Schlachtermeister Richard Nier (Schötmar) prüft die Tierhaltung in einem seiner Lieferbetriebe.

Was vielen schon lange bekannt war, ist jetzt einer großen Öffentlichkeit vor Augen geführt worden: in der deutschen Fleischproduktion liegt vieles im Argen. Dabei geht es um die Tierhaltung in großen Einheiten, um deren Fütterung, um die Transporte, um die Anonymität der Fleisch- und Wurstwaren, um die Bedingungen bei der Schlachtung und Zerlegung für die Tiere und die Menschen. Aber in unserer Region gibt es auch regionales Schwein in der höchsten Qualitätsstufe nach den Lippequalität-Kriterien: Schweineställe mit pfleglicher Tierhaltung, in kleinen Gruppen, mit Tageslicht und Luft, mit Platz zum Laufen und zum Kuscheln, mit Stroh vom Feld nebenan zum Wühlen, mit Fütterung vom eigenen Acker und Zufütterung ohne Gentechnik, ohne Antibiotika, mit kurzen Wegen zum Schlachter.

 

Wir haben Richard Nier, Schlachtermeister und Chef der Fleischerei Nier, bei einem Hofbesuch begleitet. Er kennt nicht nur seine Bauern persönlich, sondern sieht die Tiere schon in der Aufzucht. Nier legt Wert auf eine geschlossene Lieferkette, will nicht irgendwelche Tiere irgendwoher haben. Ihm ist es nicht egal, wie sie gehalten und gefüttert wurden. Er macht seinen Bauern Vorgaben und überprüft diese auch. Diese Schweine leben länger als das Turbomastschwein, aber das Fleisch ist auch anders. Der Fachmann erkennt das frühzeitig, der Laie vielleicht erst auf dem Grill oder in der Bratpfanne oder beim Essen. Hinzu kommt die Stressfreiheit bis zur vorschriftsmäßigen Schlachtung, weil die Tiere ganz aus der Nähe kommen und nicht weit transportiert werden müssen. Ein Zukauf von Fleisch aus einer Schlachtfabrik ist bei ihm grundsätzlich ausgeschlossen.

 

Nier ist in der vierten Generation Schlachtermeister und zugleich auch Sprecher der Produktgruppe Fleisch im Lippequalität e.V. Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Hartmut Säger hat er – diesmal in Vorstandsbegleitung von Lippequalität und dem BUND – die Tiere, den Stall, die Tierhaltung und das Futter geprüft und zu seiner Zufriedenheit begutachten können. Alles ist so, wie er sich das wünscht. Die kleine Kommission konnte zufrieden sein. Denn ganz leicht ist es nicht und auch teurer, die Kriterien des Lippequalität e.V. zu erfüllen, zu dem natürlich beide gehören.

 

Der Schweinestall von Hartmut Hartmut Säger in Bad Salzuflen-Lockhausen ist alt, heute aber fast eine Idylle, zu der – wie zur Vervollständigung des guten Gesamtbildes – noch die Schwalben in den Balken nisten und ein- und ausfliegen. Sicher gehört dieser Stall zu den Ausnahmen. Aber es sind gewollte Ausnahmen, die die lippische Regionalbewegung zur Bedingung macht und gerne auch für neue Ställe zur Regel machen möchte. Denn das bekannte Gütesiegel „Lippequalität“ wird nur an solche Schweinemäster, Schlachter und Fleischereien vergeben, die sich bewusst der Regionalität und der qualitativ hochwertigen und auch teureren Tierhaltung verschrieben haben. Ganz gespannt ist Nier auf die Schwäbisch-Hällischen-Landschweine, die Landwirt Säger kürzlich zusätzlich in seinen Betrieb geholt hat und jetzt zum ersten Mal in einer kleinen Gruppe aufzieht.

 

Bei der Frage nach Antibiotika im Schweinestall lacht der Schweinemäster. Man sieht ihm seinen persönlichen Umgang und pfleglichen Stil mit seinen Tieren an. Die haben viel Licht und viel Luft und genug Bewegungsfreiheit, sagt er. Nur bei einer akuten Erkrankung eines Tieres würde er theoretisch und nur unter Aufsicht eines Tierarztes Antibiotika einsetzen. Praktisch sei das aber zum letzten Mal vor acht oder zehn Jahren vorgekommen und beträfe selbst dann nur das einzelne erkrankte Tier, das zudem gesondert gehalten würde.

 

Richard Nier hat sich vor Jahren bewusst für eine klare regionale Ausrichtung seines Betriebes entschieden und sich ein Netz von Bauern in der nahen Umgebung aufgebaut, die ihm die Tiere liefern können, die er habe möchte. Regelmäßig ist er Abnehmer von Schweinen mehrerer Lippequalität-Bauern und trägt damit zur regionalen Wertschöpfung bei. Das ist ihm nicht nur wegen der geschlossenen und transparenten Lieferkette wichtig, sondern diese Qualitäts-Tierhaltung in kleinen Gruppen und auf Stroh hat auch ihren Preis. Nier weiß das zu schätzen und zahlt deswegen für jedes Tier mehr an seine Lieferanten als den handelsüblichen Preis. So zahlt sich das auch für die Landwirte aus, denn sie werden für ihre Mehrarbeit und die Mehrkosten an Stallfläche, Ausstattung und Futter entlohnt. Hinzu kommt aber auch das Wissen darum, ihre Arbeit gut gemacht zu haben und im Ende den Menschen in der Umgebung qualitativ und ethisch gutes Fleisch geliefert zu haben.

 

Und dann kommt noch der soziale Aspekt der Fleischproduktion. Bei Richard Nier gibt es in Schlachterei, Zerlegung, Verarbeitung und Verkauf nur fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ordentlichem Tariflohn. Ihm ist das Wohlergehen der Tiere bis zur Schlachtung wichtig. Ebenso wichtig sind ihm das Wohl der Menschen im Verarbeitungsprozess und das Wohl der Kunden, damit sie gutes und unbelastetes Fleisch bekommen. Deswegen macht er mit seiner Ware auch keinen Preiskampf mit, denn sie ist von Natur aus teurer, aber eben auch in vielfacher Weise wertiger. Sie ist im wörtlichen Sinn ihren Preis wert, was ihm seine Kunden danken.

 

Richard Nier stammt aus einer Schlachterfamilie, ist selber Familienvater und wohnt in Lemgo. Er bietet seine Fleisch- und Wurstwaren in Schötmar und in drei weiteren Verkaufsstellen an: in Bad Salzuflen. in Oerlinghausen sowie in Lemgo – übrigens die einzige Lippequalität-Fleisch-Frischetheke, die es gegenwärtig  in der Hansestadt gibt. Länger haltbare Produkte der Fleischerei Nier gibt es aber auch im Regionalbereich des lippischen Lebensmitteleinzelhandels. Der Lippequalität e.V. arbeitet aktiv daran, die Produktgruppe Fleisch weiter aufzubauen und zu stärken, denn die Nachfrage nach guten regionalen Produkten aus Lippe ist in den vergangenen Monaten nochmals deutlich gestiegen.