„Es ist nicht im Sinne der lippischen Bürgerinnen und Bürger, wenn wir uns alle kommunale Familie mit gegenseitigen Schuldzuweisungen für eine Finanzmisere eindecken, die durch eine unzureichende Finanzierung durch Land und Bund ausgelöst ist. Ich fordere die lippischen Bürgermeister auf, wieder zur Sachlichkeit zurückzukehren und gemeinsam Bund und Land aufzufordern, wachsende Aufgaben der kommunalen Familie auch ausreichend gegen zu finanzieren.
Zur Sache: Der Kreis Lippe verzeichnet von 2023 auf 2024 ein Finanzloch von 60 Mio. Euro, vorwiegend aufgrund eines rasanten Anstiegs der Kosten für den Busverkehr, für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung und die durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Preis- und Lohnsteigerungen. Um dieses Loch zu schließen greift der Kreis zu den einzigen drei Instrumenten, die er hat.
Erstens: Wir nehmen Einsparungen im eigenen Haushalt vor. Zielmarke sind weitere sechs Millionen Euro, nachdem wir in den beiden Vorjahren schon sieben Millionen Euro eingespart haben. Dazu kommen weitere Einsparungen durch Personalbewirtschaftung von drei Mio. Euro. Der Vorwurf mangelnden Sparwillens geht also ins Leere – insbesondere auch deshalb, weil der Anteil freiwilliger Leistungen am Kreishaushalt deutlich unter 5 Prozent liegt. Die großen Brocken des Kreishaushaltes sind von uns nicht beeinflussbar, weil vom Gesetzgeber festgelegt. Insofern sind die Vorstellungen der Bürgermeister, welche Summen wir einsparen könnten, illusorisch.
Zweitens: Wir reduzieren unsere Ausgleichsrücklage mit dem neuen Haushalt auf Null. Unser Sparstrumpf ist damit leer. Die Ausgleichsrücklagen der Gemeinden summieren sich zurzeit noch auf über 180 Mio. Euro und die Kämmerer haben unisono in den vergangenen Wochen verkündet, damit könnten sie bis 2027 wirtschaften.
Drittens: Wir müssen die Kreisumlage erhöhen, weil wir keine eigenen Steuereinnahmen haben und uns über diese Umlage refinanzieren müssen. Die Erhöhung der Umlage von 207,5 auf 232,9 Mio. Euro ist fraglos ein „Schluck aus der Pulle“, aber in dieser Krisensituation unumgänglich.
Unredlich ist es, den angeblich fehlenden Sparwillen des Kreises an den Personalkostensteigerungen von 2016 bis 2022 festzumachen. Ein Teil dieser Kostensteigerungen erklärt sich durch die Tarifsteigerungen über diesen Zeitraum. Vor allem aber war der Kreis Lippe gezwungen, die rettungsdienstliche Versorgung zuerst vom Roten Kreuz und dann in Teilen von der Johanniter-Unfall-Hilfe zu übernehmen, die sich nicht mehr in der Lage sahen, diese Aufgabe zu erfüllen.
Dahinter stecken deutlich mehr als 100 Stellen im Rettungsdienst, die im Übrigen komplett durch die Krankenkassen und nicht über die Kreisumlage refinanziert werden. Ähnlich stellt sich der ebenfalls weitgehend refinanzierte Stellenaufbau im Zuge der Coronabekämpfung im Gesundheitsamt dar. Mit dem Ende der Pandemie, werden wir im 2024er Haushalt die Stellen dort auch wieder reduzieren. Bei alledem ist den Bürgermeistern bekannt, dass ohnehin fast die Hälfte aller Stellen des Kreises Lippe durch den Bund, durch Krankenkassen oder durch andere Kostenträger refinanziert werden.
Den Vorwurf mangelnder Kompromisswilligkeit auf Seiten des Kreises weise ich entschieden zurück. Der Gesetzgeber sieht lediglich vor, dass Kreise sechs Wochen vor Haushaltseinbringung die Kommunen über die Haushaltsplanung informieren und ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme eröffnen, bevor der Kreistag den Haushalt beschließt. Im Sinne einer guten Kooperation mit unseren Kommunen haben wir auch 2023 freiwillig in drei Runden seit Sommer mit vier Bürgermeistern und vier Kämmerinnen und Kämmerern die Kreisumlage diskutiert.
Wir hatten ursprünglich eine Kreisumlage von 240 Mio. Euro angestrebt, um die Ausgleichsrücklage nicht auf Null fahren zu müssen. Das hätte Reserven für 2025 ergeben, die wir eigentlich dringend nötig hätten. In der Diskussion haben wir dann auf Drängen der Städte und Gemeinden als Kompromiss eine Umlagenhöhe von 233 Mio. Euro bei völligem Abschmelzen der Rücklage angeboten. Dieser Kompromiss ist in der Bürgermeisterrunde abgelehnt worden. Die Aussage, ein offenes Gespräch zwischen Kommunen und Kreis habe es nicht gegeben, ist also definitiv falsch.
Ich hoffe, mit diesen inhaltlichen Klarstellungen zu einer Versachlichung künftiger Debatten in der kommunalen Familie in Lippe beizutragen. Wir müssen angesichts der wohl heftigsten Finanzkrise der öffentlichen Hand in der deutschen Nachkriegsgeschichte alle den Kopf über Wasser halten – Kommunen und Kreis. Gegenseitige Vorwürfe werden dabei nicht helfen!“