Ich bedaure das „Nein“ der Bürgermeister, weil wir nach meiner Auffassung im Herbst 2023 nach drei Beratungsrunden im Arbeitskreis Kreisumlage einen Kompromissvorschlag erzielt hatten, dem auch von den anwesenden vier Bürgermeistern und vier kommunalen Kämmerern nicht mehr widersprochen wurde. Dieser Kompromiss ist dann leider im Plenum der Bürgermeisterkonferenz gekippt worden. Darin liegt die tatsächliche Einmaligkeit des Vorganges und die Wurzel der gegenwärtigen Auseinandersetzungen:

 

Erstmals hatten die acht kommunalen Vertreter im Arbeitskreis offensichtlich keine Prokura für die Verhandlungen mit dem Kreis. Tatsächlich wurde dann auch aus Sicht der Bürgermeister keine Notwendigkeit für den finalen Gesprächstermin gesehen. Die Absage des vierten Termins erfolgte im Einvernehmen mit dem Kreis Lippe durch eine Mail des Sprechers der Bürgermeister am 9. November. Es stimmt also nicht, dass der Kreis die Gespräche einseitig abgebrochen habe.

 

Wir sehen jetzt, dass in der Folge von Ukraine-Krieg und Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene die Luft für die gesamte kommunale Familie immer dünner wird. Ich verstehe, dass in einer solchen Krisensituation einem Bürgermeister das kommunale Hemd näher ist als der Kreis-Rock. Allerdings schützt das kommunale Hemd auch nicht mehr, wenn der Kreis-Rock nur noch aus Löchern besteht. Ich hätte mir mehr Verständnis dafür erhofft, dass auch dem Kreis das Wasser bis zum Hals steht, wir aber gleichzeitig in der Vergangenheit gut gewirtschaftet haben. Das belegt sowohl eine Prüfung der Gemeindeprüfungsanstalt aus 2023 als auch der im OWL-Vergleich zweitniedrigste Hebesatz der Kreisumlage. Nur der Kreis Gütersloh fordert gemessen am Umlagesatz weniger Finanzmittel von seinen Gemeinden.

 

Zur Einordnung des aktuellen Disputs ein Blick auf die Nachbarkreise in OWL: In Herford titelte das Westfalen-Blatt „Bürgermeister sind sauer auf den Landrat“. In Paderborn verweigern die Bürgermeister die Benehmensherstellung, weil die Kreisumlage im Haushaltsentwurf um 36,4 Mio. Euro steigt (Lippe: 25,4 Mio.). Die Neue Westfälische berichtete aus Höxter: „Es war ein bislang in dieser Form einmaliger und geballter Hilferuf in Form von neun Briefen von neun Bürgermeistern im Kreis Höxter – Nummer zehn ist Willebadessen und derzeit ohne Kämmerer“. Und auch in Minden-Lübbecke protestierten alle elf Bürgermeister in einem gemeinsamen Brief gegen den Etatentwurf des Kreises. Für mich macht das deutlich, dass die Problematik von Bund und Land ausgeht, flächendeckend auftritt und nicht durch Fehlentwicklungen im Kreis Lippe ausgelöst wird.

 

Nach den heute bekannten Daten haben die Kreise Höxter (37,8%), Paderborn (38,7%) und Minden-Lübbecke (41,1%) auch 2024 wieder teils deutlich höhere Hebesätze beschlossen, als wir dem Kreistag für 2024 vorschlagen werden. Der lippische Etatentwurf kalkuliert mit einer Umlage in Höhe von 36,5 Prozent.

 

Den Vorwurf mangelnder Kommunikationsbereitschaft weise ich entschieden zurück. Der Gesetzgeber sieht lediglich vor, dass die Kommunen sechs Wochen vor Haushaltseinbringung über die Eckdaten des Kreishaushaltes informiert werden und dann Stellung nehmen können. Über dieses Verfahren hinaus, diskutiert der Kreis Lippe freiwillig traditionell im Arbeitskreis Kreisumlage mit den Städten und Gemeinden die Haushaltsplanungen fürs Folgejahr. Das haben wir als Kreis in der Vergangenheit immer aus Überzeugung so gehandhabt, weil wir an einer Kommunikation auf Augenhöhe interessiert sind. Andere Kreise praktizieren nur das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren.

 

Auf Überlegungen der Kommunen sind wir im Rahmen der drei Arbeitskreissitzungen (s.o.) eingegangen. Ein geplanter vierter Termin ist im Einvernehmen mit dem Sprecher der Bürgermeisterrunde abgesetzt worden. Nachdem die Bürgermeister dann den von ihren eigenen Vertretern im Arbeitskreis mit ausgehandelten Kompromiss leider erstmalig nicht mitgetragen haben, haben sie einen Vorschlag vorgelegt, der dazu führen würde, dass der Kreis Lippe künftig keine genehmigungsfähigen Haushalte mehr hätte aufstellen können. Das musste den Bürgermeistern auch von vornherein klar sein, weil wir in den drei Arbeitskreisen die Szenarien für die Folgejahre durchgerechnet hatten.

 

Im Übrigen sind Kämmerer Rainer Grabbe und ich zu Gast in der Bürgermeisterkonferenz am Dienstag, 16. Januar, um noch einmal den Kreishaushalt zu diskutieren. Kommunikation findet also sehr wohl statt. Dieser Termin stand auch vor der gestrigen Pressekonferenz der Bürgermeister bereits fest. Ich hoffe, dass das dazu beiträgt, den kommunalen Frieden wiederherzustellen – auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass die Bürgermeister dieses Gespräch fairerweise abgewartet hätten, bevor sie in die Öffentlichkeit gehen.

 

Der Kreis Lippe hat allein 2023 Einsparungen in Höhe von 7 Mio. Euro realisiert. Weitere Einsparungen in 2024 stellen einen echten Kraftakt dar, weil die Einsparpotenziale der Vergangenheit jetzt nicht mehr zur Verfügung stehen und, weil der Kreishaushalt zu rund 96 Prozent aus Pflichtaufgaben besteht. Wir sind jedoch zu diesen weiteren Einsparungen bereit.

 

Richtigstellung: Im Pressegespräch der Bürgermeister ist offensichtlich behauptet worden, der Kreis plane nur einen globalen Minderaufwand von zwei Millionen Euro ein. Das ist falsch. Ausweislich des Eckwertebeschlusses aus der Kreistagssitzung vom Dezember plant der Kreis Lippe mit einem die Kommunen entlastenden globalen Minderaufwand von sechs Millionen Euro (s.o.). Darüber hinaus plant der Kreis in der Personalwirtschaft weitere Einsparungen von drei Millionen Euro. In der Summe plant der Kreis Lippe also mit Einsparungen von 9 Mio. Euro in 2024.

 

Die Bürgermeister erwarten, dass der Kreis Lippe die Verbesserungen aus der LWL-Umlage an die Kommunen weitergibt. Selbstverständlich wird der Etatentwurf diese Verbesserung zugunsten der Kommunen enthalten. Der LWL hatte darüber aber erst drei Tage vor Weihnachten beschlossen, sodass diese Verbesserung erst im Januar von uns eingearbeitet werden kann. Der Vorwurf, wir wollten diese Verbesserung nicht weitergeben, ist falsch.

 

Ferner verlangen die Bürgermeister vom Kreis Lippe, nicht nur seine Ausgleichsrücklage – den Dispo der öffentlichen Hand – auf Null zu fahren. Gleichzeitig solle der Kreis auch seine Allgemeine Rücklage, also sein echtes Eigenkapital angreifen, und den globalen Minderaufwand auf zwei Prozent des Etatvolumens (ca. 12,5 Mio. Euro) erhöhen.

 

Dazu ist dreierlei festzustellen. Erstens: Wir haben die „Null“ in der Ausgleichsrücklage eingeplant, um die Kommunen vor noch höheren Belastungen zu schützen. Ende 2024 kalkulieren die Städte und Gemeinden in Lippe demgegenüber aber selbst noch mit 95 Mio. Euro in ihren Ausgleichsrücklagen (Ende 2022: 223 Mio. Euro). Die Rücklage des Kreises ist dann bereits erschöpft.

 

Zweitens: Nur eine einzige lippische Kommune plant nach meinen Kenntnissen überhaupt selbst einen globalen Minderaufwand ein – in Höhe von gut 0,7 Prozent ihres Haushaltsvolumens. Es ist für mich schwer nachvollziehbar, warum der Kreis mit einem globalen Minderaufwand von geforderten zwei Prozent Sparmaßnahmen ergreifen soll, zu denen die Kommunen selbst nicht bereit sind.

 

Drittens: Auch die Allgemeine Rücklage greift der Kreis Lippe 2023 und 2024 mit jeweils 3 Mio. Euro an. Denn der Kreis entlastet die Kommunen zusätzlich auch dadurch, dass er die Zuschüsse zu seinen Eigenbetrieben nicht auskömmlich festsetzt. Somit fließen die tatsächlichen Aufwände nicht in voller Höhe in die Kreisumlage ein, sondern werden über den Verzehr der Allgemeinen Rücklage gedeckt. Ferner wird nach bisherigem Kenntnisstand kein einziger Kreis in NRW seine Allgemeine Rücklage in Anspruch nehmen.

 

Mir ist es wichtig, den kommunalen Frieden wieder herzustellen, gerade mit Blick auf die nächsten Haushalte, die noch dramatischer aussehen werden. Dazu braucht es dreierlei: Die kommunalen Mitglieder des Arbeitskreises Kreisumlage brauchen wieder Prokura, um den Arbeitskreis nicht ad absurdum zu führen. Und dann müssen die Ergebnisse dieses Arbeitskreises in der Öffentlichkeit wieder gemeinsam vertreten werden, statt Dispute öffentlich auszutragen. Und schließlich: Bund und Land müssen die kommunale Familie deutlich stärker unterstützen. Aus eigener Kraft kommen weder Kommunen noch Kreise aus der gegenwärtigen Finanzmisere heraus.