Foto: Agentur für Arbeit Detmold.

In Lippe meldeten sich seit Oktober 2018 bis zum Abschluss des Ausbildungsjahres Ende September 2019, 3.309 Bewerber. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich 237 Bewerber weniger bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit Detmold gemeldet. Gleichzeitig wurden dem Arbeitgeberservice im Berichtsjahr 2018/ 2019 für Lippe 2.194 Ausbildungsstellen gemeldet, somit 1,1 Prozent mehr als im Vorjahr.

 

Heinz Thiele, Leiter der Agentur für Arbeit Detmold, fasst angesichts der Jahresbilanz auf dem lippischen Ausbildungsmarkt zusammen: „Seit Jahren gibt es bei uns in Lippe eine deutliche Schere zwischen Bewerbern und Ausbildungsstellenangeboten, das heißt das Potential an jungen, lernwilligen Frauen und Männern ist größer, als das Jobangebot in der Region. Daran hat sich nicht wesentlich etwas geändert, als der demografische Wandel einsetzte, nicht als der doppelte Abi-Jahrgang die Schule verließ, nicht als der Fachkräftebedarf immer deutlicher spürbar wurde.

 

Da stellt sich für jeden zwangsläufig die Frage, weshalb der Ausgleich auf dem Ausbildungsmarkt so schwer ist. Leider gibt es dafür nicht nur EINE Antwort, und schon gar keine einfache“, so der Agenturchef, der seit Jahren auch für „Ausbildung auf Vorrat“ wirbt. Doch was könnten Antworten sein, und was lässt sich gestalten? Dazu Thiele: „Akzeptanz bei der deutlich frühzeitigeren, längeren und differenzierteren beruflichen Orientierung junger Menschen ist notwendig, denn die Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert.

 

Themen wie, Erfüllung im Beruf, Verhältnis Arbeit und Freizeit, Vereinbarkeit Familie und Beruf auf der Bewerberseite und zum Teil höhere Anforderungen durch die Digitalisierung, Flexibilisierung und Individualisierung auf der Arbeitgeberseite machen diesen Wandel deutlich. Frühere und intensivere Berufsorientierung durch die Berufsberatung der Agentur für Arbeit Detmold, die wiederum auf eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den lippischen Schulen angewiesen ist, gewinnt zunehmend an Bedeutung.

 

Das Festhalten an Messen und Veranstaltungen mit Arbeitgebern und Dienstleistern im Bereich Ausbildungsmarkt, damit junge Menschen niederschwellig Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern aufnehmen können, unterstützen diese Bemühungen. Unbedingt notwendig ist und bleibt dabei aber auch die Flexibilität der Bewerber und Arbeitgeber, auch wenn es nicht immer der Traumjob ist oder es sich um Bewerber handelt, die etwas mehr Unterstützung benötigen.“

 

Wenn Agenturleiter Thiele von Akzeptanz spricht, betont er den Grundsatz der freien Berufswahl in Deutschland. „Wir dürfen niemals Gefahr laufen, den Ausbildungsmarkt als rein rechnerische Größe des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage zu betrachten. Gerade die qualitative Dimension ist und wird immer wichtiger für Frauen und Männer beim Start ins Berufsleben. Wer als Arbeitgeber Talente für sein Unternehmen gewinnen möchte, wird an den Fragen: Sind die Arbeitszeiten mit Familie oder Freizeitverhalten kompatibel?

 

Wie ist es mit der Sinnstiftung der Tätigkeit, dem Arbeitsklima, dem Arbeitsort als Wohnort? und so weiter und so weiter nicht vorbeikommen. Der Ausbildungsmarkt verlangt immer mehr Engagement von den Ausbildern. Eine Alternative gibt es nicht: Ausbildung bleibt die stärkste Säule der Fachkräftegewinnung“, so Thiele. Auf der einen Seite geht es darum, Talente zu gewinnen und zu binden, auf der anderen Seite geht es aber auch darum, vermeintlich schwierigere oder schwächere Berufsanfänger in Ausbildung zu integrieren.

 

Bei dieser Zielgruppe bietet die Agentur für Arbeit Detmold hinlänglich Unterstützungsmöglichkeiten an. Sabine Gulfam, Teamleiterin der Berufsberatung der Arbeitsagentur, erläutert: „Neben Beratung und Vermittlung bieten wir den Jugendlichen auch vorbereitende Angebote an, die in Kombination mit Praktika eine Orientierung bei der Berufswahl bieten und gleichzeitig die praktische Erfahrung mit dem Beruf ermöglichen. Insgesamt sind im vergangenen Ausbildungsjahr rund 4,85 Millionen Euro an Finanzvolumen für die Unterstützung vor und während der Ausbildung verausgabt worden.“

 

Michael Wennemann, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung der Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold, kommentiert die Zahlen zum 30. September wie folgt: „Wir haben nahezu das sehr gute Ergebnis aus dem September 2018 wiederholen können. Was uns nicht zufrieden stellt, ist die Tatsache, dass in vielen allgemeinbildenden Schulen nur in Richtung Abitur und Studium informiert wird, aber nicht über die vielfältigen Karrierewege in der dualen Berufsausbildung. Wir werden daher verstärkt auf Eltern, Schüler und Lehrer zugehen, um auf eine ausgewogene Berufsorientierung hin zu wirken“.

 

Die Kreishandwerkerschaft freut sich, dass bei den Ausbildungsverträgen im Kreis Lippe die besten Zahlen seit sechs Jahren erreicht werden konnten. Gleichwohl ist noch eine erhebliche Zahl offener Stellen im Handwerk vorhanden. Geschäftsführer Christian Goll erläutert die Entwicklung der Ausbildungszahlen im Handwerk: „Die Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe geht für den Kreis Lippe für 2019 davon aus, dass basierend auf dem hohen Niveau des Vorjahres die Zahlen nochmals um über zehn Prozent gesteigert werden konnten.“ Zugleich sei auch die Zahl der offenen Stellen im Handwerk noch einmal deutlich gestiegen.

 

„Mit 454 neuen Auszubildenden verzeichnet das lippische Handwerk die höchsten Zahlen seit sechs Jahren. Hervorzuheben ist, dass gerade die gebäudetechnischen Berufsrichtungen, etwa die Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik und die Elektroniker für Gebäudetechnik nochmals zulegen konnten. Tischler, Kfz-Mechatroniker, Maler und Friseure konnten das ohnehin schon hohe Niveau halten. Sorgen bereiten dagegen nach wie vor die Nahrungsmittelhandwerke“, kommentiert Geschäftsführer Christian Goll die unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Handwerkszweigen.

 

„Annähernd 80 Prozent unserer Betriebe suchen weiter händeringend nach Fachkräften. Es bleibt deshalb für alle Akteure eine große Aufgabe, immer wieder auf die Beschäftigungspotentiale als auch auf die besonderen Ausbildungspotentiale im Handwerk hinzuweisen“. Goll nennt hier die überdurchschnittlich guten Beschäftigungschancen, die Sicherheit des Arbeitsplatzes und die erstklassigen Aufstiegs- und Karrierechancen im heimischen Handwerk. Grundsätzlich verfügen Handwerk und Mittelstand über eine außergewöhnliche hohe Resistenz gegenüber Konjunkturveränderungen, auch wenn nun im Bereich der Zulieferer zu den automobilen Industriezweigen eine erste Eintrübung erkennbar sei.

 

„Alles in allem sind wir mit dem Ausbildungsjahrgang 2019 zufrieden, Potentiale zur Verbesserung sind da, offene Ausbildungs- aber auch Arbeitsstellen im Handwerk können und wollen wir weiter besetzen“, so der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe. Für den Ausbildungsbeginn 2020 unterstützt der Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur Unternehmen bei der Besetzung freier Ausbildungsplätze kostenfrei unter 0800 4555520. Junge Leute, die Hilfe bei der Ausbildungssuche anstreben, melden sich jederzeit unter 0800 4555500 bei der Berufsberatung an.