Was eine Dramatik! Im Samstagabend-Spiel des 10. Spieltags liefern sich der TBV Lemgo Lippe und HC Erlangen in der Phoenix Contact-Arena über 60 Minuten ein Kopf-an-Kopf-Rennen, in dem die Lipper am Ende mit 24:23 (9:9) knapp die Nase vorn haben. Mit dem laut TBV-Trainer Florian Kehrmann verdienten, aber auch glücklichen Heimsieg zieht der TBV in der Tabelle an den Gästen vorbei und landet vorläufig auf Platz sechs.

 

Zum ersten Mal standen sich die beiden Weltmeister von 2007, Kehrmann und Michael Haaß, als Bundesligatrainer gegenüber. Im Vorfeld drängte sich die Frage auf, wessen Mannschaft durch gute Deckungsarbeit wohl besser in ihr Tempospiel finden würde. Die Antwort lautete nach dem ersten Viertel: keine. Weil beide Teams zunächst aggressiv verteidigten und ein ebenso gutes Rückzugsverhalten an den Tag legten, fielen zunächst wenige Treffer. Auch der TBV musste viel Aufwand betreiben, um sich gute Wurfpositionen zu erspielen.

 

Ein Paradebeispiel hierfür war der erste Treffer von Bjarki Már Elísson, als der Isländer auf der rechten Kreishälfte freigespielt wurde und HCE-Keeper Klemen Ferlin zur 3:2-Führung überwandt. Zuvor hatten die Gäste die anfängliche 2:0-Führung durch die Tore von Gedeón Guardiola und Tim Suton egalisieren können. Mit dem ersten Tempogegenstoß der Partie ging der HC Erlangen durch seinen Abwehrchef Petter Øverby in Front, der nach überstandener Wadenverletzung wieder ins Aufgebot zurückgekehrt war.

 

Auf der Gegenseite fand der TBV zunehmend weniger Lücken im robusten Defensivverbund. Nachdem die Mittelfranken nach knapp 20 Minuten auf 4:8 davongezogen waren, zückte Kehrmann die erste Grüne Karte. „Ich fand unsere 6:0-Abwehr in den ersten 20 Minunten nicht so schlecht, aber wir haben uns in dieser Phase ein, zwei Mal nicht belohnt, um im Spiel zu bleiben“, sagte Kehrmann im Nachgang auf der Pressekonferenz.

 

Er stellte in der Auszeit auf eine 5:1-Formation mit Lukas Zerbe an der Spitze um – ein gelungener Schachzug mit Langzeitwirkung. Zunächst verkürzten Elísson und Suton auf 6:8, dann leitete Peter Johannesson mit seiner vierten Parade den 8:9-Anschluss von Lukas Zerbe ein. Mit Elíssons vollendetem Tempogegenstoß zum 9:9 meldete sich der TBV kurz vor der Halbzeitsirene auch ergebnistechnisch zurück im Spiel.

 

Die zweite Halbzeit war erst wenige Sekunden alt, als beide Angriffsreihen zunächst freistehend scheiterten. Dann aber legte der TBV offensiv an Effizienz zu: Mit Toren von Suton und Andreas Cederholm machte der TBV aus einem 6:9-Rückstand nach 35 Minuten eine 12:10-Führung. Die anschließende Zeitstrafe gegen Erlangens Bissel konnten die Lipper nutzen, um sich erstmals mit vier Toren abzusetzen. Elísson per Strafwurf, erneut Suton und Zerbe mit einem Doppelpack besorgten die 17:13-Führung (43.).

 

Die Partie wurde zunehmend hektischer – und die Gäste kämpften sich zurück ins Spiel. Es entwickelte sich, wie schon zum Ende des ersten Durchgangs, ein Spiel auf Messers Schneide, in dem die im Vorfeld von Kehrmann erwähnten Kleinigkeiten entscheiden sollten. Den 4:0-Lauf der Mittelfranken durchbrach schließlich Cederholm und entsandte damit ein wichtiges Zeichen. „Die 5:1-Deckung war sehr kraftraubend, wodurch wir im Angriff nicht mehr in die Tiefe kamen“, so Kehrmann. Nach zwei Führungswechseln war es schließlich der TBV, der durch Überzahlspiel drei Minuten vor Ende durch Tore von Marcel Timm und Fynn Hangstein auf 22:20 stellte.

 

Suton, dem das Lemgoer Schlusswort gehörte, und Lukas Zerbe waren mit jeweils sechs Treffern die besten Schützen auf Seiten des TBV, ein glänzend aufgelegter Johannesson erwies sich mit elf Paraden in entscheidenden Phasen als wichtiger Rückhalt. „Es waren 60 Minuten purer Kampf“, fasste Zerbe im Nachgang den Krimi zusammen, der ihm wohl noch länger in positiver Erinnerung bleiben wird. Nach zuletzt vier sieglosen Partien konnte der TBV damit wieder zwei Punkte bejubeln. Kehrmann: „Ich muss meiner Mannschaft auch sagen, dass sie es heute ein bisschen mehr gewollt hat.“

 

TBV Lemgo Lippe: Johannesson; Elísson (4/1), Kogut, I. Guardiola (1), Schagen, Timm (2), Hangstein (1), Suton (6), Zerbe (6), G. Guardiola (1), Cederholm (3), Baijens.