3.900t CO2-Einsparung jährlich, 15 Elektroautos, sechs Mobilstationen, drei Gamifikation-Kampagnen, eine Kreishaussanierung: Das Projekt Lippe_Re-klimatisiert (LiReK) hat in den vergangenen Monaten aufgezeigt, wie kommunaler Klimaschutz in der Praxis funktioniert. Jetzt findet es seinen offiziellen Abschluss. Insgesamt 15 Einzelmaßnahmen in den Bereichen „Gebäude“, „Mobilität“ und „Verhalten“ konnten realisiert werden. „Die Verwaltung hat gezielt innovative Ansätze gewählt, die Vorbildcharakter haben. Wichtig war dabei, uns stets an dem Motto des KlimaPaktes „Handeln-Teilen-Nutzen“ zu orientieren. Entsprechend können Kommunen alle unsere Maßnahmen aufgreifen und auch in ihren Zuständigkeiten umsetzen“, erklärt Landrat Dr. Axel Lehmann.
Nach Auswertungen der Treibhausgasemissionen für den Masterplan 100% Klimaschutz im Jahr 2017 zeigten sich für Lippe im Landesvergleich überdurchschnittliche hohe Werte im Gebäude- und Verkehrssektor. Unter Berücksichtigung dieser Ausgangssituation entstand das integrierte Klimaschutzkonzept für Lippe_Re-klimatisiert, mit dem sich die Verwaltung erfolgreich beim Wettbewerb KommunalerKlimaschutz.NRW beworben hat. Im 2. Call 2019 erhielt der Kreis mit knapp 16 Millionen Euro die höchste Fördersumme. „Kommunen haben die Hebel, Klimaschutz auf lokaler Ebene zu gestalten. Mit Förderprogrammen stärkt das Land NRW daher die Bemühungen vor Ort und bietet Kommunalverwaltungen die Chance, Transformationsprozesse für eine klimafreundlichere Zukunft in Gang zu bringen. In Lippe hat das sehr gut funktioniert“, betont Josef Wegener von der Bezirksregierung Detmold.
Das Projekt
Die größte Maßnahme im Projekt LiReK stellte die Kreishaussanierung dar. Nach 40 Jahren im Betrieb zeigten sich an der Kreishausfassade deutlich die Alterserscheinungen. Es führte kein Weg an einer kompletten Sanierung vorbei. „Die große Herausforderung dabei lag in der Kombination der Ansprüche. Rund zehn Hauptkriterien galt es, miteinander zu vereinen, darunter beispielsweise die Energieeffizienz, Nachhaltigkeitsaspekte sowie die Einbeziehung von Klimafolgenanpassungen“, darauf weist Architekt Harald Semke hin.
Seit Sommer 2020 wichen rund 15.500 Quadratmeter Fassade und 2400 Fenster einem energetischen Upgrade. Die neuen Dämmelemente, die Dämmung und die Fenster sind aus Holz oder Zellulose. „Der Einsatz von Holz und Zellulose ist in Hinblick auf den Brandschutz keine Selbstverständlichkeit. Dass wir es so großflächig in die Sanierung einbinden konnten, ist sogar ein Herausstellungsmerkmal für ein so großes öffentliches Gebäude wie das Kreishaus“, sagt Dr. Ute Röder, Verwaltungsvorstand beim Kreis Lippe. Als Witterungsschutz erhielten die Fenster auf der Außenseite eine Aludeckschale. Die Fassadenbekleidung besteht ebenfalls aus langlebigem und selbstreinigendem Aluminium.
Für ein gutes Raumklima wurde ein intelligenter Low-Tech-Ansatz bei der Lüftung gewählt. Zeit-und temperaturgesteuerte Lüftungsklappen ermöglichen eine Übernachtauskühlung, kombiniert mit einem ausgeklügelten Sonnenschutzsystem versprechen sie angenehme Temperaturen im Sommer – ganz ohne Klimaanlage. Mit einer ausgedehnten Gründachbepflanzung (2.000 qm²) wird nicht nur ein Beitrag zur Klimafolgenanpassung und Biodiversität geleitstet, sondern auch ein zusätzlicher Kühlungseffekt erzeugt. In der Suffizienz steckt einer der größten Nachhaltigkeitspotentiale.
Mix and Match geht dank LiReK auch künftig im lippischen Verkehr. Mit dem Bau von Mobilstationen an sechs Knotenpunkten erhalten Personen dort die Möglichkeit, individuell zwischen verschiedenen Fortbewegungsmitteln zu wechseln. Die beteiligten Projektkommunen Detmold, Lage, Lügde und Horn-Bad Meinberg erhielten für die Umsetzung knapp 1,4 Millionen Euro aus dem Förderprojekt zugewiesen. Bei den Ausschreibungen und der Vergabe der verschiedenen Baumaßnahmen unterstützte der Kreis Lippe die Projektpartner.
Die Mobilstationen entstanden an den Bahnhöfen in Lage, Horn-Bad Meinberg und Lügde sowie in Heiligenkirchen, Pivitsheide und am KreativCampus in Detmold. An den jeweiligen Standpunkten können die Nutzer einfach zwischen Bus, Bahn, Fahrrad und E-PKW wechseln. „Mobilität hört nicht an Stadt- und Gemeindegrenzen auf. Daher ist eine interkommunale Zusammenarbeit hier zielführend. Mit einer gemeinsam gedachten Planung können wir ganz Lippe miteinander vernetzen“, erklärt Olrik Meyer, Fachbereichsleiter Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Mobilität.
Auch dienstlich stellte die Verwaltung auf klimafreundlichere, multimodale Mobilität um. Hierbei kooperierte der Kreis mit der Stadt Detmold. Zum einen entstand eine fahrradfreundliche Infrastruktur im Umkreis der Behördenliegenschaften. Zum anderen möchten der Kreis und die Stadt Detmold mit anderen Verwaltungen ein interkommunales postfossiles Fuhrparkmanagement etablieren. In einem ersten Schritt haben der Kreis und die Stadt über Lippe_Re-klimatisiert 15 E-Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur angeschafft. Daneben entstand eine Studie wie die Integration der Fahrzeuge in ein Sharing-Konzept und die Gründung eines interkommunalen Fuhrparks funktionieren kann.
Für den Bereich Verhalten hat der Kreis einen Gamifikationansatz getestet. Eine eigens für die Mitarbeiter entwickelte Webanwendung sollte Energiespargewohnheiten über einen spielerischen Ansatz vermitteln. Die Anwendung lenkt die Aufmerksamkeit der Spieler auf ein klimafreundliches Verhalten und stärkt das Bewusstsein für dieses Thema. Inwieweit sich durch die Anwendung Verhaltensweisen ändern, wird noch innerhalb einer Begleituntersuchung der TH OWL ausgewertet. Das Spiel soll demnächst weiter ausgerollt und interessierten Kommunen zur Verfügung gestellt werden.
Das Fazit
Obwohl während des Projektzeitraums von August 2019 bis März 2023 mit der Corona-Pandemie und dem Ukrainekrieg einschneidende Ereignisse zusammenfielen, wurden die Maßnahmen weitestgehend im vorgegebenen Zeitplan realisiert. Dennoch verursachte der Fachkräfte- und Rohstoffmangel gerade bei der Kreishaussanierung einige Verzögerungen. Einzelne Arbeiten stehen noch aus. „Ich weiß, dass die Sanierung im laufenden Betrieb für die Kreismitarbeiter und auch die Bürger viele Einschränkungen mitgebracht hat. Daher möchte ich mich für die Geduld bedanken. Nun haben wir aber trotz der Hürden ein Ergebnis vor Augen, dass sich sehen lassen kann“, freut sich der Landrat.
Durch die Sanierung des Kreishauses wird der Endenergiebedarf der Verwaltung um mindestens 55 Prozent gesenkt, das entspricht rund 1,5 Millionen kWh/a. Die nicht mehr benötigte Fernwärme steht in Absprache mit den Stadtwerken Detmold künftig Verbrauchern im Quartier zur Verfügung. Das sanierte Kreishaus präsentiert sich zudem aufgrund der ökologischen Gutschriften der verwendeten Baustoffe nicht nur klimaneutral, sondern klimapositiv. Es ist gelungen, bei der Sanierung mit nachhaltigen beziehungsweise recyclefähigen Baustoffen zu arbeiten und ressourcenschonend zu agieren. Zugleich sind die eingesetzten homogenen Baustoffe sortenrein trenn- und nahezu restlos wiederverwertbar. Insgesamt sollen durch die Maßnahmen im Projekt 3.900t CO2 jährlich eingespart werden. Das kompensiert den Treibhausgas-Ausstoß von über 500 Einwohnern.
Der Ausblick
Gerade unter Berücksichtigung steigender Energiekosten ist dem Kreis auch künftig daran gelegen, seine Liegenschaften effizient aufzustellen. So ist im Zuge von LiReK ein Energiebericht für ausgewählte Gebäude entstanden. Intelligente Zählgeräte verfolgen nahezu in Echtzeit die Verbräuche und alarmieren das Technische Gebäudemanagement, wenn von definierten Durchschnittswerten abgewichen wird, beispielsweise bei durchlaufenden Toilettenspülungen. Die Aufrüstung mit PV-Anlagen zur eigenen Stromherstellung und Nutzung geht ebenfalls weiter voran.
Für die Umsetzung des interkommunalen Fuhrparks hat der Kreis eine Anschlussförderung erhalten. Die Verwaltung erarbeitet zurzeit mit den Städten Detmold und Lemgo eine Organisationsform, wie die jeweiligen Dienstflotten zusammengeführt werden können. Aktuell sind drei Geschäftsmodelle in der engeren Auswahl. Ende Juni soll ein Vertrag vorliegen, der dann noch durch die jeweiligen Gremien laufen muss.
Auch das Netz der Mobilstationen soll zur Förderung der postfossilen Mobilität ausgeweitet werden, zum Beispiel von der KVG Lippe. Der Kreis wird auch Kommunen bei Bedarf beratend unterstützen, wenn sie überlegen, eine Anlage zu bauen. Ziel ist die Ausweitung der Kernmarke „LippeRadschloss“. So soll in Lippe ein einheitliches System und Design entstehen mit einem hohen Wiedererkennungswert für die Nutzer. Allgemein werden die verschiedenen Themenkomplexe für einen klimafreundlichen Kreis auch im übergeordneten Zukunftskonzept Lippe 2030 fortgeschrieben.