Verkaufsinteresse bei Apotheken an erster Stelle. Hinweis auf Gegenanzeigen und Nebenwirkungen mangelhaft! Beim Verkauf von freiverkäuflichen Präparaten zur Selbstmedikation missachteten viele Apotheker nicht nur häufig ihre Beratungspflicht, sondern händigen Kunden auch zu hohe Mengen an bedenklichen Arzneimitteln aus. Dies hat die Verbraucherzentrale NRW beim Testkauf des Schmerzmittels Thomapyrin in 50 NRW-Apotheken festgestellt. „In vier von fünf Apotheken stand das eigene Verkaufsinteresse und nicht der Schutz von Patienten im Vordergrund. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht der Apotheker“, kritisiert Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW.
Apotheker müssen auch beim Verkauf rezeptfreier Medikamente auf Arzneimittelsicherheit achten und eine Eignung des verlangten Präparats für den Kunden prüfen und im Zweifel einen Arztbesuch empfehlen. Kommen Apothekern bei einem Kunden wegen der verlangten Menge oder einem sich abzeichnenden sorglosen Umgang mit dem Präparat Bedenken, müssen sie den Verkauf des Arzneimittels ganz oder teilweise verweigern.
Wie diese in der Apothekenbetriebsordnung seit 2012 explizit vorgegebene Prüf- und Beratungspflicht umgesetzt wird, hat die Verbraucherzentrale NRW in jeweils fünf Apotheken in zehn Städten Nordrhein-Westfalens untersucht. Hierzu verlangten die Testkäuferinnen in den Apotheken jeweils drei Packungen mit 20 Tabletten des rezeptfrei erhältlichen Schmerzmittels Thomapyrin Intensiv. Die geforderte Menge von 60 Tabletten auf einmal sollte das pharmazeutische Personal bewusst stutzig machen. Auf Nachfrage wiesen die Testkäuferinnen außerdem auf ihren regelmäßigen und hohen Konsum des Mittels gegen Kopfschmerzen hin.
Die Wirkstoffe von Thomapyrin können bei übermäßiger Einnahme jedoch gefährliche Nebenwirkungen, etwa schwere Leberschäden und ein dauerhaftes Kopfschmerzleiden, verursachen. Deshalb dürfen maximal sechs Tabletten täglich an drei bis vier zusammenhängenden Tagen und insgesamt an höchstens zehn Tagen im Monat eingenommen werden. Apotheker müssen die verlangte Menge kritisch hinterfragen. Falls eine gesundheitsschädliche Anwendung von Kunden erkennbar ist, müssen sie den Verkauf deutlich reduzieren.
39 der 50 getesteten Apotheken ignorierten diese Vorgaben und verkauften anstandslos die verlangte Anzahl des Schmerzmittels. Lediglich acht Verkaufsstätten begründeten mit pharmazeutischer Bedenken eine reduzierte Herausgabe der Menge. Drei Apotheken hatten nur jeweils zwei Packungen vorrätig, die sie bereitwillig abgaben. Auch in puncto Aufklärung und Beratung patzten die meisten pharmazeutischen Verkäufer: Elf Apotheken reichten die gewünschten Präparate kommentarlos über die Ladentheke. Nur ein Drittel (18 Apotheken) warnte vor einer dauerhaften und zu hohen Einnahme und riet anstelle des Kaufs einen Arzt aufzusuchen. Besonders widersinnig: Trotz kritischem Nachhaken und Warnung vor hohem Dauergebrauch verkauften acht Apotheker die gewünschte Menge des Schmerzmittels.
„Um Medikamentenmissbrauch und darauf folgende Gesundheitsschäden zu vermeiden, sollten Apotheker umdenken. Bei der Abgabe rezeptfreier Medikamente muss die Gesundheit der Kunden und nicht das Verkaufsinteresse im Vordergrund stehen. Dies gilt auch dann, wenn Kunden vehement auf einen Kauf pochen“, appelliert NRW-Verbraucherzentralenvorstand Schuldzinski an die Apothekerschaft, ihre Beratungspflicht korrekt auszuüben.
Kunden sollten sich in Apotheken stets ausführlich über eventuell schädliche Nebenwirkungen von rezeptfreien Medikamenten informieren. Hierbei sollten sie nicht nur nach bestimmten Präparaten, sondern auch nach alternativen Mitteln und Behandlungen fragen. Tipps hierzu gibt es auf den Internetseite der Verbraucherzentrale NRW unter
www.vz-nrw.de/medikamentenkauf.
Aufklärungsmanko bei Schmerzmittelabgabe
März 1, 2015