Das Saisonfinale zwischen dem TBV Lemgo Lippe und dem SC Magdeburg hielt noch einmal ein hochemotionales Handball-Spektakel bereit, das die Lipper nach spannenden 60 Minuten eindrucksvoll mit 32:27 (17:14) für sich entschieden. Die prägenden Figuren waren an diesem historischen Nachmittag schnell ausfindig gemacht: Bjarki Már Elísson mit 15 Treffern, Peter Johannesson mit 14 Paraden und Jonathan Carlsbogård mit fünf Toren und vier Assists. Mit dem erstmaligen Bundesligaerfolg über den SCM seit 2012 knackten die Lipper zudem die 40-Punkte-Marke.
Auch den 38. Spieltag musste der TBV ohne seinen verletzten Kapitän Andrej Kogut, dem erfolgreich am Knie operierten Andreas Cederholm und Lukas Zerbe bestreiten. Dafür durfte Christoph Theuerkauf, für den eine Gruppe Fans kurz vor Anwurf extra einen Dankesbanner hinter der Spielerbank angebracht hatte, in seinem 494. und letzten Bundesligaspiel die Mannschaft als Kapitän mit dem Pokal aufs Feld führen. Und ehe es losging, nahm TBV-Trainer Florian Kehrmann, der tags zuvor seinen 44. Geburtstag gefeiert hatte, unter tosendem Applaus der 1000 Zuschauer noch die HBL-Auszeichnung zum Trainer der Saison 2020/21 entgegen.
Dann wurde es im Duell zwischen dem EHF- und dem DHB-Pokalsieger sportlich: Die Lipper steckten zunächst offensiv wie defensiv noch in der Findungsphase, als die Gäste beim 1:3 erstmals mit zwei Toren führten. Nachdem sich Carlsbogård dann erfolgreich ein Herz zum Anschlusstreffer gefasst hatte und Magdeburgs Lukas Mertens im Gegenzug nur den Pfosten traf, glich Elísson vom Strich – Isaias Guardiola war gefoult worden – nach sieben Minuten zum 3:3 aus. Zu diesem Zeitpunkt begann bei den Lippern zunehmend ein Rädchen ins andere zu greifen: Die geschlossenen Lücken im Lemgoer Deckungsverbund mündeten nach elf Minuten in der ersten Zwei-Tore-Führung, als Elísson per Tempogegenstoß zum 7:5 traf.
Zwei Lemgoer Fehlwürfe gingen dem sehenswerten Magdeburger Ausgleich voraus, als Magdeburgs Goalgetter Omar Ingi Magnusson per Kempa-Trick zum 8:8 traf. Auf die erneute SCM-Führung konterten die Lipper mit einem beeindruckenden 5:0-Lauf, angeführt von einem glänzend aufgelegten Peter Johannesson im Tor, der in den ersten 30 Minuten bereits neun Paraden für sich verbuchen konnte. In Überzahl – Magdeburgs Magnus Gullerud hatte nach hartem Einsteigen gegen Frederik Simak die rote Karte gesehen – gelang Gedeón Guardiola ein lupenreiner Hattrick zum 14:10. Kurz darauf bekam Lemgos spanischer Abwehrchef, der seine Fußschmerzen rechtzeitig zum Saisonfinale überwunden hatte, eine unfreiwillige Verschnaufpause.
Die Zeitstrafe nutzten die Gäste, um sich wieder heranzuarbeiten: Nachdem Lukas Mertens den Gegenstoß seiner Magdeburger zum 15:13 vollendet hatte und Isaias Guardiola gleich zweimal an SCM-Keeper Thulin gescheitert war, unterband Elísson zunächst erfolgreich einen weiteren Gegenstoß – und stellte selbst auf 16:13. Die bis dato hundertprozentige Ausbeute endete in der letzten Spielminute, als der Isländer beim Siebenmeter vergeblich versucht hatte, das Runde gefühlvoll über den 1,98 Meter großen Thulin zu heben.
Mit einem Drei-Tore-Vorsprung ging es in die Halbzeit. Entschlossen eröffneten Lippes Pokalhelden auch den zweiten Durchgang, als sich Baijens geschickt um seinen Gegenspieler wandte und links an Thulin vorbei ins Netz wuchtete. Ebenso Carlsbogård, der aus dem Rückraum zum 19:14 feuerte. Und als Magdeburg noch Alu-Pech vergönnt war, zogen die Lipper im Gegenzug erstmals auf fünf Tore davon. Ein Sahnestart in den zweiten Durchgang, den ein tieffliegender Christoph Theuerkauf mit seinem Abschiedstor im Handball-Oberhaus, sein 503. im TBV-Dress, in der 35. Minute zum 21:16 noch einen draufzusetzen wusste.
Einer bescherte seiner Mannschaft gleich zweimal die höchste Führung an diesem frühen Handball-Nachmittag: Elísson stellte erst per Strafwurf auf 23:17 – und nach einer Dreiviertelstunde sehenswert auf 27:21. Zwischenzeitlich war der komfortable Vorsprung durch einen Magdeburger 4:0-Lauf etwas ins Wanken geraten, doch wieder einmal bewährten sich die Comeback-Qualitäten des TBV. Als Lemgos Isländer abermals einen Gegenstoß vollendet hatte, war aus der Phoenix Contact-Arena längst ein Tollhaus geworden.
Und auch fünf Minuten vor Schluss mangelte es dieser Partie nicht an Highlights: Ausgerechnet dem eingewechselten Mark van den Beucken gelang das, was seinen Positionskollegen zuvor noch verwehrt blieb, als er einen Siebenmeter von Magdeburgs Magnusson vereitelte. Und als Elísson fast schon auf dem Weg zu seinem 7. Strafwurf war, überließ er Alexander Reimann das Spielgerät. So gelang auch dem 20-Jährigen, der bekanntlich zur neuen Saison mit Baijens nach Hamm wechselt, in seinem 51. Bundesliga-Einsatz für den TBV sein Abschiedstor und der letzte Lemgoer Treffer in der Saison 2020/21.
Ein letztes Mal in dieser Saison zog auch TBV-Trainer Florian Kehrmann Bilanz: „Für mich gibt es in dieser Saison eigentlich drei richtige Gewinner. Das sind der SC Magdeburg, die HSG Wetzlar und wir. Das sind die Mannschaften, die unter ihren jeweiligen Voraussetzungen wirklich auch überperformt haben. Zum Spiel: Man hat schon nochmal gesehen, dass beide Mannschaften das Spiel sehr ernst genommen haben und gewinnen wollten. Aber wir hatten diese Phasen, die wir sonst klassischerweise in Magdeburg gegen uns haben: mit Euphorie und unglaublicher Deckungsleistung immer zwei Tempotore dazwischenzulegen.
Und heute konnten wir diese Phasen ab der 20. und der 40. Minute für uns beanspruchen. Letzten Endes fällt dieser Sieg verdient aus, weil wir vielleicht dieses Spiel mit noch mehr Leidenschaft und diesen Begleitumständen noch mehr gewinnen wollten. Diese Saison hat von allen sehr viel gefordert. Jetzt geht es darum, abzuschalten und dann hoffen wir, im September so normal wie möglich zu starten.“
TBV Lemgo Lippe: Johannesson (14 Paraden), Zecher, van den Beucken (3 Paraden); Elísson (15/5), I. Guardiola (1), Simak, Carlsbogård (5), Theuerkauf (1), Schagen (1), Timm, Hangstein, G. Guardiola (4), Hansen, Geis, Reimann (1/1), Baijens (4).