Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Hans-Albert Gehle, kritisiert die Entscheidung der Bundesregierung, die derzeitige Priorisierung des AstraZeneca-Impfstoffes für 18- bis 64-Jährige nicht aufzuheben. Im Vorfeld der (morgigen) Ministerpräsidentenrunde zur Pandemie-Lage spricht sich Gehle dafür aus, den Impfstoff von AstraZeneca für alle Altersgruppen freizugeben und ihn zudem auch in Arztpraxen zu verimpfen. „Mit einer Freigabe für alle erreichen wir, dass die älteren und vulnerablen Bevölkerungsgruppen zügig komplett geimpft sind. Wir müssen mit dem Impfstoff rein in die Praxen, um die Impfraten schnell zu erhöhen“, fordert der Kammerpräsident. „Mehr Pragmatismus wagen: Was mit der Grippeimpfung geht, geht auch mit der Corona-Impfung.“

 

Immer mehr Studien und Erfahrungsberichte belegen laut Gehle die hohe Wirksamkeit aller drei derzeit in Europa zugelassenen Corona-Impfstoffe. Aktuell zeige eine Kohorten-Studie aus Schottland, die 5,4 Millionen Impfungen ausgewertet hat, dass die Impfstoffe von Biontech zu 85 Prozent und von AstraZeneca zu 94 Prozent vor einem schweren Krankheitsverlauf und der Notwendigkeit eines Krankenhausaufenthaltes schützen. Demnach bieten beide Schutz bereits nach der ersten Dosis. In Schottland wurden vorwiegend ältere Menschen mit einer sehr guten Wirkung geimpft.

 

„Es darf keine Rangliste der Impfstoffe mit erster, zweiter oder dritter Klasse und keine unwissenschaftlichen Vergleiche und Schlechtreden bestimmter Impfstoffe geben. Das müssen wir auch der Bevölkerung vermitteln, um eine bestehende Unsicherheit und falsches Misstrauen gegenüber gewissen Impfstoffen abzubauen. Das kann der Arzt im direkten Kontakt in seiner Praxis, er kennt schließlich auch seine Patienten und deren Vorerkrankungen“, sagt Gehle. „Zudem könnten ältere immobile Patienten per Hausbesuch mit einer Impfung versorgt werden. Der Impfstoff wird weltweit schon millionenfach verimpft und es sind bislang keine schwerwiegenden Impfreaktionen bekannt geworden.“ Deshalb müsse man jetzt schnell handeln und dürfe nicht auf eine neue Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission warten, die laut deren Vorsitzenden erst demnächst kommen soll.

 

Die ÄKWL ruft dazu auf, vereinbarte Impftermine auch wahrzunehmen und nicht aus ungerechtfertigtem Misstrauen gegenüber einem speziellen Impfstoff verfallen zu lassen. „Jede einzelne Impfung ist wichtig und trägt zu einer Immunisierung der Gesellschaft bei. Wer sich impfen lässt, schützt sich und seine Mitmenschen“, so Gehle.