Knapp 60 Vertreter:innen aus Industrie, Energiewirtschaft, Verwaltung und Politik haben am 15. November 2022 in einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold (IHK Lippe) über die Zukunft der Stromerzeugung und -versorgung in Lippe diskutiert. In den vier Vorträgen ging es vor allem um den Ausbau der Windenergie und Wege zu einer höheren Akzeptanz, aber auch um Sektorenkopplung und die Einbindung von Erneuerbarem Strom und neuen Verbrauchern in das bestehende Stromnetz.
„Wir stehen in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen, wenn der Weg in eine klimaschonende, sichere und bezahlbare Energieversorgung gelingen soll“, waren sich alle Vortragenden einig. Man dürfe aber den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern wolle nach kreativen Lösungen suchen. „Wir müssen dazu den Schulterschluss aller Akteure suchen, damit wir gemeinsam den Standort Lippe zukunftsfähig machen“, zog Matthias Carl, stellvertretender Geschäftsführer der IHK Lippe abschließend Fazit. Die heutige Veranstaltung könne dafür ein Anfang sein, so Carl.
Olrik Meyer, Fachbereichsleiter für Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Mobilität beim Kreis Lippe zeigte in seinem Impulsvortrag, dass in Lippe aktuell pro Jahr etwa 1,35 Terawattstunden Strom verbraucht werden. Das seien 17 Prozent des Endenergieverbrauchs. 60 Prozent flössen in die Wärmeerzeugung und der Rest in den Verkehr. Durch die geplante Elektrifizierung großer Teile dieser beiden Bereiche, würde in Zukunft der Strombedarf in Lippe weiter steigen.
Meyer erwartet, dass der Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtstromverbrauch von 51 Prozent im Jahr 2020 auf 63 Prozent im Jahr 2023 steigen werde. „Ein Drittel wird aus der Windenergie kommen. Aktuell laufen in Lippe 127 Windkraftanlagen, 23 sind genehmigt, weitere 65 weitere sind beantragt.“
Dr. Ute Röder, Verwaltungsvorständin beim Kreis Lippe, beschrieb im Anschluss die komplexen Rahmenbedingungen bei der Genehmigung von Windenergieanlagen. Sie hofft, dass die verschiedenen Klarstellungen und Erleichterungen im Fachrecht auf Bundes- und Landesebene zu einer Beschleunigung und Vereinfachung der Genehmigungsverfahren führen. Kritisch sieht sie gerade in der derzeitigen Energiekrise die vom Land geplante Verlagerung der Zuständigkeiten vom Kreis zur Bezirksregierung.
Tiefe Einblicke in die Praxis einer erfolgreichen Planung und Umsetzung von Windenergieanlagen im Wald gab Lars Rotzsche, Fachbereichsleiter Windenergie bei der Städtische Werke AG aus Kassel. Das Unternehmen habe insbesondere auf Kalamitätsflächen im Wald mittlerweile mehrere Windparks realisiert. Diese nähmen aber nur zwei Prozent der geschädigten Flächen in Anspruch.
Entscheidend für den Erfolg seien finanzielle Beteiligungsmodelle für Kommunen und Bürger:innen sowie Transparenz und offene Kommunikation „Wir binden in unseren Projekten frühzeitig die örtlichen Stadtwerke und die Kommunen mit ein, auch im weiteren Umfeld“, berichtete Rotzsche. „Und damit sich die betroffenen Bürger:innen ein Bild über die Fakten machen können, laden wir sie zu Infomärkten ein, an denen sich Gegner wie Befürworter mit eigenen Ständen beteiligen können.“
Johannes Lackmann, Geschäftsführer der WestfalenWIND GmbH, hat zahlreiche Windenergieprojekte vor allem im Kreis Paderborn, aber auch in Lippe, realisiert. Gegenüber vielen anderen Anlagenbetreibern hat das Unternehmen den Vorteil eines eigenen Stromvertriebs. Lackmann setzt beim Windenergieausbau vor allem auf Genossenschaftsmodelle, an denen sich Bürger:innen finanziell beteiligen können. #
Auch Unternehmen kämen verstärkt mit dem Wunsch auf das Unternehmen aus Lichtenau zu, um Direktlieferverträge abzuschließen. „Durch die Elektrifizierung wird der Strombedarf massiv steigen, dafür brauchen wir einen massiven Ausbau von Windenergie und Photovoltaik“, forderte Lackmann zum Umdenken auf. Gleichzeitig müsse die Stromerzeugung aus Biogas- und Biomasseanlagen flexibilisiert werden, um in wind- und sonnenarmen Stunden die dann erforderliche Erzeugungskapazitäten zur Verfügung stellen zu können.
Zum Schluss zeigte Arndt Oberscheven, Geschäftsführer der Stadtwerke Lemgo GmbH, mit welchen Maßnahmen die Stadtwerke den Weg in eine klimaneutrale Zukunft beschreiten. Ein wesentlicher Baustein ist für Oberscheven die Wärmewende: „Bis 2018 haben wir nur auf hocheffiziente, gasbetriebene Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) gesetzt. Das ändern wir nun durch den Einsatz von Wärmepumpen- und Solarthermie-Kraftwerken. Bis 2027 wollen wir mindestens 55 Prozent unserer Fernwärme erneuerbar erzeugen.
Aber auch in Windenergie- und Photovoltaik wolle das Unternehmen weiter investieren. Oberscheven wies dabei auf eine zentrale Herausforderung hin: „Die Integration der Erneuerbaren Energien und der Elektromobilität werden wir nur schaffen, wenn wir auch die Netze massiv ausbauen.“ Schon heute komme es vor, dass man den Anschluss einer 3 kWp-Photovoltaik-Anlage ablehnen müsse, weil das lokale Netz das nicht mehr hergebe.
In der Abschlussdiskussion wurde deutlich, dass einer schnellen Umsetzung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Netze noch viele Hürden im Weg stehen. Zwar seien bereits viele rechtliche Hindernisse, insbesondere in Genehmigungsverfahren, aus dem Weg geräumt. Der zunehmende Fachkräftemangel, mangelhafte Materialverfügbarkeit und hohe Preise, steigende Zinsen und Klageverfahren stünden einer schnellen Umsetzung im Wege. Kreative Lösungen seien hier gefragt. Deshalb rief ein Zuschauer auch zu einem koordinierten Vorgehen aller Akteure in Lippe auf. Die IHK nahm den Ball auf und wird sich um eine Fortsetzung und Vertiefung kümmern.