Projektleiterin Dr. Christiane Rühling (links, Landesbibliothek) und Kunsthistorikerin Isabelle Christiani mit einer der Zeichnungen

Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich in der Lippischen Landesbibliothek 28 Zeichnungen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, teilweise namhaften Künstlern zugeschrieben. Sie stammen nicht aus dem Bibliotheksbestand – woher kamen sie, und wie gelangten sie in die Bibliothek? Handelt es sich um NS-Raubgut? Der Verdacht besteht, seit der kommissarische Bibliotheksdirektor Alfred Bergmann im Sommer 1945 den Bestand der britischen Militärregierung meldete. Die Kunstwerke wurden seinerzeit in der Obhut der Bibliothek gelassen, bis sich ein Besitzer meldete oder ermitteln ließe.

 

Im Rahmen eines Forschungsprojekts suchte die Bibliothek ab Sommer 2023, die Herkunft der Bilder zu klären. Nun liegen die Ergebnisse vor. In mühsamer Detektivarbeit wertete Kunsthistorikerin und Provenienzforscherin Isabelle Christiani lokale und überregionale Quellen und Archivbestände aus. Sie identifizierte Sammlerstempel auf zwei Zeichnungen: der eine verrät den Dresdner Christian Gotthold Crusius (1717-1783) als Besitzer. Im 19. Jahrhundert war das zweite Bild Teil der Sammlung der Pariser Kunstliebhaber Charles und Amédée-Paul-Émile Gasc. Am 14. März 1905 wurden alle Detmolder Bilder zusammen bei einer Auktion im Auktionshaus Rudolph Lepke in Berlin versteigert.

 

Sie wurden von einer Person oder einer Institution namens „Greve“ gekauft; der Käufer ließ sich bisher nicht ermitteln. Sicher ist jedoch, dass die Zeichnungen seit 1905 bis 1945 zusammenblieben. Die Bilder müssen sich auch schon damals in den gleichen Passepartouts befunden haben, denn die Nummern im Auktionskatalog der Lepke-Versteigerung finden sich noch heute auf den Kartonagen. Bei der Auktion wurden zudem bereits die Künstler-Zuschreibungen angegeben, die heute bekannt sind.

 

Zwar bleibt damit weiter offen, wo die Bilder zwischen 1905 und 1945 waren und wie sie nach Detmold gelangt sind. Dennoch hat die Forschung auch über die Nazizeit und den seinerzeitigen Umgang mit Kulturgut neue Erkenntnisse gebracht, denn Christiani durchleuchtete Biographien und Beziehungsnetzwerke von möglichen Beteiligten. Die Erkenntnisse werden nun veröffentlicht. „Andere können nun damit weiterarbeiten -vielleicht lösen wir dann das Rätsel um die Herkunft der Bilder noch“, so die Projektleiterin in der Landesbibliothek, Dr. Christine Rühling. Die Projektergebnisse wird die Bibliothek außerdem nutzen, um weitere Bestände zu überprüfen, bei denen ein Verdacht auf unrechtmäßigen Entzug in der NS-Zeit besteht.

 

Das Forschungsprojekt wurde finanziell gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste. Das Zentrum ist zentraler Ansprechpartner zu Fragen unrechtmäßig entzogenen Kulturguts und fördert Provenienzforschung in Deutschland. Begleitet wurde das Projekt darüber hinaus von der KPF.NRW (Koordinationsstelle für Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen), der ersten Anlaufstelle für alle Informationen rund um das Thema Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen. Die KPF.NRW hat unter anderem das Ziel, eine stärkere Transparenz von Forschungsergebnissen und bessere Vernetzung von Einrichtungen und Forschungsprojekten zu schaffen.

 

Pressemeldung und Foto: Lippische Landesbibliothek