Durch die Neuausrichtung des Klinikums Lippe könnte der Standort Lemgo als poliklinisches Zentrum mit stationären und ambulanten Angeboten gestärkt werden. FOTO: KLINIKUM LIPPE

Die Standortstrategie für das Klinikum Lippe beschäftigt nachvollziehbarer Weise viele Lipperinnen und Lipper. Daher hat der Kreis Lippe als Träger des Klinikums noch einmal wichtige Fragen und Antworten zusammengetragen, die sich mit den auf dem Tisch liegenden Vorschlägen zur Neuausrichtung der Standorte Lemgo und Detmold beschäftigen.

 

Wird der Standort Lemgo des Klinikums Lippe geschlossen?
Nein, natürlich nicht. In Lemgo sollen unter anderem die Fachkliniken für Innere Medizin und Geriatrie mit rund 120 Betten verbleiben. Außerdem soll der Standort als ambulantes Zentrum weiterentwickelt werden.

 

Warum sind solche Veränderungen überhaupt notwendig?
Aus drei Hauptgründen:

 

1. Die Krankenhäuser in Deutschland stehen vor dem finanziellen Kollaps.
Die finanzielle Situation der Krankenhäuser ist bundesweit existenzbedrohend. Zum einen sind die Kosten deutlich stärker angestiegen als die Erlöse – diese Schere geht immer weiter auseinander (zuletzt lag die Differenz-Spanne bei 42 Prozent). 80 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland schreiben aus diesem Grund rote Zahlen. Das hat Folgen: 40 Kliniken mussten 2023 bereits Insolvenz anmelden – zwei davon in unmittelbarer Nähe in Paderborn und in Holzminden. Letztere Klinik gibt es inzwischen nicht mehr. In diesem Jahr wird sogar mit 80 Klinik-Insolvenzen gerechnet.

 

2. Es mangelt bundesweit an medizinischem Fachpersonal.
Hinzu kommt ein großer Fachkräftemangel im medizinischen und im pflegerischen Bereich. Doppelstrukturen und Personal für zwei Standorte vorzuhalten, ist eine enorme Herausforderung. Das führt dazu, dass es beispielsweise am Standort Lemgo schon heute nicht genügend Anästhesisten gibt.

 

3. Reformen zwingen zum Handeln.
Darüber hinaus müssen die Klinikreformen des Bundes und des Landes – hin zu einer Konzentration und Bündelung von Angeboten und Leistungen – umgesetzt werden. Aus all diesen Gründen ist das Klinikum Lippe zum Handeln gezwungen.

 

Kann nicht einfach alles so bleiben, wie es ist – wie es beispielsweise einige Bürgermeister aus Lemgo und Nordlippe behaupten?
Wenn wir nichts tun, droht dem Klinikum Lippe die Insolvenz oder die Privatisierung. Dies ist kein Schreckensszenario, sondern bittere Realität. Denn: Tun wir nichts, würde der Zuschussbedarf des Klinikums Jahr für Jahr in zweistelliger Millionenhöhe anfallen. Der Kreis müsste das Defizit ausgleichen und die Kreisumlage (der Betrag, den die 16 lippischen Städte und Gemeinden jährlich an den Kreis Lippe zahlen) enorm erhöhen. Das würde in kürzester Zeit zum finanziellen Kollaps (Haushaltssicherung) der Städte und Gemeinden sowie des Kreises Lippe führen. Die Folge für das Klinikum wäre wie erwähnt die Insolvenz oder Privatisierung. Das wäre ein dramatischer Einschnitt für die Gesundheitsversorgung in Lippe und darf keine Option für das Klinikum Lippe sein.

 

Was bedeutet das nun konkret für Lippe?
Um das Klinikum Lippe zukunftssicher aufzustellen, sollen einige Abteilungen nach Detmold verlagert und der Standort Lemgo als poliklinisches Zentrum mit stationären und ambulanten Angeboten gestärkt werden.

 

Das soll nach Detmold gehen: Die Neurologie, Thoraxchirurgie, Gefäßchirurgie, Spezialisierte Pneumologie und die Onkologie.

 

Das soll in Lemgo bleiben: Fachklinik für Innere Medizin, Geriatrie, ambulante Radiologie, Nuklearmedizin/Strahlentherapie, Neurologische Frühreha, Beatmungsentwöhnung, Krankenhausapotheke.

Hinzu kommen: Hochschulambulanzen, Ärztehaus/Medizinisches Versorgungszentrum.
Weitere Optionen: Hospiz, Tagespflege, Pflegeschule.

 

Bedeutet die Neuausrichtung nicht eine Schwächung des Gesundheitsstandorts Lemgo und Nordlippe? Welche Vorteile soll das haben?
Die Neuausrichtung ist eine große Chance und führt sogar zu einer Verbesserung der medizinischen Versorgung in ganz Lippe – und das aus folgenden Gründen:

 

1. Bessere Notfallversorgung.
Durch eine Verlagerung der oben genannten Abteilungen nach Detmold, erreichen wir dort die höchste Stufe der Notfallversorgung (Level 3 / derzeit Level 2). Dadurch werden wir in Zukunft alle im Notfall wichtigen Fachärzte an einem Ort haben, was eine klare Verbesserung der medizinischen Versorgung der Lipperinnen und Lipper bedeutet.

 

Beispiel: Derzeit ist es so, dass Schlaganfallpatienten nach Lemgo (dort befindet sich die Neurologie mit der Stroke-Unit) und Herzinfarktpatienten nach Detmold (dort befindet sich die Kardiologie) gebracht werden. Gerade bei Patienten mit unklarem Befund ist das nicht ideal! Stellt sich der zunächst vermutete Herzinfarkt nämlich doch als Schlaganfall heraus (oder umgekehrt), muss der Patient noch einmal schnellstens verlegt werden. Das würde in Zukunft wegfallen, da alle im Notfall wichtigen Fachärzte an einem Ort sind.

 

2. Weitere Chance auf Spitzenmedizin.
Durch den Umzug einiger Abteilungen nach Detmold können wir Onkologisches Spitzenzentrum werden.

 

3. Klinikum wird als Arbeitgeber attraktiver.
Mit der Konzentration vieler Angebote an einem Standort werden Doppelstrukturen aufgelöst. Das trägt auch zur Entspannung des Personalproblems bei und macht das Klinikum als Arbeitgeber attraktiver: In größeren Teams zu arbeiten bedeutet, weniger Nacht- und Wochenenddienste für die Beschäftigten. Außerdem sind Schichten und Eingriffe besser planbar.

 

4. Ambulante Angebote begegnen Hausarztmangel in Lemgo.
In Lemgo sollen nicht nur die Fachkliniken für Innere Medizin und für Geriatrie mit rund 120 Betten verbleiben. Gleichzeitig kommen neue ambulante Angebote hinzu, die dringend benötigt werden. Allein in Lemgo sind derzeit 11,5 Hausarztsitze nicht besetzt. Diese Lücke wird durch das neu entstehende MVZ ein Stück weit geschlossen. Durch die Hochschulambulanzen schafft das Klinikum ein zusätzliches Facharztangebot, das es sonst nicht geben würde. Auch davon profitieren Lemgo und Nordlippe.

 

5. Klinikum wird finanziell zukunftssicher aufgestellt.
Durch die Neuausrichtung wird das Klinikum Lippe in die Lage versetzt, dass es mittelfristig wieder ohne finanzielle Hilfen des Kreises Lippe auskommt – wie auch zuvor bis 2023. In diesem Jahr musste der Kreis Lippe dem Klinikum bereits mit 25 Millionen Euro finanziell unter die Arme greifen. Das kann kein Dauerzustand bleiben, da das zwangsläufig die Kreisumlage in die Höhe treibt – also den Betrag, die die 16 lippischen Kommunen jährlich an den Kreis Lippe zahlen. Das würde nicht nur den Kreis Lippe, sondern auch die lippischen Städte und Gemeinden noch schneller in die Haushaltssicherung treiben, die vielen ohnehin schon droht. Auch aus diesem Grund müssen wir handeln.

 

Im Gegensatz zu normalen Krankenhäusern haben Unikliniken wie das Klinikum Lippe die Möglichkeit, Hochschulambulanzen einzurichten. Das bedeutet, dass die am Klinikum Lippe praktizierenden Fachärzte der universitären Abteilungen – wie beispielsweise Urologen, Kardiologen oder Gynäkologen – Sprechstunden für die Bevölkerung anbieten können. Diese können sowohl von gesetzlich Versicherten als auch von Privatversicherten besucht werden – ähnlich wie in einer niedergelassenen Facharztpraxis.

 

Wie soll das alles funktionieren? Am Standort Detmold fehlt doch der Platz?
Am Standort Detmold wird zwangsläufig renoviert und neu gebaut werden müssen. Das betrifft unter anderem eine neue Notaufnahme (die übrigens schon heute eine der größten der Republik ist) und das Diagnostikcenter. Die Pläne dafür sind bereits weit fortgeschritten. Außerdem müssen neue Bettenstationen errichtet und die alten saniert werden. Darüber hinaus wurde kürzlich ein neuer, hochmoderner OP-Bereich errichtet.

 

Wann werden endlich die alten Patientenzimmer, in denen es kein eigenes Bad gibt, saniert?
Im September 2023 sind zwei neue Bettenstationen in Detmold eröffnet worden. Dadurch konnte beispielsweise die alte Station der Gastroenterologie leergezogen werden. Diese alten Stationen werden in Detmold nicht mehr belegt und werden nun sukzessive modernisiert und mit eigenen Bädern ausgestattet.

 

Warum verlagert man eigentlich nicht Abteilungen von Detmold nach Lemgo?
Das kommt aus Kostengründen nicht infrage. Zum einen müsste in Lemgo wesentlich mehr saniert und neu gebaut werden als in Detmold. Zum anderen ist es logistisch wesentlich einfacher und kostensparender, wenige Abteilungen nach Detmold umziehen zu lassen als viele Bereiche nach Lemgo zu verlagern.

 

Das Land schreibt doch vor, dass man innerhalb von 20 Minuten ein Krankenhaus erreichen muss. Wie soll das in Zukunft klappen, wenn in Lemgo künftig weniger Abteilungen vorhanden sind?
Die Vorgabe des Landes NRW besagt, dass „ein Krankenhaus der Grundversorgung innerhalb von 20 Minuten mit dem Auto von 90 Prozent der Menschen in Nordrhein-Westfalen erreicht werden muss. Zum Vergleich: Bundesweit gilt eine Orientierungsgröße von 30 Minuten.“ Dabei werden alle umliegenden Kliniken der Grundversorgung in Betracht gezogen. Bei der genannten Regelung geht es außerdem darum, dass man selbst ein Krankenhaus mit dem eigenen Pkw erreichen soll. Dies wird in der aktuellen Debatte häufig mit akuten Notfällen durcheinandergebracht.

 

Im Notfall ist es ja erst einmal sehr wichtig, dass Rettungswagen und Notarzt schnell beim Patienten sind. Und genau darauf ist der Rettungsdienst in ganz Lippe ausgelegt. Jedenfalls sollte man sich auf keinen Fall mit Verdacht auf Herzinfarkt, Schlaganfall, einer stark blutenden Wunde oder anderen gefährlichen Verletzungen/schweren Beschwerden selbst ans Steuer setzen – sondern die 112 wählen. Im Rettungswagen ist der Notfallpatient erst einmal bestens versorgt, auch während des Transports in die Klinik. Darüber hinaus gilt die 20-Minuten-Regel nicht innerhalb eines Kreises. Vielmehr sind auch Kliniken jenseits der Kreisgrenze in die Betrachtung einzubeziehen.

 

Werden die Wege für die Rettungswagen vor allem aus Nordlippe nicht viel weiter, wenn es nur noch in Detmold eine Notaufnahme gibt? Bindet das nicht Rettungsmittel?
Nein, das Gegenteil ist der Fall. Schon heute ist es so, dass fast alle Notfallpatienten nach Detmold gebracht werden. Nur Schlaganfallpatienten werden noch nach Lemgo transportiert, da sich dort die Neurologie mit der Stroke Unit befindet (Hinweis: Grundsätzlich wird versucht, immer die nächste geeignete Klinik anzufahren, sofern diese Kapazitäten frei hat. In den Randbereichen Lippes geht es daher auch schon mal nach Bielefeld, Herford, Hameln, Bad Pyrmont oder Bad Lippspringe).

 

In Zukunft würden sich am Klinikum Lippe alle im Notfall wichtigen Abteilungen an einem Ort in Detmold befinden. Das ist ein klarer Vorteil und eine Verbesserung für den Patienten. Stellt sich bei einem unklaren Befund der zunächst vermutete Herzinfarkt nämlich doch als Schlaganfall heraus, muss der Patient noch einmal schnellstens nach Lemgo verlegt werden. Das bindet aktuell immer wieder Rettungsmittel.

 

Wer soll das alles bezahlen?
Das Klinikum Lippe hat beim Land NRW einen Antrag auf Förderung notwendiger Neubauten in Detmold gestellt (Voraussetzung dafür ist übrigens, dass man Leistungen an einem Standort konzentriert). Kurzfristig wird der Kreis Lippe außerdem dem Klinikum weiterhin finanziell unter die Arme greifen müssen, was sich wiederum auf die Kreisumlage auswirkt. Aber: Durch die Neuausrichtung wird das Klinikum Lippe in die Lage versetzt, dass es mittelfristig ohne Gelder des Kreises auskommt – was wiederum den Kreis Lippe sowie die 16 lippischen Kommunen wieder finanziell entlastet.

 

Was geschieht mit dem Personal in Lemgo, wenn Abteilungen von dort nach Detmold umziehen? Werden die Beschäftigten gekündigt?
Ganz klares Nein! Betriebsbedingte Kündigungen wird es nicht geben, da das Personal ja weiterhin auch nach der Verlagerung von Abteilungen dringend benötigt wird.

 

Glauben Sie, dass die Mitarbeiter einfach so von Lemgo nach Detmold mitgehen und sich nicht neue Jobs suchen werden, weil sie dann weiter zur Arbeit fahren müssen?
Sicherlich werden es nicht alle Beschäftigten gut finden, wenn sie an einem anderen Ort arbeiten sollen und eventuell weiter fahren müssen. Es gibt aber auch gegenteilige Rückmeldungen aus der Belegschaft. Für einige wäre der Weg nach Detmold nämlich kürzer als der nach Lemgo. Zum anderen wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eher an einem größeren, zentraleren und moderneren Standort mit größeren Teams arbeiten als an kleineren Kliniken.

 

Die IG Metall hat zuletzt öffentlich behauptet, dass das Klinikum Lippe privatisiert werden soll. Stimmt das?
Nein, das entbehrt jeder Grundlage. Genau das Gegenteil ist der Fall. Mit der Neuausrichtung soll eine Privatisierung oder eine Insolvenz verhindert werden.

 

Wie geht es jetzt weiter?
Die Gesellschafterversammlung des Klinikums Lippe wird sich noch im Oktober mit der Neuausrichtung befassen. Sollte sie eine Grundsatzentscheidung dafür treffen, müssten zum einen zeitnah Gespräche mit dem Gesundheitsministerium NRW geführt werden, um sich über die Umsetzung der Pläne im Detail abzustimmen und auszutauschen. Parallel würden die Detailplanungen für notwendige Neubauten und Sanierungsmaßnahmen in Detmold vorangetrieben werden. Ein Umzug der Abteilungen von Lemgo nach Detmold geschieht also nicht sofort, sondern erst, wenn baulich und technisch die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind. Der gesamte Prozess ist auf fünf/sechs Jahre angelegt.