Am heutigen Montag ist Bürgermeister Christoph Dolle 100 Tage im Amt. Für unsere Redaktion der richtige Zeitpunkt für eine kleine Zwischenbilanz – gleichwohl, oder gerade weil, die äußeren Umstände ganz besondere sind:

 

Am 27. September 2020 sprach die Blomberger Bevölkerung Ihnen mit fast 64% das Vertrauen aus. Was waren Ihre ersten Gedanken?

Tiefe Dankbarkeit für das Vertrauen der Menschen und Freude. Nach einem so turbulenten Wahlkampf in einer bemerkenswerten und herausfordernden Zeit ist man bei so einem Ergebnis einfach glücklich und dankbar.

 

Durch Corona war nicht nur der Wahlkampf eingeschränkt, auch das „Zeremoniell“ der Verkündung mutete doch bestimmt eher seltsam an und es konnte auch keine Wahlparty stattfinden. Wie haben Sie den restlichen Abend verbracht?

Im kleinen Kreis, mit engen Freunden und Wahlkampfhelfern, gab es nach feststehendem Ergebnis einen („coronakonformen“) Absacker in einem Blomberger Restaurant. Auch wenn die Rahmenbedingungen keine wirkliche Party zugelassen haben, aber immerhin ein kleiner Moment, sich zu freuen und Danke zu sagen. Schöner Randaspekt des Abends war ein Anruf meiner Mitbewerberin Susanne Kleemann und ein sehr herzliches Gespräch miteinander. Darüber habe ich mich sehr gefreut.

 

Seit dem 1.11.2020 bekleiden Sie nun das Amt des „Ersten Bürgers der Stadt“. Haben Sie sich im neuen Büro schon eingelebt?

Mittlerweile ja. Wobei ich offen gestanden angesichts der drängenden Aufgaben bis kurz vor Weihnachten gar nicht zum Umzug gekommen bin und anfangs weiterhin im Kämmereibüro geblieben bin.

 

Die Verwaltung kannten Sie natürlich schon aus dem Amt des Kämmerers heraus, aber hat sich etwas verändert? Die Verantwortung ist nun deutlich größer?

In der Tat, die Verantwortung ist noch einmal deutlich angewachsen. Die Themenpalette ist breiter geworden. Aber die Erfahrung der letzten Jahre als Kämmerer und Beigeordneter hilft mir schon enorm.

 

Wie arbeitet die Kämmerei aktuell? Wann wird das Amt des Stadtkämmerers neu besetzt?

Ich bin aktuell sozusagen in Personalunion Bürgermeister, Beigeordneter und Kämmerer, leite zwei komplette Dezernate. Über den Jahreswechsel habe ich als Kämmerer noch den aktuellen Haushaltsplanentwurf auf den Weg gebracht. Das ist in der Form bei dem notwendigen Arbeitspensum nicht auf Dauer durchzuhalten. Deshalb habe ich dem Stadtrat ein umfangreiches und nachhaltiges Personalentwicklungskonzept vorgelegt, stehe darüber im engen Austausch mit den Fraktionen und gehe davon aus, die Position des Kämmerers schon bald neu besetzen zu können.

 

Was gehörte in den ersten 100 Tagen zu Ihren größten Herausforderungen?

Die akuten Corona-Themen und die hohen Infektionszahlen in Blomberg haben das vierte Quartal 2020 schon sehr beherrscht. Vor allem der dramatische Anstieg an Infektionen und Todesfällen im Zusammenhang mit Corona in den Blomberger Senioreneinrichtungen Ende des Jahres sind mir sehr nahe gegangen. Das Krisenmanagement hat viel Kraft und Zeit in Anspruch genommen. Aber gleichzeitig kam der frisch gewählte Stadtrat langsam in den „Betriebsmodus“, ein neuer Haushaltsplanentwurf wollte erarbeitet werden und das Tagesgeschäft in der Verwaltung muss auch bedient werden. Es war nicht langweilig…

 

Ziehen Sie Bilanz. Können die ersten 100 Tage unter den gegebenen Umständen als erfolgreich bezeichnet werden?

Ich bin froh und dankbar, dass es uns gelungen ist, auch im Lockdown durch ständiges Abwägen und mit vielen kreativen Lösungen ein Maximum an städtischen Dienstleistungen, sozialen Beratungs- und Betreuungsangeboten und Anlaufstationen unter „Coronabedingungen“ aufrecht zu erhalten. Und darüber hinaus eine Haushaltsplanung vorzulegen, die trotz der schwierigen Rahmenbedingungen wichtige Impulse und Akzente setzt. Darauf will ich mich nicht ausruhen, aber es ist schon mal eine ganz dankbare Ausgangsposition.

 

Wie ist der Austausch mit den weiteren lippischen Bürgermeistern?

Wir haben sehr schnell parteiübergreifend zueinander gefunden. Die Atmosphäre in der Runde ist ausgesprochen gut. Einige Kollegen kannte ich ja schon aus der gemeinsamen Zeit als Kämmerer und Beigeordnete. Über die gemeinsamen Herausforderungen und sich ähnelnden Themen kommt man sehr leicht in Kontakt.

 

Bewerten Sie die Zusammenarbeit mit dem Kreis Lippe.

Ganz grundsätzlich ist die Zusammenarbeit sehr offen und gut. Das ist auch wichtig, da bei unzähligen Sachfragen und Maßnahmen ein enges Zusammenwirken unverzichtbar ist. Sicherlich gibt es auch in einigen Themenfeldern klar voneinander abgegrenzte Rollen, die man dann auch ausfüllen und wahrnehmen muss.

 

Was können die Blomberger Bürgerinnen und Bürger tun, damit wir alle gemeinsam gut durch die Krise kommen?

Der weitaus übermäßige Teil der Blombergerinnen und Blomberger hält sich absolut vorbildlich und mit großem Verständnis an die Kontaktbeschränkungen und Maßnahmen. Dafür bin ich sehr dankbar. Eine Blaupause oder einen durchdefinierten Plan für die Pandemie und das nötige Krisenmanagement hatten wir ja alle nicht. Ein gutes Krisenmanagement lebt von wechselseitigem Vertrauen und von Verbindlichkeit. In dem selben Maße, in dem wir verwaltungsseitig in Blomberg alle Maßnahmen und Einschränkungen umsichtig und kritisch abwägen und mit größter Sorgfalt prüfen, brauchen wir auch weiterhin spiegelbildlich die Unterstützung, das Mitwirken und das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger, damit die Maßnahmen erfolgreich sind und die Pandemie weiter eingedämmt werden kann.

 

Gibt es Planungen seitens der Verwaltung die Innenstadt nach Beendigung eines Lockdowns verstärkt zu beleben und gerade den Einzelhandel zu unterstützen?

Ja, mit dem jüngst eingebrachten Haushaltsplanentwurf und meinem Personalentwicklungskonzept versuche ich ganz konkret, entsprechende Impulse zu geben. Darüber hinaus stehe ich im engen Kontakt zu Blomberg Marketing und zu vielen Einzelhändlern, um nach dem Lockdown auch konzeptionell den Einzelhandel und den Einkaufsstandort zu sichern und attraktiver zu gestalten.

 

Durch Corona kann man wohl kaum von einem normalen Amtsantritt sprechen, angetreten sind Sie aber schon zu Zeiten der Epidemie. Haben Sie sich die Ausübung so vorgestellt? Aktuell noch in Doppelfunktionen arbeitend – wie hoch ist aktuell der zeitliche Aufwand?

Der zeitliche Aufwand aktuell ist tatsächlich sehr groß. Aber ich wusste, worauf ich mich einlasse – und ich mache die Arbeit ausgesprochen gern. Die reine Verwaltungsarbeit gestaltet sich schon ziemlich genau so, wie ich mir das auch vorgestellt habe. Demgegenüber sind mit Blick auf die Ratsarbeit und Gremiensitzungen die Auswirkungen der Pandemie und die Veränderungen allgegenwärtig zu spüren. Was mir sehr fehlt, ist der unmittelbare Kontakt und persönliche Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Umso begeisterter war ich über die positive Resonanz zu meiner ersten Bürgermeistersprechstunde, die ich telefonisch durchgeführt habe und zu der wir aufgrund der überwältigenden Nachfrage direkt zwei komplette Folgeblöcke vereinbaren konnten.

 

Beschreiben Sie die Stimmung in den Sitzungen (Rat und Ausschüsse) und bewerten Sie die bisherige Zusammenarbeit.

Ich persönlich empfinde den Austausch und die Zusammenarbeit mit den vier im Rat vertretenen Fraktionen als sehr offen und respektvoll. Das war mir im Wahlkampf schon wichtig; und bisher gestaltet sich dieser offene und sachlich-konstruktive Umgang als Bürgermeister mit den Fraktionen auch sehr positiv. Natürlich hat jeder seine ureigene Rolle und seinen jeweiligen inhaltlich-programmatischen Background. Sicherlich muss der eine oder die andere auch erst noch die endgültige Rolle finden. Aber auch hier sind Kommunikation, Verbindlichkeit und Vertrauen unverzichtbar und müssen hart erarbeitet werden.

 

Kann die Verwaltung aktuell mit Zielsetzungen arbeiten? Oder ist es eher ein Reagieren statt Agieren?

Nein, ich bin fest davon überzeugt, dass ein Bürgermeister und eine Verwaltung nicht nur reagieren dürfen. Es muss immer der Anspruch sein, die Stadt und die Gesellschaft aktiv weiter zu entwickeln und Dinge zu gestalten. Ich habe zahlreiche konkrete soziale Projekte, wichtige Infrastrukturmaßnahmen, wirtschaftliche Impulse und Ideen im Bereich der gesamtstädtischen Entwicklung vor Augen, die ich proaktiv und selbstbewusst in den kommenden Monaten und Jahren vorantreiben möchte.

 

Trauen Sie sich eine Prognose zu? Wann werden wir wieder zur Normalität übergehen können?

Ich habe lernen müssen, mit Prognosen zu Dingen, die man selbst nicht beeinflussen kann, sehr zurückhaltend zu sein. Aber ich habe Hoffnung, dass die aktuellen Maßnahmen greifen und in der zweiten Jahreshälfte 2021 immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens wieder geöffnet werden können.