Foto: HVG Blomberg.

Ewald Arenz versteht es, mit Worten umzugehen. Nicht nur in seinen Romanen, die immer wieder auf den Bestseller-Listen auftauchen, sondern auch im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 12, die am 3. September 2021 in den Genuss einer Lesung kamen. Um der nicht ganz so leichten Kost, die in den Deutschkursen im Moment gelesen wird, entgegenzuwirken, kam die Idee im Deutsch-LK von Frau Dreier auf, zwei Bücher von Ewald Arenz („Der große Sommer“ und „Alte Sorten“) als Kurs gemeinsam zu lesen – Social reading in analoger Form: Jede*r nimmt eines der Bücher im Laufe des Schuljahres mit nach Hause, liest, kommentiert, markiert etc. Am Ende entsteht eine gemeinsame Lektüre, die gefüllt ist mit den Gedanken und Fragen von allen: Lesen kann, muss aber kein einsames Erlebnis sein.

 

Das bewies auch die Lesung am Donnerstag sehr eindrucksvoll. Das Kulturhaus „Alte Meierei“ präsentierte sich als die perfekte Kulisse: Es kam einem fast so vor, als hätten die etwa 85 Schüler*innen den ehemaligen Kinosaal, der schon lange der Stadt Blomberg als Veranstaltungsort dient, aus einem Dornröschenschlaf erweckt. „Eine tolle Atmosphäre!“ schwärmte eine Schülerin am nächsten Tag.

 

Trotz Einhaltung der coronabedingten Abstands- und Maskenregeln, dem vorher erstellen Sitzplan für die Nachverfolgbarkeit und der Tatsache, dass einige Schüler*innen in der 3. und 4. Stunde eigentlich frei gehabt hätten, war die Veranstaltung ein voller Erfolg und ein Erlebnis, an das sich alle hoffentlich noch in den nächsten Jahren erinnern werden, wenn sie ihr Abitur längst in der Tasche haben. Dank der Unterstützung von Sabine Deppenmeier (Buchhaus am Markt in Detmold), die den Autor und dessen Verlag davon überzeugen konnte, nach einer abendlichen Lesung in Detmold einer Schullesung am nächsten Tag in Blomberg zuzustimmen, konnte diese Veranstaltung sehr spontan ermöglicht werden.

 

„Ich war ein schlechter Schüler, musste zweimal eine Klasse wiederholen.“ Dieses Geständnis von Ewald Arenz hat sicher einige überrascht, glaubt man doch oft, als Schriftsteller habe man bestimmt eine glänzende Schullaufbahn hinter sich. Arenz, der selber Lehrer ist und aus Nürnberg stammt, versteht es an diesem Vormittag, seine Zuhörer*innen zu packen und mit ihnen immer auf Augenhöhe zu sprechen, obwohl er von seiner Bühne auf sie herunterschauen muss. Durch seine ehrliche und zuweilen auch schonungslose Direktheit gegenüber den vielen, interessierten Fragen gelingt es ihm, eine besondere Verbindung zwischen ihm, allen Anwesenden und seinen Texten zu schaffen.

 

Selbst auf die kritische Frage einer Schülerin, warum es keine Triggerwarnung für seine Texte gäbe, damit Leser*innen gewarnt würden, die vielleicht selbst Erfahrungen mit den Themen seiner Bücher gemacht hätten, reagiert er souverän: „Literatur muss wehtun.“ Das ist auf der einen Seite eine (wie er selbst sagt) unpopuläre Meinung, auf der anderen Seite merkt man, dass ihn die anschließende, rege Diskussion unter den Schüler*innen nachdenklich stimmt und er selbstkritisch anfügt: „Ich muss mich damit auseinandersetzen.“

 

Vor allem der Lebensweltbezug der beiden Romane, aus denen Arenz liest, ist der Grund, warum die Schüler*innen wie gebannt zuhören, als der Schriftsteller kurze Passagen vorträgt. Die Figuren Sally, Liss oder Frieder sind keine strahlenden Held*innen, sondern Menschen mit Fehlern, sie schreien, weinen, fluchen, verlieren.

 

Durch seine ausdrucksstarke Vortragsweise erweckt Ewald Arenz, der nach eigener Aussage vor 15 Jahren das letzte Mal vor Schulklassen gelesen hat, die Figuren zum Leben und bringt sie den Schüler*innen so nah, dass viele von ihnen am nächsten Tag erzählen, sie hätten die Textpassagen jetzt ganz anders verstanden: „Obwohl er alleine auf der Bühne war, hatte man den Eindruck, er fülle durch seine Worte den ganzen Raum aus.“ Die Beschreibung einer Schülerin trifft es sehr gut: Jedes Wort sitzt, jede Pause wirkt nach.

 

Genauso wichtig wie das Vorlesen ist dem Autor selbst aber das Gespräch mit seinem Publikum. Er hat ein gutes Gespür für den richtigen Zeitpunkt, macht Lesepausen und lässt die Schüler*innen fragen. Es wird sehr persönlich, es geht um seinen Arbeitsalltag als Schriftsteller, es geht um die Illusion, dass Bestsellerautoren sofort Millionäre seien. Die Schüler*innen erleben einen Autor hautnah und erkennen, wie wichtig es sein kann, sich nicht von Hindernissen zurückhalten zu lassen, wenn man ein Ziel verfolgt. Und sie begegnen Literatur. Gemeinsam.

 

Text: HVG Blomberg.