Kostensteigerungen bei der Eingliederungshilfe, im Sozialbereich und im ÖPNV belasten den Kreisetat 2025 immens / Dr. Axel Lehmann fordert von Bund und Land den finanziellen Befreiungsschlag
„Die finanzielle Lage ist dramatisch, es gibt keine Spielräume mehr – die Luft ist raus!“ Mit alarmierenden Worten hat Landrat Dr. Axel Lehmann die bundesweit prekäre Situation der Kreise, Städte und Gemeinden beschrieben. Auslöser für seine Brandrede war der Haushaltsentwurf 2025, den die Kreisverwaltung in der letzten Kreistagssitzung des Jahres eingebracht hatte.
Vor allem bei den Pflichtaufgaben, die Bund und Land den Kommunen aufs Auge gedrückt haben – und die nicht einmal ansatzweise gegenfinanziert werden – explodieren die Kosten. „Man kann uns nicht wie einen Packesel behandeln, dem man immer mehr Lasten auflädt und gleichzeitig das Futter wegnimmt. Wenn Berlin und Düsseldorf hier nicht bald gegensteuern und die Kreise, Städte und Gemeinden finanziell entlasten, droht uns der Kollaps“, erklärt Dr. Lehmann.
Immense Schieflage bei Finanzierung von Pflichtaufgaben
Beispiele für diese Schieflage sind im Haushaltsentwurf des Kreises Lippe für das Jahr 2025 zu Hauf zu finden: So sind etwa die Ausgaben bei den Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung bundesweit innerhalb von gut zehn Jahren um stolze 85 Prozent in die Höhe geschnellt. Die Folge: Allein im kommenden Jahr muss der Kreis Lippe eine Umlage in Höhe von 127,4 Millionen Euro an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) nach Münster überweisen – 7,8 Millionen mehr als 2024. Auch die Ausgaben bei der Pflege steigen immer weiter an. 2025 plant der Kreis Lippe hier mit Nettokosten von rund 32 Millionen Euro – 6,6 Millionen Euro mehr als noch 2022.
Auch der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist mittlerweile ein Fass ohne Boden. Durch massive Kostensteigerungen muss der Kreis Lippe die Kommunale Verkehrsgesellschaft Lippe (KVG) im kommenden Jahr mit 8,3 Millionen Euro bezuschussen, 1,5 Millionen Euro mehr als 2024. Wie vor dem Hintergrund dieser Entwicklung das Deutschlandticket sowie die bestehenden Bus- und Bahnangebote langfristig finanziert und sogar noch ausgebaut werden sollen, steht angesichts fehlender Signale aus Düsseldorf und Berlin in den Sternen.
Landrat fordert: „Schuldenbremse aussetzen“
„All diese Beispiele zeigen: Die kommunalen Haushalte stehen am Abgrund! Wenn Kommunen und Kreise ihre Aufgaben nicht mehr finanzieren können, erleben die Menschen ein Versagen des Staates. Das gefährdet unser Zusammenleben und die Demokratie“, stellt Dr. Lehmann klar. In Krisenzeiten wie diesen müsse der Staat antizyklisch handeln, die Schuldenbremse zeitweise aussetzen und investieren. „Deshalb fordere ich Bund und Land dazu auf, zum finanziellen Befreiungsschlag auszuholen und die kommunale Familie nicht weiter im Regen stehen zu lassen!“
„Die genannten Kostensteigerungen wirken sich jedenfalls deutlich auf den Etatentwurf für 2025 aus. Die Kreisumlage steigt zwar von 227,9 auf 260,5 Millionen Euro, ein Plus von 14,3 Prozent. Dennoch können wir den Etat nicht strukturell ausgleichen. Das liegt an der Vorbelastung aus dem Jahr 2024 und einer sich erneut verdüsternden Prognose am Arbeitsmarkt. Bei Gesamtausgaben in Höhe von rund 711 Millionen Euro und Erträgen in Höhe von rund 699 Millionen Euro bleibt ein Minus von zwölf Millionen Euro“, erläutert Rainer Grabbe, Kämmerer des Kreises Lippe und Allgemeiner Vertreter des Landrates. Auch die Jugendhilfeumlage steige trotz eines Belastungsausgleichs im U3-Bereich von 64,8 auf 72 Millionen Euro – ein Plus von 11 Prozent. Gründe hierfür sind massiv steigende Fördersätze in den Kitas, den stationären Einrichtungen, bei den Unterhaltsleistungen und der Pflegesätzen.
Kreis Lippe: 96 Prozent der Leistungen sind Pflichtaufgaben, Stellenplan schrumpft
Dieses „Loch“ stopft der Kreis Lippe, indem er einen „Globalen Minderaufwand“ in der genannten Höhe einplant (die Ausgleichsrücklage wurde bereits in diesem Jahr verbraucht, um die Kommunen zu entlasten, und steht daher nicht mehr zur Verfügung). Bedeutet vereinfacht gesagt: Der Kreis Lippe soll im Laufe des Haushaltsjahres 2025 irgendwo stolze zwölf Millionen Euro einsparen, was nahezu unmöglich ist.
Denn: „96 Prozent der Leistungen des Kreises Lippe sind Pflichtaufgaben – Einsparpotenzial gibt es also bei lediglich vier Prozent der Angebote. Und die wurden in den vergangenen Jahren bereits konsequent hinterfragt“, verdeutlicht Kreiskämmerer Rainer Grabbe die Lage. Ergebnis: 2022/23 wurden rund sechs Millionen Euro eingespart. 2024 wurde im Haushalt ebenfalls bereits ein „Globaler Minderaufwand“ von sechs Millionen Euro eingeplant. Der Stellenplan schrumpft nach 2024 ein zweites Mal, trotz steigender Fallzahlen.
„Wir alle wissen, wie kraftraubend das alles war“, sagt Dr. Lehmann und stellt fest: „Zwölf Millionen Euro an Einsparungen werden wir im nächsten Haushaltsjahr nicht erreichen.“ Diese dennoch als „Globalen Minderaufwand“ im Haushalt 2025 vorzusehen, sei aber ein rechtlich einwandfreier Weg, den das Land NRW den Kommunen gebe, damit diese einen genehmigungsfähigen Haushalt aufstellen können – um am Ende nicht in die Haushaltssicherung zu schlittern. „Das Land NRW sollte uns lieber mit echten finanziellen Hilfen ausstatten, anstatt uns indirekt zu solchen Taschenspielertricks zu zwingen. Damit verschieben wir die Probleme nur in die Zukunft, anstatt sie heute zu lösen“, kritisiert Dr. Lehmann die Landesregierung in Düsseldorf.
Hälfte der Kreisumlage geht gleich weiter zum LWL
Das einzig Positive sei, dass sich der Kreis Lippe für den kommenden Haushalt früh mit den lippischen Bürgermeistern auf die Höhe der Kreisumlage verständigen konnte. Sie bleibt immerhin rund 4,2 Millionen Euro unter den ursprünglichen Planungen, trotz der Unterstützung für das Klinikum. „Von der Kreisumlage verbleibt allerdings nur die Hälfte in Lippe. Jeden zweiten Euro davon schieben wir gleich weiter nach Münster, um damit die wie erwähnt erneut gestiegene Landschaftsverbandsumlage zu begleichen“, verdeutlicht der Landrat.
Einen „Globalen Minderaufwand“ in Höhe von zwölf Millionen Euro einzuplanen, hatte zur frühen Verständigung mit den Bürgermeistern beigetragen, da sich dies direkt positiv auf die Höhe der Kreisumlage auswirkt. Ähnlich sieht es bei der finanziellen Unterstützung des Klinikums aus. Da der Kreis Lippe derzeit auf Liquiditätshilfen setzt und keine Verlustabdeckungen einplant, wird der Haushalt 2025 „nur“ mit 2,5 Millionen Euro an Zinsen belastet. Andernfalls wäre die Kreisumlage deutlich höher ausgefallen. „Auch das zeigt, dass dieser Haushalt am Ende trotz aller Belastungen kommunalfreundlich und zukunftsorientiert ist. Der Kreis Lippe und die lippischen Städte und Gemeinden stehen in dieser schwierigen Zeit zusammen“, stellt Dr. Lehmann klar.
Kreis Lippe stützt finanziell das Klinikum
Apropos Klinikum: Der Haushalt 2025 bilde auch die weitere Grundlage für notwendige Investitionen zur besseren medizinischen Versorgung in Lippe. So ist in Detmold der Bau einer neuen und dringend notwendigen Notaufnahme und eines Diagnostikzentrums geplant. Weiter gilt es, die Investitionsplanung an den Standorten Detmold und Lemgo entsprechend der strategischen Neuausrichtung des Klinikums umzusetzen. Hierzu werden in den Jahren 2025 bis 2030 Mittel von jährlich bis zu 21,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Neben diesen notwendigen Baumaßnahmen zur Umsetzung der kürzlich beschlossenen Neuaufstellung des Klinikums, plant der Kreis Lippe mit Finanzhilfen an das Krankenhaus in Höhe von 25 Millionen Euro (35 Millionen Euro bereits im vergangenen Jahr). „Das ist notwendig, weil unser Klinikum sonst Insolvenz anmelden würde. Doch dauerhaft können sich das der Kreis Lippe und unsere 16 lippischen Kommunen nicht leisten“, ist sich Dr. Lehmann sicher. Sollte das Klinikum nicht wie geplant ab 2030 wieder schwarze Zahlen schreiben, sehe es finster aus.
In den kommenden Wochen stehen nun die Haushaltsplanberatungen der im Kreistag vertretenen Fraktionen und Gruppen an. Die Verabschiedung ist im Februar geplant.