Das Ministerium für Verkehr teilt mit: Der Erhalt und der gute Zustand der Straßeninfrastruktur ist in einem dicht besiedelten Industrie- und Transitland wie Nordrhein-Westfalen von besonderer Bedeutung. Er ist zugleich Wirtschaftsfaktor und garantiert den Menschen Wohlstand und soziale Sicherheit. Umso wichtiger ist es, den Investitionsstau dauerhaft aufzulösen. Deshalb hat das Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen seit 2017 einen Planungs-, Genehmigungs- und Bauhochlauf gestartet. Zwei Infrastrukturpakete zur Beschleunigung von Planung, Genehmigung und Bau wurden inzwischen verabschiedet. Kontinuierlich wurden die Mittel für die Einstellung von Fachpersonal beim Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen erhöht. Gleichzeitig sind die Leistungen für externe Planungsbüros auf Rekordhöhen angestiegen.
Insgesamt wurden so knapp 600 Millionen Euro mehr Bundesmittel für Infrastrukturmaßnahmen vom Bund abgerufen als eigentlich für Nordrhein-Westfalen vorgesehen waren. Verkehrsministerin Ina Brandes: „Jetzt ist entscheidend, dass wir auf dem von Nordrhein-Westfalen eingeschlagenen Weg des Planungs-, Genehmigungs- und Bauhochlaufs konsequent weiter vorankommen – vor allem bei den angegriffenen Brücken in der Zuständigkeit der Autobahn GmbH des Bundes. Der langjährige Investitionsstau zwingt uns, dass wir Planung, Genehmigung und Bau großer Infrastrukturprojekte vereinfachen und beschleunigen. Mit dem vorgelegten 10-Punkte-Programm können die Voraussetzungen geschaffen werden, viel schneller zu sein, als es bislang möglich war.“ In dem 10-Punkte-Programm sind standardisierte und verbindliche Verfahren vorgesehen, die die Sanierung und den Ersatzneubau von Autobahnbrücken nachhaltig und systematisch beschleunigen.
1. Sonderfonds bei der Autobahn GmbH des Bundes
Das Land Nordrhein-Westfalen macht sich dafür stark, dass das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) einen 300-Millionen-Euro Sonderfonds „Sanierung Autobahnbrücken NRW“ für einen Planungsvorrat einrichtet. Heißt: Ein entsprechender Planungsvorrat gewährleistet, dass Bauprojekte ohne Zeitverzug angegangen werden können, weil ein Bestand fertiger und genehmigter Planungen auf Vorrat angelegt wird. Das schafft auch Planungssicherheit für die Bauindustrie, so dass sich Investitionen in die Qualifizierung von Personal und technische Innovation verlässlich auszahlen.
2. Geschäftsbereich „NRW-Brücken“ bei der Autobahn GmbH des Bundes
Als Transitland ist Nordrhein-Westfalen von der Belastung durch Schwerlastverkehr besonders betroffen. Um der extremen Beanspruchung der Infrastruktur Rechnung zu tragen, halten wir es für sinnvoll, dass die Autobahn GmbH des Bundes einen eigenen Geschäftsbereich „NRW-Brücken“ einrichtet. Heißt: Nach Vorbild des Geschäftsbereichs „Rheinbrücken“ baut die Autobahngesellschaft des Bundes eine eigene Organisationseinheit auf, die sich ausschließlich auf Sanierung und Ersatzneubau von Autobahnbrücken in Nordrhein-Westfalen konzentriert. Aufgrund der Bedeutung des Autobahnnetzes bekommen die Sanierung und der Neubau von Autobahnbrücken mit der Einrichtung eines eigenen Geschäftsbereichs einen prominenten Stellenwert bei der Autobahn GmbH des Bundes mit klaren Verantwortlichkeiten. Das sorgt für volle Konzentration und Transparenz.
3. DEGES einbinden
Die DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) soll stärker in komplexe Bauvorhaben eingebunden werden, um das Expertenwissen in Deutschland bestmöglich zu nutzen. Heißt: Die DEGES wurde vor 30 Jahren zur beschleunigten Umsetzung von Großprojekten gegründet. Inzwischen hat die DEGES einzigartiges Wissen erworben. Diese Kompetenz sollte konsequent genutzt werden. Die DEGES verfügt über funktionierende Strukturen und kann sofort in Sanierungsprojekte mit komplexen funktionalen Ausschreibungen einsteigen.
4. Ersatzneubau ohne erneute Planfeststellung
Gibt es für einen Autobahn-Abschnitt bereits einen gesetzlichen Planungsauftrag (Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan), sollen einzelne Bauwerke künftig ohne weitere Betrachtung entsprechend angepasst bzw. ausgebaut werden. Heißt: Schon jetzt können reine Ersatzneubauten ohne erneute Planfeststellung errichtet werden. Sehr häufig geht mit der Sanierung/dem Neubau ein Ausbau der Infrastruktur einher. So ist im Falle der A 45 eine Erweiterung auf sechs Spuren gesetzlich beschlossen und teilweise schon im Bau. Der Ersatzbau zum Beispiel der Rahmede-Brücke darf dann ohne Planfeststellung ebenfalls auf sechs Spuren erweitert werden. So wird ohne formalen Aufwand der Endzustand der Straße berücksichtigt. Das erleichtert und beschleunigt die Planung erheblich. Die zusätzlichen Fahrtstreifen dürfen erst nach einer endgültigen Genehmigung des Ausbaus des gesamten Abschnitts, also nach abgeschlossener Planfeststellung, genutzt werden.
5. Digitalisierung von Planung, Genehmigung und Bau
Das Building Information Modeling (BIM) muss bei allen Bauprojekten verbindlich als Standard eingesetzt werden. Ein standardisiertes Verfahren zur Planung im digitalen Modell soll verbindlich Planungs-, Genehmigungs- und Bauverfahren beschleunigen. Heißt: Alle an einem Bauprojekt Beteiligten arbeiten gleichzeitig in demselben digitalen Modell. Konflikte zwischen unterschiedlichen Gewerken Seite 4 von 6 werden so unverzüglich entdeckt und können abgestellt werden. Die Digitalisierung und Vernetzung aller Planungen und der daran Beteiligten
sorgt für eine höhere Effizienz und geringere Fehlerquote. Wichtig ist dabei zur Beschleunigung, dass das BIM umfassend angewendet wird und nicht mehr in parallelen Prozessen mit 2D-Plänen gearbeitet wird.
6. Ersatzneubauten ohne erneute Umweltverträglichkeitsprüfung(UVP)
Bei Ersatzneubauten soll ausnahmslos auf eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden. Heißt: Da für das ursprüngliche Bauwerk bereits eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorliegt, gilt diese weiter, und das Bauwerk kann ohne weitere Untersuchung wiederhergestellt werden. Die Planungs- und Genehmigungszeit eines jeden Bauwerks verringert sich damit mindestens um 15 bis 18 Monate. Der Verzicht auf eine UVP wird auch auf temporäre Bauwerke ausgedehnt, die zur Erstellung des Ersatzbauwerks nötig sind (etwa Baustraßen). Der pauschale Entfall der UVP-Pflicht für Ersatzneubauten sorgt dafür, dass die Straßenbauverwaltung weniger Zeit auf Prüfungen verwenden muss und sich voll auf die technische Planung des Ersatzneubaus konzentrieren kann.
7. Funktionale Ausschreibungen und Mischlose nutzen
Funktionale Ausschreibungen (gemeinsame Vergabe von Planung und Bauleistung) sollen systematisch zur Beschleunigung von Bauprojekten eingesetzt werden. Planung und Bau werden somit aus einer Hand geliefert und effizient abgestimmt. Ist eine funktionale Ausschreibung nicht sinnvoll, werden bevorzugt Mischlosvergaben eingesetzt. Die Planungs und Bauzeit ist ein wesentliches Wertungskriterium für die Auftragsvergabe. Heißt: Bei einer herkömmlichen Ausschreibung wird ein Bauwerk von Planern zunächst in allen Details geplant und beschrieben und das Bauwerk erst nach abgeschlossener Planung ausgeschrieben. Bei einer funktionalen Ausschreibung wird nicht ein konkretes Bauwerk, sondern das Bauwerk in seiner Funktion ausgeschrieben. Ein Baukonsortium wird mit Planung und Bau beauftragt und kann so intern den optimalen Ablauf von Planungs- und Bauleistungen abstimmen. Das spart Zeit. Wenn immer möglich, werden die Planungs- und Bauunternehmen früh über dialoggeprägte Vergabeverfahren einbezogen.
8. Bonus-Malus-Regelungen
Flächendeckend sollen Bonus-Malus-Regelungen in Bauverträgen verbindlich eingeführt werden, um die Einhaltung/Unterschreitung der Bauzeit zu belohnen – und die Überschreitung der vertraglich vereinbarten Bauzeit zu sanktionieren. Nebenangebote und Sondervorschläge mit beschleunigender Wirkung werden vermehrt zugelassen. Heißt: Bauunternehmen, die schnell bauen werden belohnt. Wer bummelt, wird bestraft.
9. Vergabe vereinfachen
Schon jetzt ist im Falle „äußerster Dringlichkeit“ ein vereinfachtes Vergabeverfahren – gegebenenfalls überwacht von einem Sonderbeauftragten – möglich. Für besonders kritische Bauvorhaben wird künftig ein solches Verfahren sorgfältig geprüft. Heißt: Eine Direktvergabe ohne Beteiligung anderer Marktteilnehmer ist nur dann erlaubt, wenn eine akute Gefahrensituation für Leib und Leben vorliegt und die Notwendigkeit eines Ersatzneubaus nicht vorhersehbar war. Diese Regelung wurde zum Beispiel beim Brückenbau in Genua großzügig ausgelegt. Bei besonders kritischen Projekten wird diese Vorgehensweise geprüft – bei Einhaltung von Transparenz und fairem Wettbewerb.
10. Qualifizierungsoffensive von Bauingenieuren und Technikern
Wir unterstützen den Bund bei der Ausbildung und Qualifizierung von Fachkräften. Dazu wird das Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft, der Bauindustrie und weiteren Akteuren eine Qualifizierungsoffensive initiieren. Heißt: Durch den jahrelangen Investitionsstau hat die Attraktivität der Bauingenieurberufe gelitten. Dieser Trend wird im Rahmen des Planungs-, Genehmigungs- und Bauhochlaufs umgekehrt. Alle Beteiligten entwickeln eine Strategie für mehr duale (Master-)Studienplätze, Digitalisierungskompetenz, Fort- und Weiterbildung von Bauingenieuren und Technikern. Das 10-Punkte-Programm des Ministeriums für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen sieht die verbindliche Einführung standardisierter Regelungen zur Vereinfachung von Planung, Genehmigung und den Bau von Ersatzneubauten vor, um im bestehenden System Bauvorhaben zu beschleunigen und so den Investitionsstau schnell und nachhaltig aufzulösen.