Pastor Hermann Donay fand bei seiner Antragsbegründung die richtigen Worte gegenüber den Ausschussmitgliedern.

Mit Schreiben vom 30.08.2018 hat der Runde Tisch „Miteinander in Blomberg“ den Antrag (der als Bitte formuliert ist) gestellt, dass die Stadt Blomberg ihre Aufnahmebereitschaft für Mittelmeerschiffsbrüchige erklären möge. Im Antrag heißt es wörtlich: „In Anbetracht der überaus problematischen Situation der Flüchtlinge im Mittelmeerraum und der freien Kapazitäten in unserer Stadt bittet der runde Tisch den Rat der Stadt Blomberg, das deutliche Zeichen zu setzen, ihre Aufnahmebereitschaft für Mittelmeerschiffsbrüchige zu erklären.“ Verwaltungsseitig wurden zwischenzeitlich die möglichen rechtlichen Folgen des Antrages geklärt. Zunächst bat Bürgermeister Klaus Geise Pastor Hermann Donay stellvertretend für den Runden Tisch den Antrag zu erläutern.

 

Hermann Donay: Wir haben in den letzten 3,5 Jahren immer wieder am Runden Tisch über die Flüchtlingssituation beraten und ich glaube dass uns im Team mit Verwaltung und Ehrenamtlern Vieles sehr gut gelungen ist. Aus einem Bericht des Sozialamtes geht hervor, dass die Situation in unseren Flüchtlingsunterkünften deutlich entspannt ist. Zugleich zeigt die aktuelle Berichterstattung in den Medien jedoch, wie belastend die Situation im Mittelmeer ist. Im Sommer waren wieder scharfe Worte in vielen Richtungen über Flüchtlingsbewegungen zu hören. Menschen, die auf völlig überladenen Booten versuchen nach Europa zu kommen, die versuchen ihr Leben zu erhalten, sie unternehmen die Reise voller Hoffnung. Viele scheitern weil Boote überladen sind und geraten in Seenot. Über 100.000 Menschen haben sich so auf den Weg gemacht. Internationale Hilfsmaßnahmen wurden zurückgefahren und durch kleine NGOs (Non-Governmental Organisation) ersetzt – was zu wenig ist. Bis Ende diesen Jahres sind schon 1.405 Menschen bei derartigen Fluchtversuchen gestorben, die Dunkelziffer wird deutlich höher sein, die Genauigkeit dieser Zahl beruht lediglich auf den tatsächlich geborgenen Leichen.

 

Eine wirklich grausame Situation, die sowohl der Genfer Konvention als auch dem geltenden Seerecht widerspricht. Besonders erschreckend finde ich, dass so etwas in Europa passiert. WIR sind Europa. Wir schauen weg, lassen Menschen ertrinken die leben wollen. Das ist so als wenn der Notarztwagen nicht ausrückt. Das ist gegen die Humanität. Wir lassen es einfach zu und nehmen uns so einen Teil der eigenen Würde. Lassen Sie uns daher dieses klares Zeichen für Humanität setzen, ich könnte auch Nächstenliebe sagen. Die verachtende Sprüche werden lauter und lauter, „absaufen lassen“ wird gerufen. Diese Erklärung ist nur ein Zeichen, ein schwaches Zeichen aber man darf hier nicht schweigen. Wir bitten um diese Erklärung an Außen- und Innenminister sowie an die Bundeskanzlerin zu senden. Wir haben in Blomberg Kapazitäten, das ist ein Zeichen und bedeutet Nachhaltigkeit. Erklären sie Blomberg zum sicheren Hafen, zeigen sie dass wir für eine offene Gesellschaft und ein solidarisches Europa stehen.

 

Bürgermeister Klaus Geise: Das sind eindringliche und deutliche Worte. Die verwendeten große Begriffe wie Humanität und Nächstenliebe bewegen uns natürlich sehr. Wir als politisches Gremium müssen dann jedoch ein wenig andere Vokabeln verwenden. Wir haben uns auch mit den rechtlichen Folgen befassen müssen, dass gehört zu einer sachgerechten Beratung. Die rechtliche Situation bitte ich Herrn Dolle zu erklären.

 

Christoph Dolle: Das Menschliche mit Politischem zu kommentieren? Nein, ich lasse ihre Worte so stehen. Verwaltungsseitig müssen wir jedoch klären, unter welchen Rahmenbedingungen ist ein solcher Antrag durchführbar? Ich habe mich mit den Stellen, die für die Zuweisung zuständig sind, auseinandergesetzt. Unisono lauten die Erklärungen dieser Stellen: Es hapert auf der Umsetzungsebene, völlig unabhängig vom guten Willen. Wenn der Status der Flüchtlinge geklärt ist, erst dann können wir hier aufnehmen. Ein Appell wäre es in Richtung Bundesregierung, aber wir können durch Beschluss heute nicht unmittelbar Flüchtlinge zugewiesen bekommen. Unsere Unterdeckung, gemessen an den Zuweisungszahlen, bringt als Licht, dass Kapazitäten frei sind, aber am Punkt der Rechtsstaatlichkeit kommen wir hier nicht vorbei, diese muss erst auf der Bundesebene erfüllt werden.

 

Gottfried Eichhorn (SPD): Ich danke für die Worte von Herrn Donay und danke auch allen Aktiven des Runden Tisches. Ohne sie wäre die Aufnahme nicht so gut abgelaufen wie sie es ist. Ich danke auch für die Fortführung ihrer Arbeit. Der Antrag setzt ein deutliches Zeichen gegen Rassismus, dass finde ich ganz toll. Die Werte der europäischen Union werden aktuell mit Füßen getreten, das sind nicht die Werte, für die Europa steht. Wir unterstützen den Antrag vorbehaltlos auf menschlicher Ebene. Auf der politischen Ebene können wir keinen Beschlussvorschlag entnehmen. Als SPD haben wir daher einen Vorschlag formuliert (diese Formulierung wurde erst in der Sitzung verteilt, stand den anderen Fraktionen also erst kurzzeitig zur Verfügung):

 

„Der Rat der Stadt Blomberg hat in den vergangenen Jahren im Einvernehmen aller im Rat der Stadt vertretenen Parteien dafür Sorge getragen, dass sie aus den Kriegs und Krisengebieten geflüchteten Menschen in Blomberg eine menschenwürdige Aufnahme und Unterbringung fanden. Viele ehrenamtliche Helfer und die Mitarbeiter der Verwaltung haben große Anstrengungen unternommen, den geflüchteten Menschen bei der Bewältigung der für sie anstehenden Probleme und Schwierigkeiten zu helfen. Das Schicksal der im Mittelmeer Ertrinkenden Flüchtlinge ist erschütternd, der Appell des Runden Tisches, weitere Flüchtlinge insbesondere Schiffbrüchige aus dem Mittelmeer aufzunehmen, ist deshalb nur allzu verständlich.

 

Der Rat der Stadt Blomberg, appelliert an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, schnellstmöglich eine Verbesserung der unhaltbaren Situation der Schiffbrüchigen herbeizuführen und erklärt sich bereit, im Rahmen bundeseinheitlicher Regelungen Flüchtlinge auch über die Anzahl der derzeit in Blomberg lebenden geflüchteten hinaus aufzunehmen.“

 

Friedrich Wilhelm Meier (CDU): Die Leistungen des runden Tisches stehen außer Frage. Wir haben aber natürlich auch andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Ich habe selbst Entwicklungshilfe, dies in bescheidenem Rahmen, in Afrika geleistet. Die Zustände sind natürlich nicht tragbar. Wie weit gehen unsere Kapazitäten, wo gibt es Grenzen. Eigentlich ist dieser Sachverhalt viel weiter oben angesiedelt. Der rechtsleere Raum ist hier noch nicht geklärt. Im Gespräch mit Menschen über diese Thematik sind einige dafür, einige dagegen und einige in der Mitte. Das extreme Leid haben wir natürlich erkannt, aber als CDU haben wir beschlossen diesem Entschluss nicht zuzustimmen. Das richtet sich nicht gegen runden Tisch und wir wollen und dürfen deshalb auch nicht in die rechte Ecke gedrängt werden – das habe ich so zwischen den Zeilen gelesen. Diskussionen müssen immer vorsichtig geführt werden. Wir haben alle selber schon bei der Flüchtlingshilfe unterstützt. Wir könnten uns damit anfreunden, wenn es in der Formulierung eine Abänderung geben würde. Das Bestreben die Zustände zu ändern ist richtig, eine zusätzliche Aufnahme in Blomberg würden wir momentan aber nicht unterstützen.

 

Timo Broeker (Grüne): Wir unterstützen den Appell des Runden Tisches absolut. Ich habe hier heute keine neuen rechtlichen Aspekte gehört, die irgendwie greifen, es ist uns klar, dass es hier nur um einen Signalcharakter geht. Es geht um bilaterale Fragen, die sich auf nationaler Ebene abspielen. Daher ist es momentan umso wichtiger einem Antrag dieser Art zuzustimmen. Dann wird eine Entscheidung bei der Bundesregierung nötig bzw. ist zumindest in die richtige Richtung gedrängt.

 

Gottfried Eichhorn(SPD): Ich möchte in aller Deutlichkeit klarstellen, dass meine Formulierung nicht bedeuten sollte, dass jemand der gegen diese Formulierung ist kein Zeichen gegen Rassismus setzt. Wir können nicht sämtliche Flüchtlinge aus dem Mittelmeer aufnehmen, natürlich muss es Grenzen geben. Daher haben wir im Antrag die „bundeseinheitlichen Regelungen“ genannt. Änderungen an der Formulierung würde ich daher ungern mittragen. Wenn dem Kern der Aussage stattgegeben wird, müssen auch Kommunen da sein, die aufnehmen.

 

Günther Borchard (SPD): Ich bitte Herrn Meier den letzten Absatz noch mal genau zu lesen, das Schreiben ist ja nun auch recht kurzfristig vorgelegt worden.

 

Bürgermeister Klaus Geise: Mit dem Herzen sind wir doch alle dabei, hier geht es um eine Transformation in ein gewisses Amtsdeutsch. Das ist der SPD hier gelungen. Ich fände es schade, wenn wir uns hier auseinanderdividieren. Im Kern trifft die ausgearbeitete Formulierung durch das vom Runden Tisch gewünschte, oder?

 

Pastor Hermann Donay hatte innerhalb der Sitzung eigentlich kein Rederecht, daher erwartete der Bürgermeister eigentlich nur eine Geste, Donay sprach dennoch: Ich habe mal gelernt, dass Appelle nur dann sinnvoll sind, wenn sie eine Selbstverantwortung beinhalten.

 

Marin Stork (FBvB): Wir unterstützen den Antrag des runden Tisches. Aber auch das nun von der SPD Vorgelegte. Was finanziell dann auf uns zukommt, dass ist eine nächste Facette.

 

Friedrich Wilhelm Meier (CDU): Wenn der Antrag dahin geht die Bundesregierung dazu aufzufordern einen Rechtsrahmen für diese Situation zu schaffen, die Flüchtlinge hätten dann einen „Status“ – dann können wir das mittragen, ich hatte das eben tatsächlich nicht richtig gelesen.

 

Bürgermeister Klaus Geise: Wie im Antrag des Runden Tisches gewünscht, die Aufnahmebereitschaft von Flüchtlingen zu erklären, ist es in der von der SPD vorgelegten Formulierung geschehen, dem Ansinnen wird also Rechnung getragen. Sind so alle einverstanden?

 

Timo Broeker (Grüne): Nein, dass gefällt mir überhaupt nicht. Es ist eine Initiative des Runden Tisches. Dass aber nun über einen SPD Antrag abgestimmt wird finde ich nicht richtig. Die Formulierung der SPD ist glücklich, aber es bleibt der Antrag des runden Tisches.

 

Günther Borchard (SPD): Wir haben uns nur die Mühe gemacht diese Formulierung zu finden, es ist kein eigenständiger Antrag, es ist ein Votum zu einem Beschluss zu einem Thema welches auf der Tagesordnung steht.

 

Bürgermeister Klaus Geise Ich hätte meinen Frieden damit, wenn wir über beide Anträge abstimmen.

 

Gottfried Eichhorn (SDP): Es geht um kein Copyright der SPD bei der Formulierung, wir können auch darauf schreiben, dass es ein gemeinsamer Beschlussvorschlag oder was auch immer ist. Es war nun mal kein Beschlussvorschlag im Antrag vorhanden, hier nun darüber zu streiten wer Urheber ist finde ich völlig daneben.

 

Marin Stork (FBvB): Das machen wir doch hier in dieser Runde häufiger, einen Beschlussvorschlag umzuformulieren, ich habe damit auch meinen Frieden.

 

Friedrich Wilhelm Meier (CDU): Die Formulierung wurde im Vorfeld durch die SPD erarbeitet, damit können wir gut leben, es tut dem ursprünglichen Ansinnen keinen Abbruch.

 

Nachdem sich offenkundig viele Anwesende gefragt haben ob es am Ende noch um das Ansinnen des Runden Tisches oder Urheberrechte geht (welches die SPD nebenbei bemerkt gar nicht für sich in Anspruch nehmen wollte), was auch beim Hinausgehen der wenigen Zuhörer bei der Sitzung deutlich wurde, sollte es doch bei der Abstimmung zu Einstimmigkeit kommen. Bürgermeister Klaus Geise bedankte sich bei den Ausschussmitgliedern und freute sich sichtlich darüber, dass am Ende doch alle an einem Strang gezogen haben und nun ein deutliches Zeichen in Richtung Berlin gesendet werden kann. Mehr als ein Zeichen kann es an dieser Stelle eben auch nicht sein. Was die Bundesregierung nun daraus machen wird bleibt abzuwarten.