Cuno kann es, Irex auch, die vier Monate alte Lissy will es noch lernen. Ohne Lupe, sondern mit feiner Nase stöbern ausgebildete Jagdhunde Rehkitze, deren Fluchtinstinkt noch nicht entwickelt ist, und anderes Jungwild wie Hase und Fasan in Wiesen auf, bevor diese gemäht und die Wildtiere Opfer der Mähwerke werden. Trotz des zunehmenden erfolgreichen Einsatzes von Drohnen mit Wärmebildkameras bleiben Jagdhunde aus mehrerlei Gründen bei der Suche ungebrochen wertvoll und wichtig.
Jährlich im Mai/Juni findet im Kreis Lippe der erste Wiesenschnitt statt: Etwa 8.000 Hektar Grünland werden gemäht – das entspricht einer Fläche von rund 11.200 Fußballfeldern. „Die Jägerschaft setzt seit Jahrzehnten Jagdhunde ein, um Rehkitze und andere Jungtiere in teilweise hüfthoch bewachsenen Wiesen zu finden und anschließend in Kisten vorübergehend zu sichern. Das gilt für alle Jagdbezirke in Lippe, die Grünland aufweisen“, sagt Sascha Skoruppa aus Bad Salzuflen, der neue Obmann für Jagdgebrauchshundwesen der Kreisjägerschaft Lippe e.V..
Die kleinen Kitze, aber auch junge Hasen, Küken und Gelege von Fasan, Rebhuhn und anderen Bodenbrütern sind während der ersten Mahd stark gefährdet, wenn hektarweise Wiesen mit immer schnelleren Maschinen und zunehmend breiteren Mähwerken abgeerntet werden. Sein Vorgänger Andreas Niemeier aus Lage pflichtet ihm bei: „Die Jägerschaft betreibt ehrenamtlich großen Aufwand, um Verletzungen, Qualen und Verluste zu vermeiden. Die Installation vergrämend wirkender Radios und Luftballons, Beobachtung der Wiesen am Vorabend und die Suche, unmittelbar bevor die Mähwerke zum Einsatz kommen, sind selbstverständlich, aber auch zeitintensiv. Wir machen das gern, jedoch nicht, um anschließend wieder mehr Rehe schießen zu dürfen. Wir betreiben konsequenten und praktischen Tierschutz.“ Die zur Suche verpflichteten Landnutzer, also Landwirte oder deren Pächter, haben ein weiteres Interesse am Einsatz, denn Kadaver gelangen sonst in das geerntete Gras und machen es unbrauchbar.
Die ebenfalls ehrenamtlich aktive Gruppe „Save the Kitz e.V.“ setzt im Kreisgebiet mit enormem Erfolg Drohnen mit Wärmebildkameras ein und erfährt hierbei Unterstützung von der Kreisjägerschaft (KJS) Lippe e.V. Die KJS hat zuletzt zwei Drohnenbeschaffungen abgewickelt, ein Förderantrag für zwei weitere ist für dieses Jahr gestellt worden. 29 der 41 Drohnenpiloten kommen aus der lippischen Jägerschaft. Der Drohneneinsatz kommt allerdings derzeit noch an Kapazitätsgrenzen, da Drohnen und Piloten fehlen, um alle 8.000 Hektar abzufliegen – 2022 konnte „Save the Kitz“ dennoch knapp 3.300 Hektar befliegen und mit berechtigtem Stolz melden, 629 Kitze gerettet zu haben.
Disziplinierte Jagdhunde wie der Deutsch Drahthaar-Rüde Cuno vom Kalletal und der Kleine Münsterländer-Rüde Irex von der Lette bleiben dennoch wichtig, um mit ihrem ausgeprägten Finderwillen und notwendiger Ruhe die Kitze aufzuspüren und anzuzeigen. Die junge Lissi von der Lette wird von Christian Meyer zu Hölsen an diese Arbeit herangeführt. Es scheint sich eine Art Arbeitsteilung abzuzeichnen: Auf großen Flächen kommen die Drohnen erfolgreich zum Einsatz, bei kleineren die Jagdhunde. Tier und Technik können auch kombiniert eingesetzt werden.
Wenn Wärmebildkameras bei steigenden Außentemperaturen Kitze und anderes Jungwild nicht mehr zuverlässig anzeigen, suchen Jagdhunde anschließend die Restflächen ab. Auch kleines, von Gras bedecktes Wild wittert die feine Hundenase, während die Kamera dieses nicht immer zuverlässig detektieren kann. Außerdem bereitet stärkerer Wind den jagdlich ausgebildeten Vierbeinern keine Probleme, während die Drohnen hier empfindlicher reagieren.
Einen Wunsch hat die Jägerschaft abschließend an die Bevölkerung, so KJS-Vorsitzender Dirk Reese: „Lassen Sie bitte Kartons und Kisten, die eindeutig beschriftet sind, unangetastet und öffnen sie diese nicht. Zu früh freigelassene Kitze suchen die nächste Deckung auf. Und das ist meist die als abgesucht geltende Wiese. Kürzlich ist dieses bei Preußisch Ströhen passiert: Ein eigentlich gesichertes Kitz wurde unnötig getötet. Kitz und Ricke, also das Mutterreh, finden immer wieder zueinander.“