Sechs hoch qualifizierte Mitarbeitende der Verbände der Arbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtsverbände Lippe (agfw) leisten seit Jahren wichtige Integrations- und Beratungsarbeit in Lippe. Diese Angestellten der Caritas, der Lippischen Landeskirche, der Arbeiterwohlfahrt und des Deutschen Roten Kreuzes führen pro Jahr bis zu 3.000 Beratungsgespräche allein im Kreis Lippe durch.
Das Beratungsangebot der Migrationsberatung für Erwachsenen Zuwanderer (MBE) und des Jugendmigrationsdienstes für Kinder und Jugendliche (JMD) ist bundesfinanziert. Nun aber wird angesichts der aktuellen Haushaltsdebatte im Bundestag deutlich, welche Mittelkürzungen für 2023 gerade in diesen Bereichen vorgesehen sind: über 25 Prozent weniger Förderung stehen im Raum. Während der Bund die Migrationsberatung im Jahr 2022 insgesamt 79 Mio. Euro bezuschusste, sind für das kommende Jahr rund ¼ weniger vorgesehen – Kürzungen, die sich ganz konkret auch auf die Arbeit der Migrationsberatungen in Lippe auswirken würden.
„Für eine nachhaltige Arbeit gegen Diskriminierung, Rassismus und Rechtsextremismus ist eine langfristige Absicherung der Kosten für die Migrationsberatung essentiell“, erklärt Dieter Bökemeier, Landespfarrer der Lippischen Landeskirche stellvertretend für alle agfw Lippe-Verbände. „Hier wird ein grundlegender Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe von neu Eingewanderten, Geflüchteten, Asylsuchend und Geduldeten geleistet.
Einsparungen wären an dieser Stelle völlig falsch platziert und würden dazu führen, dass gelingende Integration nicht mehr sichergestellt werden kann.“ Zudem leisten die Einrichtungen jetzt schon einen Eigenanteil. Sollte künftig also ein höherer Anteil durch die Träger der Beratungsdienste zu tragen sein, kann das Angebot nicht in bisherigem Umfang weitergeführt werden. Dies gilt es zu vermeiden, so die beteiligten Verbände, und appellierten in einem Schreiben an die Bundestagsabgeordneten des Kreises Lippe, ihren Einfluss geltend zu machen, um das notwendige Beratungsangebot im Kreis sicherzustellen.
Zum Hintergrund:
Die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) und der Jugendmigrationsdienst für Kinder und Jugendliche bietet neueingewanderten Menschen ein qualitativ hochwertiges, verlässliches und bewährtes Beratungsangebot. Seit 2005 sind diese bundesgeförderten Beratungsangebote Bestandteil des Integrationsangebots des Bundes und bieten Anlauf- und Beratungsstellen für Menschen mit Einwanderungsgeschichte in ganz Deutschland von jung bis alt. Dem kommunalen Gemeinwesen helfen die MBE und JMD, sich dauerhaft und strukturell auf neue Einwanderung einzustellen. Die Beratungszahlen befinden sich immer noch auf einem hohen Niveau und sind zurzeit aufgrund der zusätzlichen Geflüchteten aus der Ukraine steigend.
Das JMD-Programm „Respekt Coaches“ wurde 2018 aufgelegt und ist in den Strukturen und in der fachlichen Arbeit des JMD-Programms verankert. 2021 wurde es im Rahmen des Maßnahmenpakets des Bundes gegen Rechtsextremismus und Rassismus mit 15 Mio. Euro ausgebaut. Seitdem initiieren und begleiten bundesweit über 400 Fachkräfte an 275 Standorten Gruppenangebote zur Stärkung des Demokratieverständnisses bei Schülerinnen und Schülern an Kooperationsschulen – unter anderem an vielen Haupt- und Realschulen sowie an berufsbildenden Schulen.
Dort also, wo Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Milieus mit unterschiedlichen Familienbiographien zusammentreffen. Dabei arbeiten die Fachkräfte eng mit der Schulsozialarbeit zusammen. Die primärpräventiven Angebote richten sich an alle Schülerinnen und Schüler unabhängig ihrer Herkunft. Mit der demokratiestärkenden und diskriminierungskritischen Arbeit wirkt das JMD-Programm Rassismus und Ausgrenzung entgegen und trägt so zur Förderung des sozialen Friedens bei (www.jmd-respekt-coaches.de).
Im Kreis Lippe werden die vielschichtigen Beratungsleistungen im Bereich der Migration differenziert nach Zielgruppen von verschiedenen Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtsverbände (agfw) erbracht. Die sechs Mitarbeitenden von der Caritas, der Lippischen Landeskirche, der Arbeiterwohlfahrt und vom Deutschen Roten Kreuz führen bis zu 3.000 Beratungsgespräche im Jahr durch.
Der – noch nicht verabschiedete – Haushaltsentwurf der Bundesregierung sieht für 2023 nun eine deutliche Mittelkürzung für die Migrationsberatung vor. Der Bund bezuschusste die MBE im Jahr 2022 mit 71 Mio. Euro. Während der Haushaltsansatz im laufenden Jahr aufgrund des Krieges in der Ukraine um acht Mio. Euro auf insgesamt 79 Mio. Euro angehoben wurde, sind für 2023 nur noch 57 Mio. Euro eingestellt. Dieser Einschnitt von knapp 28 Prozent würde einen erheblichen Abbau an Beratungskapazitäten bedeuten. Dies gilt es zu verhindern. Eine weitere Mehrbelastung ist den Trägern nicht zuzumuten, da sie bereits einen Kostenanteil in Höhe von 10 Prozent selbst erbringen müssen.
Das JMD-Programm ist im Haushaltstitel 17 684 01 dem Handlungsfeld II – „Jugendsozialarbeit und Integration“ zugeordnet. Für die Jugendmigrationsdienste (JMD) stehen aufgrund einer Aufstockung von 8 Mio. Euro in 2022 für dieses Jahr 68,8 Mio. Euro zur Verfügung. Für die durchführenden Träger war dies zur Deckung der Personal- und Sachkosten notwendig, und ein möglicher Rückbau konnte abgewendet werden. Um die Bedarfe der Zielgruppe weiterhin adäquat zu bedienen und die Qualität der Angebote aufrechtzuerhalten, muss auch in den nächsten Jahren die Anzahl der Beratungseinrichtungen und Fachkräfte vorgehalten werden.
Die zusätzlichen 8 Mio. Euro werden deshalb langfristig dringend benötigt. Denn auch in 2023 werden die JMD sowohl mit den Pandemiefolgen als auch mit jungen Menschen aus Krisengebieten gefordert sein und Verantwortung in der Unterstützung ihrer Zielgruppen und zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts übernehmen.
Das JMD-Programm „Respekt Coaches“ wird zurzeit aus dem Haushaltstitel 17 684 01 im Handlungsfeld II – „Jugendsozialarbeit und Integration“ mit 36 Mio. Euro gefördert. In den diesjährigen Haushaltsverhandlungen ist der Erhalt des 2021 in Aussicht gestellten Haushaltstitels in Höhe von 36 Mio. Euro für 2022 erfolgt.
Im Mai 2021 hat das Kabinett beschlossen, das Programm „Respekt Coaches“ um 15 Mio. Euro aus dem Maßnahmenkatalog des Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus aufzustocken, um die pädagogische Arbeit und Primärprävention gezielt auszuweiten und zu stärken. Diese Aufstockung wurde im Kabinettsbeschluss für die Folgejahre bis 2024 festgeschrieben (siehe Pressemitteilung vom 29.06.2021 und Maßnahmenkatalog des Kabinettsausschusses Nummer 48, Seite 7). Diese politische Zusage wird heute revidiert: Im aktuellen Haushaltsentwurf sind diese Gelder nicht mehr enthalten.
Für eine nachhaltige Arbeit gegen Diskriminierung, Rassismus und Rechtsextremismus und damit einhergehend zur Stärkung des Demokratieverständnisses junger Menschen ist eine langfristige Absicherung der insgesamt 36 Mio. Euro essentiell.