Ein Offensiv-Spektakel der Extraklasse und ein Herzschlagfinale, das seinesgleichen sucht: In Runde acht der Gruppenphase der European League trennten sich der TBV Lemgo Lippe und der französische Topklub HBC Nantes am späten Dienstagabend 37:37 (17:20)-Unentschieden. Eine überragende Vorstellung zeigte dabei der 15-fache Torschütze Bjarki Elísson. Noch zehn Minuten vor dem Ende führten die Gäste mit vier Treffern, doch Lemgo kam zurück, erzielte 50 Sekunden vor dem Abpfiff den Ausgleich. „Das war heute ein großer Kampf! Ich bin stolz auf die Leistung meiner Mannschaft“, zeigte sich TBV-Trainer Florian Kehrmann im Anschluss hochzufrieden.
Zum Spielverlauf: Ein konzentriertes Abtasten auf Augenhöhe mündete nach fünf Minuten in ein leistungsgerechtes 2:2. Vor allem in der Offensive zeigten beide Mannschaften schon in der Frühphase der Partie, was sie draufhaben. Mit 2:4 führte der HBC nach sieben Minuten. Der Vorsprung hielt jedoch nicht lange: Ein starkes Suton-Tor aus dem Rückraum und G. Guardiola per Gegenstoß brachten nur 60 Sekunden darauf den Ausgleich. Beide Mannschaften gingen ein hohes Tempo, doch Nantes schaffte es in Durchgang eins, sich regelmäßig in Front zu bringen – und Lemgo gab oft die richtigen Antworten, wie Simak mit seinem eleganten Dreher-Tor zum 7:7 (11.) oder Elísson mit seinem Doppelpack zum 12:12 (19.).
Auch Youngster Niko Blaauw trug sich nach einer guten Aktion, die zum 14:14 führte, im ersten Durchgang in die Torschützenliste ein. Vier Minuten vor dem Halbzeitpfiff nutzten die Franzosen einige Ungenauigkeiten des TBV, um sich auf 16:19 abzusetzen. Die Drei-Tore-Führung hielt auch bis zur Pause stand – mit 17:20 ging es in die Kabine.
Florian Kehrmann musste in der Halbzeitansprache die richtigen Worte gefunden haben, denn seine Mannschaft erwischte einen hellwachen Start in den zweiten Abschnitt. Vier Minuten waren erst gespielt, als Carlsbogård den 20:20- Ausgleichstreffer erzielte. Folglich entwickelte sich – ähnlich wie schon in den ersten 30 Minuten – ein hochklassiges Offensiv-Spektakel, bei dem vor allem einer von nichts und niemandem zu halten war: Bjarki Elísson. Gleich 15-mal traf der Isländer an diesem Abend bei einer perfekten Wurfausbeute. Doch auch die Chancenverwertung der Gäste blieb nahezu makellos.
Erst eine Zecher-Parade gegen den ebenfalls starken Linksaußen von Nantes, Valero Rivera Folch, ermöglichte den ersten und einzigen Lemgoer Führungstreffer der Partie durch Lukas Zerbe (38.). Nach einigen Gäste-Treffern aus dem Tempospiel stand es kurz darauf aber schon wieder 24:26 und der alte Vorsprung war wieder hergestellt. Bis zehn Minuten vor Ende blieb der TBV immer in unmittelbarer Schlagdistanz. Dann setzten sich die Männer von der französischen Atlantikküste blitzschnell auf 29:33 ab. Zahlreiche Male hatte sich Lemgo an diesem späten Dienstagabend bereits nach Rückständen wieder herangekämpft, doch nun sah es wirklich so aus, als ob das Kehrmann- Team als Verlierer vom Feld gehen würde.
Doch einmal mehr zeigten die Lipper ihre gefürchteten Comeback-Qualitäten. Symbolisch für den Lemgoer Kampfgeist kann die Rettungstat von Lukas Zerbe genannt werden, der einen etwas zu lang geratenen Gegenstoßpass mit großem Einsatz vor dem Aus bewahrte und damit den Treffer von Carlsbogård zum 31:34 in die Wege leitete. Ein weiterer Elísson-Doppelpack führte zum 33:35, aber spätestens als der eiskalte Goalgetter mit dem Stirnband mit einem überragenden Heber zum 36:36-Ausgleich traf, avancierte er zum unangefochtenen Mann des Abends. Auch der finale Treffer zum
37:37-Endstand gehörte Elísson.
Leidenschaftlich verteidigten die Lemgoer schließlich den letzten Offensiv-Versuch der Gäste – mit Erfolg. Zurecht hielt es in den letzten fünf Spielminuten keinen Zuschauer mehr auf seinem Platz. Das auch an diesem Abend großartige Lemgoer Publikum jedenfalls kam 60 Minuten lang voll auf seine Kosten. Obwohl das Unentschieden am Ende leistungsgerecht war, fühlte es sich nach dem Abpfiff in der Phoenix Contact-Arena wie ein Heimsieg an. So ein Comeback gegen eine europäische Spitzenmannschaft wie den HBC Nantes muss man dem TBV Lemgo Lippe erst einmal nachmachen.
TBV-Coach Florian Kehrmann zur Partie: „Es fühlt sich heute wie ein gewonnener Punkt an. Wir sind zweimal ganz stark zurückgekommen: einmal direkt nach der Halbzeit und einmal zum Schluss. Das Sieben-gegen-Sechs hat zum Ende hin gut funktioniert, genauso wie die Umstellung auf die 5:1-Abwehr. Dann hatten wir zwei, drei gute Paraden in den letzten Minuten und heute einen überragenden Bjarki Elísson. Das war ein großer Kampf und ich bin stolz auf die Leistung meiner Mannschaft.“
TBV Lemgo Lippe: Johannesson, Zecher; Elísson (15/6), I. Guardiola (2), Simak (4), Carlsbogård (5), Schagen, Schwarzer, Suton (5), Zerbe (4), G. Guardiola (1), Cederholm, Reitemann, Blaauw (1).