge
Höhere Freibeträge schonen ab 1. Januar 2015 den Geldbeutel bei den Zuzahlungen zu Rezepten und therapeutischen Behandlungen: Von den jährlichen Bruttoeinnahmen können in Zukunft als Freibetrag für den Ehegatten/Lebenspartner 5.103 Euro (bisher: 4.977 Euro) abgezogen werden. Auch 2015 bleibt es hingegen beim bisherigen Freibetrag von 7.008 Euro je Kind.
Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung müssen seit 2004 Zuzahlungen zu ärztlichen Verordnungen leisten (ausgenommen sind Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr). Dabei hat der Gesetzgeber eine Belastungsgrenze von 2 Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen als Deckel festgelegt (bei chronisch Kranken: 1 Prozent). Wird dieses Limit überschritten, ist der Versicherte von weiteren Zuzahlungen befreit. Bei der Berechnung ziehen die Krankenkassen von den Bruttoeinkünften die jeweiligen Freibeträge ab – und zwar für mit im Haushalt lebende Ehegatten und eingetragene Lebenspartner sowie für Kinder.
Krankenkassen: Informationspflichten zum neuen Zusatzbeitrag
Ab 1. Januar können Krankenkassen an Stelle des bisher pauschal festgelegten Zusatzbeitrags einen eigenen Aufschlag gemäß ihrer jeweiligen finanziellen Situation erheben. An diese Neuerung knüpfen sich für die Kassen Informationspflichten, und die Versicherten haben das Recht zur Sonderkündigung.
Die Krankenkasse muss ihre Mitglieder darüber informieren, wenn sie einen Zusatzbeitrag erhebt und wie hoch dieser ist. Auch Erhöhungen des Zusatzbeitragssatzes müssen jeweils mitgeteilt werden. In beiden Fällen haben die Versicherten ein Recht auf Sonderkündigung und können in eine andere Krankenkasse wechseln. Zudem müssen die Versicherten sowohl über die Möglichkeit zur Sonderkündigung als auch darüber informieren werden, wie hoch der durchschnittliche Zusatzbeitrag bei allen Kassen ist. Liegt der neue Zusatzbeitrag über dem Durchschnitt, muss die Kasse die Versicherten zusätzlich auch noch darauf hinweisen, dass sie in eine günstigere Krankenkasse wechseln können.
Einen Wermutstropfen gibt es allerdings dabei: Anders als bisher müssen Versicherte, die von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen, bis zum Wechsel den erhöhten Beitrag der alten Kasse zahlen. Beispiel: Wenn die Krankenkasse im Februar die Beiträge erhöhen will, muss sie das einen Monat vorher ankündigen, also spätestens zum 1. Januar. Dann heißt es schnell sein. Denn die Kündigung wird immer zum Ende des übernächsten Monats wirksam. Wer also im Januar kündigt, ist ab 1. April in der neuen Krankenkasse versichert und muss zwei Monate lang, im Februar und im März, noch den Zusatzbeitrag zahlen. Wer sich Zeit lässt und erst im Februar kündigt – was nach dem Gesetz auch noch möglich ist – kann erst zum 1. Mai wechseln und muss dann drei Monate lang den erhöhten Zusatzbeitrag zahlen.
Außerdem wird der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) auf seiner Internetseite eine Übersicht über die Zusatzbeiträge der einzelnen Krankenkassen erstellen. Auch auf diese Liste hat die Krankenkasse ihre Mitglieder hinzuweisen, wenn sie in Zukunft Zusatzbeiträge erhebt oder diese erhöht.
Weniger Konservierungsstoffe in Körperpflege- und Kosmetikprodukten
Einige Konservierungsstoffe stehen in Verdacht, das Hormonsystem des Menschen zu schädigen; deshalb darf eine Reihe von Parabenen in Körperpflege- und Kosmetikprodukten alsbald nicht mehr zum Einsatz kommen: Schon seit 30. Oktober 2014 dürfen Hersteller in der Europäischen Union etwa Shampoos, bei deren Produktion Isopropyl-, Isobutyl-, Pentyl-, Phenyl- oder Benzylparaben verwendet wurde, nicht mehr in Verkehr bringen. Ab dem 30. Juli 2015 gilt für diese Produkte dann auch das Aus im Regal: Ab diesem Zeitpunkt dürfen sie nach dem Willen der EU-Kommission nicht mehr verkauft werden. Anlass für das Verbot waren unzureichende Daten über die Risiken dieser Substanzen.
Gute Nachrichten aus Brüssel auch für Kinder-Popos: Propyl- und Butylparabene haben künftig in Baby-Po-Cremes nichts mehr verloren. Ab 16. April 2015 dürfen diese Parabene in Produkten, die im Windelbereich bei Kindern unter drei Jahren eingesetzt werden und auf der Haut verbleiben, nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Ab dem 16. Oktober 2015 gilt dann auch für Baby-Po-Cremes, die diese Konservierungsstoffe noch enthalten, das Verkaufsverbot.
Auch zwei weiteren Konservierungsstoffen setzt die EU-Kommission im nächsten Jahr zu: All jene Körperpflegeprodukte, die auf der Haut verbleiben (etwa Cremes und Lotionen), müssen in Zukunft ohne ein Gemisch aus Methylchloroisothiazolinone (MCI) und Methylisothiazolinon (MI) auskommen. Weil die Chemikalien Allergien auslösen, dürfen die Hersteller nicht abspülbare Produkte mit dieser Substanz-Kombination ab 16. Juli 2015 nicht mehr in Verkehr bringen. Ab dem 16. April 2016 dürfen diese Kosmetika dann auch nicht mehr verkauft werden.
MCI dient dazu, Kosmetika haltbar zu machen. Wird diese Substanz allein verwendet (also nicht in einem Gemisch) hat sie in den letzten Jahren zunehmend zu Kontaktallergien geführt. Trotzdem erlaubt die EU, mit diesem Stoff allein auch weiterhin Cremes und Lotionen zu konservieren, die auf der Haut verbleiben.
Wichtig für Allergiker: Sowohl MCI als auch MI werden nicht nur in Kosmetika eingesetzt, sondern zum Beispiel auch in Wandfarben.
Pressemeldung Verbraucherzentrale NRW