Für jedes Kind eine Wäscheklammer mit seinem Namen – Gabi Gebhardt (l.) und Petra Hölscher zeigen, wie die Verhaltens-Skala funktioniert.


„Erziehung von Kindern ist ein 24-Stunden-Job. Deswegen ist es sehr wichtig, dass Eltern, Lehrerinnen und Betreuerinnen in der Ganztagsschule an einem Strang ziehen und die gleichen Ziele verfolgen“, erklärt Petra Hölscher, Schulleiterin an der Grundschule Reelkirchen. Kinder würden verwirrt, wenn am Vormittag andere Regeln und Ziele gälten als am Nachmittag zu Hause. Um das zu verhindern und die Zusammenarbeit zwischen den Pädagogen und den Eltern noch weiter zu stärken, wurde nun ein Fortbildungstag an der Blomberger Grundschule veranstaltet. Finanziert wurde er von den drei Beteiligten: der Schule, der Johanniter-Unfall-Hilfe als Betreiber der Ganztagsschule und dem Förderverein als Vertreter der Eltern.
 
„Im Alltag ertappen wir uns alle dabei, dass negatives Verhalten der Kinder belohnt wird“, sagt Schulleiterin Hölscher. Das Kind quengelt und bekommt von den Eltern Schokolade. Es ruft, ohne sich zu melden, laut in die Klasse und der Lehrer nimmt es dran. Dem will das Konzept „IntraActPlus“ des Psychologen Dr. Fritz Jansen, der die Fortbildung in Reelkirchen leitete, entgegenwirken. Ziel ist es, die Beziehung zwischen den Kindern und ihren Eltern beziehungsweise Lehrkräften positiv zu stärken und dadurch eine bessere Einstellung der Kinder zum Lernen und ein gutes Sozialverhalten zu erreichen.
 
Erhält schlechtes Verhalten Aufmerksamkeit, wird gutes Verhalten der Kinder hingegen häufig als selbstverständlich hingekommen. Eine Dynamik, die auch die Leiterin der Offenen Ganztagsschule (OGS) in Reelkirchen in ihrer Arbeit beobachtet. „Friedliches Zusammenspielen der Kinder wird nicht extra gelobt. Sobald aber Streit entsteht oder die Kinder etwas Verbotenes tun, bekommen sie Aufmerksamkeit von uns“, erzählt Gabi Gebhardt von den Johannitern. Auch wenn es paradox klingt: „Schimpfen ist für die Kinder auch Zuwendung. Sie werden beachtet, der Erwachsene kümmert sich um sie. Das nehmen sie als positiv wahr und so wird negatives Verhalten belohnt“, so Gebhardt.
 
Die Fortbildung soll helfen, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Mit vielen Videos und praktischen Beispielen zeigt Jansen auf, wie positives Verhalten in der Schule und zu Hause gezielt belohnt und bestärkt werden kann. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, durch eine Verhaltens-Skala gutes Verhalten im Klassenraum zu visualisieren. „Die Kinder rutschen bei jedem Regelverstoß eine Stufe auf der Skala nach unten. Kinder, die hingegen die ganze Woche über auf der obersten Stufe bleiben, werden belohnt. Zum Beispiel durch einen Hausaufgabenfrei-Gutschein oder eine Spielestunde“, erklärt Hölscher.
 
Die Lehrer und OGS-Erzieher nahmen einen Tag lang an der Fortbildung teil. Für die Eltern gab es abends einen eigenen Elternabend, an dem sie Strategien und Methoden für die Erziehung zu Hause nach dem IntraActPlus-Konzept kennenlernten. Rund ein Drittel der Eltern an der Grundschule nahm an dem Abend teil. Die Kooperation bei der Fortbildung zwischen Schule und OGS sei bereits etwas Besonderes, sind sich Hölscher und Gebhardt einig. Dass zusätzlich auch die Eltern mitziehen, freut die beiden sehr: „Wir sitzen alle in einem Boot. Dann lasst uns auch gemeinsam in dieselbe Richtung rudern!“