Positionspapier von ÄKWL und KVWL zur Notfallversorgung.

 

In einem gemeinsamen Positionspapier mit dem Titel „Notfallversorgung aus sektorenübergreifender Perspektive“ sprechen sich die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) und die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) für eine konsequente Patientensteuerung in der ambulanten und stationären Notfallversorgung aus. Aus Sicht der beiden ärztlichen Körperschaften werden die Einrichtungen der ambulanten und der stationären Notfallversorgung und des Rettungsdienstes nicht immer und nicht von jedem so in Anspruch genommen, wie dies medizinisch sinnvoll ist und es den zur Verfügung stehenden Ressourcen gerecht wird. Eine konsequente Patientensteuerung entlaste Ärztinnen und Ärzte, die sich dann ihren Kernaufgaben widmen könnten – in der niedergelassenen Praxis, im Krankenhaus und im Rettungsdienst. Der gemeinsame Konzeptvorschlag von ÄKWL und KVWL trage dem Rechnung.

 

„Patientensteuerung darf kein bloßer Appell bleiben“, fordert ÄKWL-Präsident Dr. Hans-Albert Gehle, „und darf auch keine zusätzlichen Anreize für Strukturausweitungen setzen, die weder finanziell noch im Hinblick auf die dafür erforderlichen personellen Ressourcen zu stemmen sind. Was wir brauchen, ist eine ressourcenorientierte Weiterentwicklung der Notfallversorgung, wobei dem Aspekt der Patientensteuerung eine viel stärkere Bedeutung beigemessen werden muss.“ Der Kammerpräsident verweist auf eine entsprechende Resolution, die vergangene Woche von der Kammerversammlung der ÄKWL verabschiedet wurde. Die Öffentlichkeit müsse noch wesentlich zielgerichteter über die Funktionsweise des Gesundheitswesens und dabei vor allem über die Notfallversorgung informiert werden, so Gehle weiter. Wünschenswert wäre auch eine Vernetzung von vorhandenen Strukturen wie dem ärztlichen Bereitschaftsdienst unter 116 117 und dem Notruf 112, um ein Nebeneinander zu vermeiden.

 

Nach Ansicht von ÄKWL und KVWL seien keine grundlegenden Strukturveränderungen im Hinblick auf eine anforderungsgerechte Notfallversorgung notwendig. Vergleichsweise geringe Anpassungen müssten allerdings konsequent umgesetzt werden, um eine tatsächliche Steuerung der Inanspruchnahme von Notfallstrukturen zu erreichen. Eine der entscheidenden Schnittstellen der medizinischen Notfallversorgung ist und bleibt dabei die Patientenservice-Hotline 116 117. Wer außerhalb der Praxis-Öffnungszeiten ein gesundheitliches Problem hat, ist bei den Mitarbeitenden des Patientenservice bestens aufgehoben. Denn am anderen Ende der Telefonleitung sitzt ausschließlich medizinisch geschultes Personal.

 

Bei der telefonischen Ersteinschätzung werden die Mitarbeitenden der 116 117 durch die bundesweit genutzte Software „SmED“ („Strukturierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland“) unterstützt. Das Programm stellt gezielte, individuelle und strukturierte Fragen zum Beschwerdebild. Die Software ermittelt eine Empfehlung zur Behandlungsdringlichkeit sowie zum korrekten Behandlungsort – Krankenhaus, Bereitschaftsdienst- oder reguläre Praxis bzw. Videosprechstunde – und unterstützt so bei der Entscheidung, das richtige Versorgungsangebot für den Patienten zu finden.

 

Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KVWL: „Der Patientenservice 116 117 hat eine entscheidende Lotsenfunktion. Die richtige Patientensteuerung ist unabdingbar, damit die vorhandenen Ressourcen zielgerecht in Anspruch genommen werden. Denn die ärztlichen Kapazitäten sind endlich. Daher ist es umso wichtiger, dass das Thema Patientensteuerung noch stärker in den öffentlichen Fokus rückt und wir als Gesellschaft dafür ein stärkeres Verständnis entwickeln.“ Systematische Informationsangebote müssten bereits während der Schulzeit ansetzen, so die Forderung von ÄKWL und KVWL.

 

Eine gut durchdachte und gut organisierte Patientensteuerung ist nach Ansicht der beiden Körperschaften in allererster Linie eine Hilfestellung für die Patientinnen und Patienten, die so zuverlässig Kontakte finden und im Notfall an die Stelle geleitet werden, die für die Behandlung aus medizinischer Sicht am besten geeignet sei.

 

Pressemeldung: Ärztekammer Westfalen-Lippe