Vor dem Sturm: Timo Rediker bereitet die Messung im Windkanal der Firma GST in Friedrichshafen am Bodensee vor. Das Trikot muss möglichst eng anliegen, um dem Wind wenig Angriffsfläche zu bieten. Den Oberkörper-Dummy hat ein Student der TH OWL in seiner Bachelor-Arbeit entwickelt. Foto: Volker Buchholz, Copyright: TH OWL.

Im Rennrad-Sport hat sich längst Aero-Bekleidung durchgesetzt: Die Trikots liegen eng und faltenfrei am Körper an. Strukturierte Stoffe, in die Längsrillen oder Wabenmuster eingewebt sind, sorgen dafür, dass sich der Luftstrom vom Trikot löst und die verlustbehafteten Verwirbelungen hinter dem Rücken des Fahrers verkleinert werden. Doch wie viel Leistung spart ein Rennradfahrer wirklich, wenn er ein Aero-Trikot trägt? Um diese Frage zu klären, reiste Volker Buchholz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Maschinenbau und Mechatronik der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, mit radsportbegeisterten Studierenden in den Windkanal der Firma GST in Friedrichshafen am Bodensee.

 

 

 

Studieren, wo Weltklasse-Triathleten trainieren:

Diese Anlage gehörte vor Jahren noch zu den Dornier-Flugzeugwerken und wird jetzt privat betrieben. Der Messquerschnitt des Windkanals beträgt 3,2 mal 2,2 Meter, der Propeller weist 3,7 Meter Durchmesser auf, der elektrische Antriebsmotor leistet 500 Kilowatt (das entspricht 680 PS) und kann für maximal 180 Kilometer pro Stunde Luftgeschwindigkeit sorgen. Kunden der Firma GST sind Flugzeugwerke, aber auch die Rennradindustrie, die den Luftwiderstand ihrer Aero-Rennräder reduzieren möchte. Außerdem optimieren hier Weltklasse-Triathleten ihre Sitzposition auf ihren Spezial-Rennmaschinen, um den kompletten Luftwiderstand zu senken.

 

Die Versuche im Windkanal und die Auswertungen der Messungen waren Thema der Studienarbeiten der beteiligten Studierenden. Diese Arbeit ist im fünften Semester des Studiengangs Maschinenbau an der TH OWL obligatorisch. Unterstützung erhielten die Lemgoer Maschinenbauer vom Fachmagazin „RennRad“, das die untersuchten Trikots zur Verfügung stellte. „So entstand nebenbei auch noch ein Testbericht von acht Aerotrikots und sechs einteiligen Rennanzügen“, verweist Buchholz auf die Praxisnähe des Projektes.

 

Bei den einteiligen Anzügen sind Trikot und Hose zusammengenäht, beide Teile ziehen einander glatt, die letzten Falten verschwinden, insbesondere im Bereich der Gürtellinie und des Nackens. Als „Hauptdarsteller“ der Untersuchungen kam ein Oberkörper-Dummy zum Einsatz, den kürzlich ein Studierender des Fachbereichs in seiner Bachelor-Arbeit eigens für solche Anwendungen entwickelt wurde.

 

Ergebnisse „können sich sehen lassen“:

Die Messungen wurden mit 45 Kilometern pro Stunde Luftgeschwindigkeit durchgeführt – das ist die Bezugsgeschwindigkeit im Radsport und im Triathlon. „Die Ergebnisse sind beeindruckend und können sich sehen lassen“, sagt Buchholz. Das windschnittigste Aero-Trikot spart gegenüber einem üblichen Standard-Trikot 22 Watt. „Damit würde ein Radsportler auf 100 flachen Kilometern seine Fahrzeit um ganze 2,5 Minuten reduzieren“, erklärt Buchholz. Der beste Einteiler senkt den Leistungsbedarf um 28 Watt, die Fahrzeit für 100 Kilometer verkürzt sich um drei Minuten.

 

Die Forschungsarbeit zeigt: Maschinenbau ist viel mehr als nur Maschinen zu bauen. Auch Aerodynamik gehört dazu. Im Fach Fluiddynamik lernen die Studierenden der TH OWL unter anderem die Gesetzmäßigkeiten von Wasser oder Luft umströmten Körpern. Im Praktikum Strömungsmesstechnik befassen sie sich als erstes mit der Umströmung einer Kugel. Bestimmt wird der Luftwiderstandsbeiwert in Abhängigkeit der Anströmgeschwindigkeit.

 

Der TH-eigene Windkanal im Labor des Fachbereichs Maschinenbau und Mechatronik hat einen Durchmesser von 40 Zentimetern und kann ebenfalls Luftgeschwindigkeiten von bis zu 180 Kilometern pro Stunde erzeugen. Das reicht häufig aus – aber nicht immer. Dann gilt für die Studierenden und Beschäftigten: think big! Einschreibungen für das Wintersemester 2019/2020 für den Studiengang Maschinenbau sind an der Technischen Hochschule OWL noch bis 20. September möglich. Mehr unter: www.th-owl.de/studium. Kontakt: Volker Buchholz, E-Mail volker.buchholz@th-owl.de.