Das konsequente Überzahlspiel war der Schlüssel an diesem Abend: Nach einem fahrigen ersten Durchgang bestraft der TBV Lemgo Lippe die zum Ende hin haarsträubenden Fehler des Gegners und feiert durch das 27:24 (9:13) bei der HSG Wetzlar den ersten Auswärtssieg der Saison. Für die zweite Auswärtsaufgabe der Saison konnten die Lipper wieder auf die Dienste von Tim Suton zurückgreifen. Nach wie vor fehlten Bobby Schagen und Emil Buhl Laerke, die ihre Teamkollegen jedoch vor Ort anfeuerten. Personelle Veränderungen in der Anfangsformation gegenüber dem 28:27-Heimsieg gegen Erlangen blieben aus: Die Rückraumachse bildeten Lukas Hutecek, Thomas Houtepen und Niels Versteijnen, über die Außen wirbelten Samuel Zehnder und Lukas Zerbe, und als Anspielstation am Kreis fungierte Jan Brosch.
Der TBV kam vor 2307 Zuschauern in der Buderus-Arena von Wetzlar allerdings nur sehr schwer in die Gänge. Obwohl auch die punktlosen Hausherren anfangs nicht vor Selbstvertrauen strotzten und keinesfalls makellos agierten, zogen sie nach zehn Minuten auf drei Tore davon (2:5). War Zehnder vier Tage zuvor noch mit hundertprozentiger Ausbeute ein gefeierter Held, schien dem Schweizer das Matchglück abhanden gekommen zu sein: Den ersten Strafwurf der Partie ließ er liegen.
Für Till Klimpke war dies nur der Anfang gelungener Szenen: Denn trotz Offensivfouls und technischer Mängel spielte sich der TBV zwar teils klarste Chancen heraus, scheiterte ein ums andere Mal jedoch ungehindert am Keeper der Mittelhessen – selbst im 7:6, zu dem sich Kehrmann nach dem 3:7-Rückstand in der Anfangsviertelstunde bereits früh gezwungen sah. Nach Klimpkes zehnter Parade – diesmal war Brosch frei gescheitert – wurde Kehrmann in der Auszeit (5:11) nach 25 Minuten lauter, forderte klare Situationen im Überzahlspiel und die nötige Konsequenz im Abschluss.
Kurz darauf verpasste Wetzlars Filip Kuzmanovski mit seinem missglückten Wurf aufs leere Tor eine komfortablere Führung. Lemgos Abwehrarbeit lief wesentlich besser und trug maßgeblich dazu bei, dass ein offensiv weitestgehend harmloser TBV bis zur Pausensirene nicht den Anschluss verlor (9:13). 40 Prozent Wurfquote sprachen zu diesem Zeitpunkt allerdings Bände – und gerade die galt es nach dem Seitenwechsel deutlich aufzupolieren. Lukas Zerbe im Field-Interview auf Dyn: „Wir spielen echt nicht gut, und dafür liegen wir nur mit minus vier hinten. Das sollte uns Mut machen, die eigenen Fehler abzustellen und selber Tempo-Tore zu machen, um Tor für Tor aufzuholen.“
Doch die Gäste kamen auch nach dem Seitenwechsel nur schwer in Fahrt: Sechs Minuten waren bereits von der Uhr, als sich für Nicolai Theilinger erneut erst im 7:6 eine Lücke auftat und der TBV-Neuzugang auf 10:15 verkürzte. Bis zur 45. Minute deutete trotz verbesserten Auftretens recht wenig auf eine Lemgoer Trendwende hin. Soeben hatte Stefan Cavor zum 14:19 gehämmert. Doch Wetzlar geriet mehr und mehr ins Wanken – und der TBV, der in der Abwehr zunehmend Beton anrührte, erwies sich als kaltschnäuziger Nutznießer der spürbaren Verunsicherung. Allen voran Leve Carstensen, der bereits in Hälfte eins Zehnder ersetzt hatte, entpuppte sich als X-Faktor: Erst vollendete der 21-Jährige mit seinem bis dato dritten Tor Huteceks Expresspass zum 17:19, dann führte eine Blaupause dessen zum 18:19-Anschluss.
Sein Pendant auf rechts, Lukas Zerbe, lief den Gegenstoß zum Ausgleich – und Wetzlar schien nun völlig in sich zusammenzubrechen. Erst wurde Carstensen nach dem Wetzlarer Fehlpass einmal mehr auf die Reise geschickt, ehe sich der Linksaußen selbst den Ball am eigenen Kreis erkämpfte und zum 21:19 davonlief. Wetzlars Trainer Frank Carstens nahm die Auszeit. Seit zehn Minuten war seine Mannschaft ohne eigenen Torerfolg – und ließ deshalb fortan ebenfalls im 7:6 attackieren. Obwohl Domen Novak vom Punkt zunächst ausglich (23:23), liefen Lemgos Angriffsvorträge im Überzahlspiel flüssiger. Lemgo packte in der Abwehr zu – und wusste das Momentum auf seiner Seite.
Huteceks Risikopass auf Zerbe glückte, dann parierte Urh Kastelic, der längst immer mehr zum Faktor geworden war, gegen Rubin, ehe Zerbe nach blitzschnellem Umschalten der Gäste auf 25:23 stellte. Nachdem ein Wetzlarer Angriff im Seitenaus gelandet war und Suton eineinhalb Minuten vor Ende gegen die offene Manndeckung zum 26:23 durchbrach, war die Messe gelesen – und der erste Lemgoer Auswärtssieg am 3. Spieltag unter Dach und Fach.
Die Stimme zum Spiel von Florian Kehrmann: „Es war ein unglaubliches Spiel. Die ersten 20 Minuten waren wir überhaupt nicht auf der Platte. Wir haben danach zwar etwas besser ins Spiel gefunden, waren aber auch in der zweiten Halbzeit noch lange Zeit weit weg. Dann haben wir ab der 40. Minute unglaublich verteidigt, nichts mehr zugelassen und im 7:6 wirklich gute Lösungen gefunden und mit ein paar tollen Gegenstößen das Spiel drehen können. Das waren ganz wichtige und tolle zwei Punkte, die sich die Mannschaft in der Phase heute erkämpft hat.“
TBV: Zecher, Kastelic (10 Paraden); Hutecek (5), Theilinger (1), Zehnder, Brosch (4), Simak, Tomashevskyi, Carstensen (6), Suton (3), Zerbe (7/1), Versteijnen, Houtepen (1), Puls, Petrovsky.
HSG Wetzlar: T. Klimpke (14/1 Paraden), Suljakovic; Ejlersen (2), O. Klimpke, Kuzmanovski (1), Vranjes (2), Becher, Fredriksen, Wagner (1), Mellegard (1), Zelenovic, Rubin (6), Fuchs, Novak (4/2), Cavor (4).
Pressemeldung: TBV