V. l.: SoLaWi-Mitglied mit Kohlrabi der samenfesten Sorte „Superschmelz“. Quelle: SoLaWi Dalborn

Die Idee der geteilten Verantwortung zwischen Konsumierenden und Produzierenden in der Landwirtschaft ist Teil der aktuellen Ernährungswende. Die Bewegung der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) oder international: CSA – Community Supported Agriculture – verzeichnet ungebremst Zuwachsraten, einige Initiativen haben Wartelisten. Sind SoLaWi genauso von den aktuellen Krisen betroffen oder bietet das kreislauforientierte Wirtschaften ohne Marktpreise bessere Lösungen an?

 

Was ist SoLaWi?
In einer Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) teilt sich eine Gruppe von Menschen zusammen mit einer Landwirtschaft oder Gärtnerei das Risiko der Lebensmittelerzeugung. Die Ernte-Teilenden zahlen monatliche Beiträge, die die gesamten Produktionskosten abdecken, sodass es für die Bäuerlichkeit planbare Jahreseinnahmen gibt. Im Gegenzug gehört den Teilenden die gesamte Gemüse-Ernte oder die produzierten Lebensmittel wie Milch, Käse, Eier und Fleisch, die meist wöchentlich verteilt werden. In der aktuellen Situation erscheint das geradezu paradiesisch: Steigende Kosten, etwa für Gas oder Diesel, werden gemeinsam von der Gruppe getragen, statt die Landwirtschaft mit dem Problem allein zu lassen.

 

Die Ernte-Teilenden sind dabei auch solidarisch untereinander: Viele SoLaWis errechnen den Beitrag, indem die Jahreskosten durch die Menge der Teilnehmenden geteilt werden, jeder also denselben Anteil zahlt. Aber dort, wo es eine sogenannte Biete-Versammlungen oder Soli-Tarife gibt, zahlen die einzelnen Haushalte unterschiedlich hohe Beiträge. Die Höhe orientiert sich am verfügbaren Einkommen. Die Abholmenge ist jedoch solidarisch, für alle Teilenden gleich groß. So haben auch finanziell Schwächere Zugang zu biologisch und fair produzierten Nahrungsmitteln.

 

Regional ausgerichtet und klimagerecht
Mit Blick auf unsere Ernährung zeigt sich, dass SoLaWis den aktuellen Krisen Stand halten können. Ökologischen Herausforderungen wie Trockenheit begegnen sie mit nachhaltiger Bewirtschaftung, die die natürlichen Ressourcen schont und humusaufbauend wirkt, statt auszulaugen. Einige Höfe betreiben Agroforst-Systeme, bauen vergessene Feldfrüchte an oder züchten alte Tierrassen und wirken so zugunsten des Erhalts der Artenvielfalt.

 

Durch die Regionalität sind die Wege kurz, die Logistik ist massiv reduziert, und im Verhältnis zum Kauf im Supermarkt sind die Kühlketten kurz, es wird viel Verpackungsmüll vermieden. Lebensmittelverschwendung gibt es in SoLaWis praktisch nicht. Die Abhängigkeit von Petrochemie ist im Vergleich mit anderen Anbaumethoden eher gering, da in der Regel auf Pestizide und Kunstdünger verzichtet wird.

 

Allgemeine agrar-industrielle Preissteigerungen wie für Kunstdünger betreffen SoLaWis also eher nicht – aber gestiegene Preise für Baustoffe, Diesel oder Strom sind auch hier Realität. Die gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft bietet auch dafür Lösungen. Denn hinter dem Hof- oder Garten-Team steht die Gemeinschaft von Ernte-Teilenden, die als Gruppe über einen kooperativen Dialog kreative Lösungsansätze für die Aufteilung der gestiegenen Kosten anbieten kann – vom höheren Beitrag über Soli-Töpfe bis hin zu kleineren Anbaumengen ohne Beitragserhöhung.

 

Wirtschaften ohne Preise
Die kapitalistische, betriebswirtschaftliche Realität auf dem Lebensmittelmarkt ist von internationaler Konkurrenz geprägt und wird durch die EU-Subventionslogik noch verstärkt. Solidarische Initiativen sind einig, dass das Postulat des „Wachse oder Weiche“ in der Landwirtschaft unterbrochen werden muss. Kleinbäuerliche, regionale Produktion muss wieder in den Fokus rücken. Dabei wird auch der zentralen Planwirtschaft eine Absage erteilt – zugunsten transparenter und regionaler Strukturen.

 

Diese kooperativen Kreislaufsysteme gibt es inzwischen auch für „Exoten“ wie Kaffee, Zitrusfrüchte oder Wein – aber auch für Bäckereien, Schneidereien oder Bildungsaktivitäten, zu finden unter www.gemeinschaftsgetragen.de. Nicht Gewinn, sondern der Bedarf und gelingende Beziehungen mit finanzieller Planbarkeit sind das Ziel, bestenfalls gepaart mit Nachhaltigkeitsaspekten.

 

Lokale Kooperationen für die Vollversorgung
Das „Menu der Zukunft“ ist regional, saisonal, klimagerecht und mit hohem Pflanzenanteil – all das bietet SoLaWi. Oft sind einzelne Betriebe spezialisiert, z.B. auf Gemüsebau oder Tierhaltung. Durch den Zusammenschluss mehrerer Betriebe ist es SoLaWis möglich, eine Vollversorgung anzubieten, so dass an einem Ort nicht nur Gemüse, sondern auch Eier, Milch, Fleisch und Brot erhältlich sind.

 

Die verschiedenen Initiativen machen zwischen 50 und 1.000 oder mehr Ernte-Teilende und deren Familien satt. Dabei verstehen sich die Betriebe meist als sogenannte kleinbäuerliche Landwirtschaften. Die Wertschätzung und Nachhaltigkeit mit Menschen, Tier und Natur wird dabei nicht nur lokal gelebt: Das Prinzip SoLaWi ist auch weltweit solidarisch, da die „Böden der anderen“ nicht mehr für unsere Ernährung genutzt werden und das Ziel der Ernährungssouveränität für alle verfolgt wird.

 

Wer sich für das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft interessiert oder eine Initiative in der Nähe suchen möchte, kann dies auf der Homepage des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft e.V. tun. Dort sind aktuell in ganz Deutschland etwa 500 bestehende oder in Gründung befindliche SoLaWis gelistet: www.solidarische-landwirtschaft.org oder www.ernte-teilen.org. In Lippe gibt es die SoLaWi Dalborn in Blomberg, die SoLaWi Vlotho, die SoLaWi am Strothebach in Schlangen und den Dorfacker im Kalletal. Beim Biohof Brinkmann in Lage gründet sich gerade die SoLaWi Ackervielfalt.

 

Hintergrundinfo SoLaWi 
In einer SoLaWi übernimmt eine Gruppe die finanzielle Verantwortung für eine gesamte Landwirtschaft statt für das einzelne Produkt. Im Gegenzug erhalten die Ernte-Teilenden den gesamten Ertrag, meist als wöchentliche Abholung organisiert. Damit wird eine echte Mit-Verantwortung für die Produktion übernommen, der Betrieb hat Planungssicherheit und wird vom Marktdruck entlastet – schon zu Beginn der Saison steht fest, dass alle Produkte abgenommen werden.

 

Landwirt*innen können sich auf ihre qualitative Arbeit konzentrieren und tragen durch Artenvielfalt, Tierwohl und nachhaltige Anbaumethoden auch zum Naturschutz bei. Energieintensive Liefer- und Kühlketten werden verkürzt, Müll und Lebensmittelverschwendung vermieden und auch die Wertschöpfung bleibt regional. Wer das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft noch nicht kennt, kann sich dazu auf der Netzwerkseite www.solidarische-landwirtschaft.org informieren.

 

Hintergrundinfo SoLaWi Dalborn 
Der Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) Dalborn e. V. wurde 2013 zur Selbstversorgung mit regionalem und saisonalem Bio-Gemüse gegründet. Auf einem Hektar werden rund 50 Gemüsekulturen angebaut. Die Mitglieder teilen sich die Verantwortung, Betriebskosten und –risiko sowie die Ernte und Wissen. Das Motto lautet „Gemüse genießen, Gemeinschaft erleben, Gutes lernen“. Bei dieser Form des Wirtschaftens steht der Mensch im Mittelpunkt, nicht das Geld.

 

Hintergrundinfo AckerBildung 
Der gemeinnützige AckerBildung e.V. ermöglicht Menschen aus verschiedenen sozialen Kontexten durch Lernen mit Kopf, Herz und Hand die Entwicklung ihres Wissens und Bewusstseins sowie damit verbundene souveräne Handlungsentscheidungen im Bereich nachhaltige Lebensmittelproduktion. Themen sind nachhaltiger Gemüseanbau, gesunde Ernährung, Biodiversität, Saatgut, Kochen, Haltbar machen, nachhaltiger Konsum, Klimaschutz, ökonomische und politische Aspekte von SoLaWi. So will die AckerBildung zu einem gesellschaftlichen Wandel in Richtung lebenswerte Zukunft beitragen.