Wahnsinn in der Wunderino-Arena von Kiel! Der TBV Lemgo Lippe liefert dem Meisterschaftsanwärter einen unglaublichen Fight mit spielerischer wie taktischer Raffinesse, trotzt in der Cruchtime höchstem Druck und bezwingt am Ende den deutschen Rekordmeister mit 33:32 (18:14). Nachdem der letzte Kieler Angriff überstanden war, konnten die Lipper ihr Glück kaum fassen. Nach der SG Flensburg-Handewitt feiert der TBV seinen zweiten Saisonsieg gegen den nächsten Hochkaräter. Es war Lemgos erster Ligaerfolg in Kiel seit über 20 Jahren.

 

Aber von vorne: Der Favorit von der Förde erwischte vor rund 10.000 Zuschauern den besseren Start und ging durch einen Johansson-Doppelpack mit 2:0 in Front. Die in Rot spielenden Lipper benötigten im Angriff zunächst etwas Zeit, um ins Rollen zu kommen. Der wuchtige Blitztreffer des gerade eingewechselten Emil Buhl Laerke zum 2:1 bildete jedoch den Auftakt zu einer spektakulären Lemgoer Halbzeit. Nachdem Jan Brosch per Simak-Assist noch den 3:3-Ausgleich erzielt hatte, brachte Lukas Zerbe den TBV nach schön herausgespieltem Angriff in der 7. Minute das erste Mal in Führung.

 

Zu diesem Zeitpunkt sahen sich beide Teams mit einem Spieler weniger auf dem Feld, Brosch und Kiels Steffen Weinhold hatten sich eine unfreiwillige Verschnaufpause eingeholt. Unter den Augen von TBV-Neuzugang Borko Ristovski demonstrierte fortan vor allem einer sein Können: Finn Zecher. Zuvor hatte der 20-Jährige in Lemgoer Unterzahl bereits gegen Patrick Wienzeck gehalten, kurz darauf versperrte er dessen Teamkollegen Rune Dahmke erfolgreich den Weg. Dann ließ Isaias Guardiola, der mit Lukas Hutecek und Tim Suton die Rückraumachse bildete, die Muskeln spielen und brach auf halbrechts immer wieder durch die Kieler Deckung.

 

Drei nahezu identische Treffer des Spaniers mündeten in einer 10:7-Führung. Lemgo präsentierte sich enorm spielfreudig, Simak stellte erstmals auf plus vier (12:8) und die TBV-Deckung verwickelte die Zebras immer wieder in komplizierte Abschlüsse. Niels Versteijnen markierte das 15:10 für den TBV, der bis dato eine beachtliche Wurfquote von 83 Prozent an den Tag legte. Und hinten? Verbarrikadierte Zecher kurz darauf gleich zweimal gegen Kiels Kapitän Domagoj Duvnjak. Der THW packte die Brechstange aus, mit Anbruch der 24. Minute beorderte Filip Jicha seine Mannen ins 7:6 – und die TBV-Deckung wusste sich auch dagegen zu helfen.

 

Samuel Zehnder verwertete den Gegenstoß zur höchsten Lemgoer Führung an diesem Abend (16:10). Die schrumpfte bis zur Pausensirene zwar auf vier (18:14), sollte das bis dahin Gezeigte aber keinesfalls schmälern. Nach dem Seitenwechsel schaltete der Gastgeber in den Kampfmodus. Der TBV zeigte sich in dieser Phase etwas zu überhastet im eigenen Offensivspiel. Nach Sutons wichtigem Treffer zum 20:17 und einer grandiosen Zecher-Parade gegen Wienzeck bot sich Gedeón Guardiola die Riesenchance auf plus vier – doch er verfehlte das Gehäuse von Landin knapp. Lemgos 6:0-Abwehr sah sich wütenden Kieler Angriffen im konsequenten Überzahlspiel ausgesetzt, hielt aber bis in die Schlussphase wacker dagegen.

 

Tim Suton erwies sich einmal mehr als Lemgos Torgarant, stellte auf 21:18. Und ein anderer TBV-Akteur zeigte sich wenige Minuten darauf hellwach: Samuel Zehnder, mit insgesamt neun Toren bester Schütze an diesem Abend, witterte einen Johansson-Pass auf Bilyk und spurtete erste zum 24:20, ehe er kurz darauf einen Versteijnen-Diagonalpass zum 26:22 verwertete. Es kam noch besser: Jan Brosch erzwang eine Zeitstrafe gegen Weinhold (47.) und der TBV schraubte seine Führung durch Treffer von Versteijnen und Zerbe auf 28:23 hoch – es war Überzahlspiel in Perfektion. Nach der Kieler Auszeit blieb Lemgo am Drücker, Versteijnen veredelte ein Kempa-Zuspiel von Suton unter höchstem Risiko zum 29:24.

 

Und ausgerechnet, als sich Lemgo in doppelter Überzahl befand – Wienzeck und Weinhold mussten runter, letzterer sah seine dritte Zeitstrafe – drohte dem TBV das Spiel zu entgleiten. Knapp fünf Minuten blieb der TBV in der Crunchtime ohne eigenen Treffer. Harald Reinkind brachte den THW auf ein Tor heran. Florian Kehrmann trommelte seine Jungs zusammen. Nun galt es, kühlen Kopf zu bewahren – und Lemgo lieferte: Im 7:6 brach Lukas Zerbe den Torlos-Bann zum 31:29. Dann holte Brosch einen Strafwurf heraus, den Zehnder auch diesmal verwandelte. Dann hielt der wenige Minuten zuvor eingewechselte Borko Ristovski den ersten Ball, im Gegenzug traf erneut Zehnder.

 

Der THW brachte schnelle Abschlüsse ins Ziel, Nikola Bilyk verkürzte auf 33:32 – die Halle stand längst Kopf. Als sich Lemgo gegen die offene Manndeckung einen Pass zu viel leistete, blieben den Zebras zehn Sekunden, um zumindest noch einen Punkt mitzunehmen. Zerbe machte Jagd auf Zarabec – und unterband so den langen Pass. Ein effektiver Schachzug, der verhinderte, dass Kiel den letzten Angriff vernünftig aufziehen konnte. Und als die Schlusssirene ertönte, brachen auf Lemgoer Seite alle Dämme.

 

TBV-Trainer Florian Kehrmann: „Das war eine unglaubliche Leistung. Wir haben heute die vielen Kleinigkeiten, die wir uns vorgenommen hatten, verbessert und haben dann eine sehr leidenschaftliche Leistung in der Abwehr gezeigt. Vorne haben wir in vielen Phasen kühlen Kopf bewahrt und gerade auch mit ein paar Tempotoren ein Polster schaffen können, um am Ende diesem unglaublichen Druck in der Halle standhalten zu können. Ich glaube, wir haben sehr verdient diese beiden Punkte mitgenommen. Die packen wir jetzt in den Bus, fahren glücklich nach Hause – und wissen, dass wir am Donnerstag wieder eine ganz schwere Aufgabe vor uns haben.

 

TBV Lemgo Lippe: Zecher (12 Paraden), Ristovski (1 Parade); Hutecek (2), Zehnder (9/2), Brosch (2), I. Guardiola (3), Simak (1), Laerke (4), Schagen, Schwarzer, Suton (4), Zerbe (4), Versteijnen (3), G. Guardiola (1), Blaauw.

 

Pressemeldung: TBV Lemgo