Der CDU-Kreisverband Lippe hat am gestrigen Mittwoch, dem 31. August 2016, seine Mitglieder zu einer Versammlung in die Blomberger Schießhalle eingeladen. Da im September des nächsten Jahres Bundestagswahlen stattfinden und der langjährige (seit 2005) Abgeordnete Cajus Caesar bereits zum Jahresbeginn verkündet hatte nicht für eine weitere Amtsperiode zu kandidieren, waren vor allem die Tagesordnungspunkte „Bekanntgabe der bislang vorliegenden Kandidatenvorschläge“, „Vorstellung der Kandidatinnen und Kandidaten“ und „Wahl der CDU-Bewerberin/ des CDU-Bewerbers für Bundeswahlkreis 135 (Lippe 1)“ bedeutungsvoll. Von den 1.470 Stimmberechtigten des Wahlkreises folgten 269 der Einladung.
Nach Begrüßung der Ehrengäste durch Volker Heuwinkel, begrüßte auch Thomas Spieker als Stadtverbandvorsitzender der CDU Blomberg die Gäste mit kurzen Worten: „Ich freue mich, dass wir heute die Rolle des Gastgebers übernehmen dürfen und wünsche der Versammlung einen guten Verlauf. Sie als Parteimitglieder können beurteilen, wer am Ende des Abends in der Liste vorne stehen soll, Sie sind am Puls der Zeit.“ Dann stellte Volker Heuwinkel die Beschlussfähigkeit der Versammlung fest und konnte mit sich selbst und Lennart Hildebrandt die Posten von Versammlungsleitung und Schriftführung nach entsprechender Wahl besetzen. Und wie bei der ganz großen Politik eben auch, so folgte im Verlauf viel weiterer bürokratischer Aufwand. Wahl der Mandatsprüfungskommission, Wahl von Stimmzählern, Wahl der Vertrauensperson und Stellvertretung, Wahl von zwei Versammlungsteilnehmern die nach der Bundeswahlordnung vorgeschriebene Versicherung an Eides statt abgeben. Dann endlich der spannendere Teil. Der Teil der Wahl, auf den die CDU Mitglieder sich offenbar sehr freuten, ein echtes Novum. Statt schnödem Delegiertentum mit dieser Wahl echte Demokratie statt einfacher Entsendung. Als Vorschläge für mögliche Kandidaten waren eingegangen:
• Betriebswirtin und Versicherungskauffrau Kerstin Vieregge (39) aus Extertal ist Kreisvorsitzende der CDU Lippe und zudem erste stellvertretende Landrätin.
• Heinrich Zertik (59) aus Schieder-Schwalenberg gehörte zur ersten Einwanderer-Generation aus der Sowjetunion und ist bereits 2013 über die Landesliste in den Bundestag eingezogen.
• Unternehmer (Softwareentwicklung) Uwe Vieregge (48) aus Brake vertritt seine Partei im Rat der Stadt Lemgo und ist Kreisvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU
Es folgte die persönliche Vorstellung der einzelnen Kandidaten, Versammlungsleiter Heuwinkel räumte jedem ein Zeitfenster von 15 Minuten ein. Doch auch wenn keiner der Kandidaten diese zur Verfügung gestellte Zeit ausschöpfte war nach der Vorstellung klar, und das möchten wir vorwegnehmen, in die Rolle gedrängt wurde keiner. Wenngleich Kandidaten vermutlich unterschiedlicher nicht hätten sein können, so konnten alle die Liebe zur Region auf ihre individuelle Weise deutlich herausstellen. Über die Reihenfolge der Vorstellung hatte das Los entschieden, die Kandidaten erklärten sinngemäß und auszugsweise:
Uwe Vieregge:
Als Leiter eines Softwareunternehmens welches ich selbst aufgebaut habe, sind wir mit acht Niederlassungen in sieben europäischen Ländern vertreten. 53 Berufe sind 2004 aus der Meisterpflicht herausgenommen worden, als Mitglied der Mittelstandsvereinigung wollen wir hier die Rückführung. Das kann für Deutschland nicht der Weg sein, dass sich heute jeder an seinen Bulli „Hausmeisterservice“ schreiben und zum Beispiel Fliesen verlegen kann. Ich habe mich erst am 12. Juli zur Kandidatur entschlossen, ungefähr der Zeitpunkt, bis zu dem wir in Bezug auf unser Einkommen alle nur für Vater Staat gearbeitet haben, Geld für uns verdienen wir folglich erst nach diesem Termin. Die aktuelle Einkommenssituation in Deutschland ist so einfach unpassend. Gute Wirtschaftspolitik geht nur, wenn wir sie auch auf sozialpolitischer und gesellschaftspolitischer Ebene vertreten können. Der Brunnen für Griechenland ist meiner Meinung nach versiegt, Politik wie sie hier aktuell betrieben wird kann ich nicht unterstützen.
Kerstin Vieregge:
Aus wirtschaftlicher Sicht gesehen geht es uns so gut wie nie zuvor, dennoch müssen gerade wir als Volksparte, uns dafür anderen Aufgaben stellen. Die CDU ist meine Volkspartei in der ich mich seit 17 Jahren wohl fühle. Wir haben bereits eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei der die finanzielle Schere schon weit auseinander geht. Gute Arbeit muss einen guten Lohn zur Folge haben. Wir brauchen ein ausreichendes Einkommen zur Zeit der Arbeit und darüber hinaus bei der Rente. Ich bin ganz nah an Lippe! (Es folgte eine Auflistung der Vielzahl von politischen Tätigkeiten, und darüber hinaus, die Vieregge bereits leistet.) Sollte ich die Wahl gewinnen, so kann ich mit Blick auf meinen Gegenkandidaten der SPD nur sagen: „Jung bin ich auch, Frau noch dazu, dass kann für Lippe gut sein.“ Wir müssen Geld zunächst einnehmen bevor wir es wieder ausgeben können. Unternehmen stöhnen über die Masse an Vorschriften, die ihnen von Bund und Land auferlegt werden. Ich setze mich für ein Ende der Bevormundung ein und sage: „Trauen wir den Menschen doch mal wieder ein wenig mehr zu, die Verantwortung gehört hier her, hier vor Ort. Nicht nur „Master“ sondern auch „Meister“, ein klares Statement in Richtung Wegfall der Meisterberufe. Ich bin für Vollversorgung was den Internetausbau angeht, mindestens 50 MBit/s oder besser mehr, und für eine flächendeckende hausärztliche Versorgung und Krankenhausplätze. Eben eine bessere Infrastruktur in vielen Bereichen. Zu der Flüchtlingsfrage kann ich nur sagen: „Wir müssen geschlossen die unterstützen, die aktuell unsere Hilfe benötigen. Wer aber seinen Pass über Bord wirft, der muss auch umgehend abgeschoben werden können.“
Heinrich Zertik:
„Ich freue mich hier im Rahmen der Familie sprechen zu dürfen. Wir haben schon einiges gemacht. Ich habe in Lippe meine Heimat gefunden und ich habe die guten lippischen Angewohnheiten übernommen. Wir haben schon vieles gemacht und einiges erreicht, darauf bin ich sehr stolz“, erklärte Zertik und holte dabei verschiedene Personengruppen innerhalb der Partei mit kleinen Beispielen ab. In dieser Phase war er sehr emotional, bevor er dann aber auch konkreter wurde. „Wir können schaffen, dass unsere Region sich wirtschaftlich weiterentwickelt und zudem auch mehr Touristen herlockt. Bauern soll die Möglichkeit gegeben werden selbst zu bestimmen wie viel Milch zu produzieren und zu welchem Preis sie diese verkaufen. Innere Sicherheit bleibt mir ein persönliches Anliegen. Die Polizei muss besser unterstützt werden und wir brauchen trotz niedriger Kriminalitätszahlen mehr Personal vor Ort. Sicherheit ist ein Grundrecht, dafür setze ich mich ein. Lippe soll lebenswert bleiben, gemeinsam können wir Lippe voranbringen – ich würde mich über ihr Vertrauen sehr freuen.“
Nun folgte mit „Fragen, Aussprache und Diskussion“ Tagesordnungspunkt 10, in der den Kandidaten durch einzelne Mitglieder die Griechenlandfrage, die Flüchtlingsfrage oder die Frage danach ob wir es schaffen können gestellt wurden. Aber auch die Frage danach, ob auch mal die guten, erarbeiteten Dinge in den Fokus gerückt würden und eben nicht immer nur das, was noch nicht gut läuft. Im Hinblick auf die aktuelle Politikverdrossenheit eine berechtigte Frage. Die Kandidaten stellten sich den Fragen und hatten auch den Mut zu erklären, dass sie aktuell noch nicht auf alles eine Antwort haben.
Dann endlich die mit Spannung erwartete Wahl, gute Chancen dürften nach der Vorstellung alle Kandidaten haben, durch mit einigen Mitgliedern erfolgte Gespräche in der Pause (Ausfüllen und Abgabe der Stimmzettel) kristallisierte sich jedoch heraus, dass die Kandidatin aufgrund der hervorragenden und authentischen Argumentation sehr gute Chancen haben dürfte. Volker Vieregge verkündete, dass von den 265 abgegebenen Stimmen 265 gültig seien. Die Stimmverteilung wie folgt:
161 Kerstin Vieregge
72 Heinrich Zertik
31 Uwe Vieregge
Kerstin Vieregge setzte sich somit direkt im ersten Wahlgang mit der erforderlichen absoluten Mehrheit durch und ist die Bewerberin der CDU im Bundeswahlkreis 135 für die Bundestagswahl 2017. Rund ein Jahr hat sie nun Zeit um sich weiter vorzubereiten. In dem Wissen, dass Kerstin Vieregge einen guten Job machen wird, zeigten sich die beiden Gegenkandidaten als faire Verlierer und waren die ersten Gratulanten – mit ehrlichem Lächeln. Überglücklich erklärte sie: „Mein Herz rast gerade noch mehr als vor der Vorstellung, Endorphine strömen durch meinen Körper. Ich bedanke mich ganz herzlich für ihre Zeit mich am heutigen Abend hier zu unterstützen. Das wird jetzt aber kein Frauenspiel. Mit ihrer Hilfe und Unterstützung, durch Ideenaustausch und Feedback müssen wir als Union das wuppen und dann bekommen wir das auch hin.“
Mit Verlesung und Genehmigung der nach der Bundeswahlordnung über die Versammlung auszufertigenden Niederschrift wurde die Wahl gültig.