Die lippische Wirtschaft blickt wieder optimistischer in die Zukunft. Die Lage in den meisten Branchen scheint sich verbessert zu haben. Für eine Entwarnung ist es aber zu früh. Zu diesem Ergebnis kommt die Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold (IHK Lippe). Der Konjunkturklimaindikator der IHK Lippe steigt stark auf 106,1 Punkte an (Vorumfrage: 68,9 Punkte). Somit liegt der Index wieder im positiven Bereich und auf dem Niveau der Winterumfrage 2019 vor Ausbruch der Pandemie und des Ukrainekrieges. Die beiden Komponenten, aus denen sich der Index zusammensetzt, haben sich beide positiv entwickelt.
Die Beurteilung der Geschäftslage unterscheidet sich dennoch stark von den Geschäftserwartungen. Knapp 38 Punkte trennen die beiden Komponenten. Die Unternehmen sind wieder zufriedener mit ihren aktuellen Geschäften – trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen. Über alle Branchen hinweg geben knapp 40 Prozent aller Unternehmen eine gute Geschäftslage an. In der Herbstumfrage waren dies noch zwei Prozent weniger. 49 Prozent berichten von einer befriedigenden Geschäftslage. Von einer schlechten Lage berichten 12 Prozent der Unternehmen.
Das Geschäftsumfeld bietet derweil Lichtblicke für die lippische Wirtschaft. „Die starken Preissteigerungen gehen allmählich zurück. Neben sinkenden Energiepreisen für die Unternehmen und Verbraucher haben der zuletzt wieder angezogene Auftragsbestand in der Industrie und der private Konsum die Konjunktur im Umfragezeitraum zunächst gestützt“, kommentiert Volker Steinbach, Präsident der IHK Lippe, das Ergebnis der Konjunkturumfrage.
Zu Jahresbeginn überwiegt in der Lippischen Wirtschaft aber insgesamt weiterhin der Pessimismus, was die Geschäftsaussichten anbetrifft. Angesichts voller Gasspeicher und Auftragsbücher sowie spürbarer staatlicher Entlastungen hellten sich die Geschäftserwartungen der befragten Unternehmen allerdings ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau wieder auf. Knapp ein Drittel der Befragten geht von einer Verschlechterung aus, nur 13 Prozent glauben an eine Verbesserung in den nächsten sechs Monaten. Positive Erwartungen gibt es im Hotel- und Gaststättengewerbe, der Informationswirtschaft sowie bei den unternehmensbezogenen Dienstleistungen.
Im Verarbeitenden Gewerbe werden die laufenden Geschäfte von 39 Prozent als gut bewertet (Sommer: 33 Prozent). Der Großteil von 42 Prozent (Sommer: 39 Prozent) beurteilt die aktuelle Situation als befriedigend. Die Erwartungen an das zukünftige Geschäft sind stark angestiegen, weil ein Großteil von 61 Prozent der Industrieunternehmen derzeit von einem gleichbleibenden Geschäft in den nächsten Monaten ausgeht. Im Sommer hatten noch 63 Prozent mit einer schlechteren Entwicklung gerechnet. Gleichwohl ist der Gesamtausblick in der Industrie nach wie vor pessimistisch.
Im Handel hingegen sind die Erwartungen pessimistisch. Hier gehen mehr als 40 Prozent der Unternehmen von einer Verschlechterung der Lage in den nächsten 12 Monaten aus. Als größtes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung im Kreis werden branchenübergreifend von rund 67 Prozent die steigenden Energie- und Rohstoffpreise genannt. Es folgen der Fachkräftemangel (55 Prozent) sowie der sinkende Inlandsabsatz (52 Prozent). Weitere Risiken sind höhere Arbeitskosten (40 Prozent), der sinkende Auslandsabsatz (14 Prozent), die Finanzierung (12 Prozent) sowie ungünstigen Wechselkurse (4 Prozent).
Der Fachkräftemangel wird immer gravierender. In der Industrie können 58 Prozent der Unternehmen derzeit offene Stellen längerfristig nicht besetzen, weil Sie keine passenden Arbeitskräfte finden. Im Handel sind es 44 Prozent und im Bereich der Dienstleistungen 52 Prozent. „Die in der Breite bestehende Knappheit an Arbeits- und Fachkräften wird mehr und mehr zum Problem. Der Fachkräftemangel bremst die lippische Wirtschaft zunehmend aus“, kommentiert Steinbach.
Die hohen wirtschaftlichen und politischen Planungsunsicherheiten schürten im Sommer enorme Rezessionsängste und führten zu einem starken Rückgang der Investitionsbereitschaft der lippischen Unternehmen. Im aktuellen Befragungszeitraum geht nun aber wieder der Großteil von 50 Prozent von gleichbleibenden Ausgaben für geplante Investitionen aus (Vorjahresumfrage: 42 Prozent). Infolgedessen steigt der Investitionsindikator für Lippe um 29,3 Punkte. Knapp ein Viertel der Unternehmen geht für 2023 von höher ausfallenden Investitionen aus. Ebenfalls ein Viertel Prozent plant geringere Investitionen. „Die anhaltenden Planungsunsicherheiten in Verbindung mit den allgemein erhöhten Kosten sowie höheren Kredithürden erschweren es den Unternehmen, zu investieren“, so Steinbach.
Die Beschäftigungspläne der Unternehmen bleiben trotz der bestehenden Unsicherheiten insgesamt stabil. 12 Prozent der Unternehmen in Lippe wollen innerhalb eines Jahres Arbeitsplätze reduzieren (Vorumfrage 18 Prozent). Rund 22 Prozent wollen dafür zusätzliches Personal einstellen (Vorumfrage 11,7 Prozent). Bei 66 Prozent der Unternehmen soll die Zahl der Mitarbeitenden gleichbleiben (Vorumfrage 58 Prozent). „Die lippischen Unternehmen stehen auch in unsicheren Zeiten zu ihren Beschäftigten“, unterstreicht Steinbach.
Es ist möglich, dass die lippische Wirtschaft mit einer konjunkturellen Delle davonkommt. Wichtige Voraussetzung dafür ist, dass es weiterhin zu keinen Gasmangellagen kommt. „Die aktuelle Erholung darf den Gesamtblick nicht trüben. Wahrscheinlich ist, dass sich die Konjunktur noch über mehrere Quartale schwach entwickeln wird. Denn ein Ende des Krieges in der Ukraine ist nicht in Sicht und auch viele Preise befinden sich weiterhin auf einem hohen Niveau“, kommentiert Steinbach weiter. 196 Unternehmen mit rund 14.200 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben sich an der Konjunkturumfrage der IHK Lippe in der Zeit vom 27.12.2022 bis zum 20.01.2023 beteiligt.