Es war die erwartet hohe Hausnummer: Gegen den Meisterschaftsanwärter Füchse Berlin zeigt sich der TBV Lemgo Lippe im ersten Durchgang ebenbürtig, muss der individuellen Qualität der Hauptstädter nach dem Seitenwechsel aber Tribut zollen. Vor stattlicher Kulisse in der Phoenix Contact-Arena unterliegen wacker kämpfende Hausherren am Ende mit 29:32 (16:17), weil ihnen in der Schlussviertelstunde die Kaltschnäuzigkeit abhandenkommt, Füchse-Keeper Dejan Milosavljev (16/2 Paraden) seinen Kasten regelrecht verriegelt – und ein ebenfalls stark aufgelegter Urh Kastelic im Torhüterduell letztlich knapp das Nachsehen hat.

 

Zum Spiel: Mit einer Änderung in der Anfangssieben – Leos Petrovsky begann am Kreis anstelle von Jan Brosch – schickte TBV-Coach Florian Kehrmann sein Team vor 4212 Zuschauern in das Kräftemessen mit dem Tabellenzweiten aus der Hauptstadt. Nach kurzer Anlaufzeit, in der sich beide Torhüter erstmals auszeichnen konnten, bestimmten vor allem die Angriffsreihen den ersten Durchgang. Lasse Anderssons Führungstreffer konterte Lukas Hutecek im Handumdrehen (3.). Als Sinnbild der Lemgoer Entschlossenheit im eigenen Angriff trat mitunter Tim Suton in Erscheinung, als er sich erst gegen Bewacher Marko Kopljar durchsetzte, dann zum 3:3 netzte und zu guter Letzt noch eine Zeitstrafe gegen den Berliner zog.

 

Einer der prägendsten Akteure der Füchse in der Anfangsphase war der schnellbeinige Niels Lichtlein, gegen den die Lipper in der Abwehr ein ums andere Mal im direkten Duell das Nachsehen hatten. Dessen drittes Tor zur erneuten Führung (5:6) konterte Kastelic kurz darauf mit einer bärenstarken Parade gegen den heranrauschenden Jerry Tollbring, ehe Lemgos Keeper wenig später mit einem Traumzuspiel Samuel Zehnder zum umjubelten 8:8-Ausgleich auf die Reise schickte. Doch Berlins Kreisläuferhüne Mijajlo Marsenic, der in dieser Phase eine häufig gesuchte Adresse war, brachte den amtierenden European-League-Sieger wieder in Front (14.).

 

Mit Anbruch der 15. Minute wurde es schlagartig still in der Phoenix Contact-Arena, Grund war der Einsatz des medizinischen Personals. Auf eine kurze Unterbrechung folgte zum Glück Entwarnung. Der TBV blieb trotz des Zwei-Tore-Rückstands am Drücker, Suton verkürzte, ehe Zerbe den zuvor vergebenen Strafwurf von Zehnder doch noch zum 10:10 über die Linie drückte (18.). Die Auszeit von Füchse-Coach Jaron Siewert verlieh dem Favoriten neue Impulse, ein nimmermüder Mathias Gidsel krönte einen Berliner 3:0-Lauf zum 10:13 – zuvor hatte Brosch eine harte Zeitstrafe gegen sich gesehen. Auch die Berliner mussten gelegentlich mit einem Mann weniger auskommen.

 

Ärgerlich: In Unterzahl gelang ihnen dennoch immer ein Tor. Nach Kehrmanns Auszeit schaltete der TBV beim Stand von 12:15 (24.) ins Sieben-gegen-sechs – und kam bis zur Pause durch die Treffer von Zerbe, Brosch und Hutecek auf ein Tor heran. Bitter: Die Chance zum Ausgleich ließ ausgerechnet Kastelic liegen, der erst ein Andersson-Geschoss stark festhielt, das verwaiste Füchse-Tor daraufhin jedoch recht deutlich verfehlte. Zuvor hatte der Berliner Abwehrspezialist Max Darj bereits seine zweite Zeitstrafe gesehen. Dann war Pause.

 

Den besseren Start in die zweite Halbzeit erwischten die Gäste. In einer Partie mit wenigen technischen Fehlern verließ den TBV zunehmend das Glück im Angriff. Missverständnisse und Fehlwürfe sorgten dafür, dass sich die Füchse nach 40 Minuten auf fünf Tore (17:22) absetzen konnten – auch weil die Hauptstädter unheimlich ballsicher agierten. Doch der TBV gab nicht auf, kam durch Zehnder und Versteijnen im konsequenten Überzahlspiel wieder in Schlagdistanz (21:24) – auch weil Kastelic allmählich zur Höchstform auflief und kurz darauf seine neunte Parade verzeichnete.

 

Umso ärgerlicher, dass Frederik Simak im Gegenzug aus der Drehung an Dejan Milosavljev scheiterte – und Berlin durch einen verwandelten Lindberg-Strafwurf das Lemgoer Momentum stoppte und wieder auf vier Tore davonzog (43.). Auf Strecke ging nie aufgebenden Lippern an diesem Abend aber die Kaltschnäuzigkeit abhanden. Als Zehnder beim Stand von 24:29 erst den Strafwurf vergab und auch den Abpraller nicht im Tor unterbringen konnte, schien der Stecker gezogen.

 

Mit offensiver Abwehr versuchte der TBV die Berliner nochmal zu stressen, Versteijnen betrieb mit zwei schönen Einzelleistungen Ergebniskorrektur – und auch Leve Carstensen trug sich zu guter Letzt (29:32) noch in die Torschützenliste ein. Am Ende aber stellten die Füchse Berlin auch im Lipperland phasenweise eindrucksvoll unter Beweis, warum sie in dieser Saison zum engsten Kreis der Meisterschaftskandidaten zählen.

 

Die Stimme zum Spiel von Florian Kehrmann: „Der Erfolg ist verdient, die Füchse haben wirklich ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht. Wir hatten anfangs etwas Probleme mit unserer Deckungsleistung, kriegen dadurch sehr einfache Gegentore nach Einsgegen- eins-Situationen. Dann haben wir es geschafft, sie vor mehr Aufgaben zu stellen, so mussten sie sich jedes Tor erarbeiten, ähnlich wie wir. Zur Halbzeit sind wir voll im Spiel, die Halle ist da.

 

Und dann kommen wir leider nach der Pause nicht ins Spiel, verwerfen vorne gleich zwei freie Bälle und schaffen es hinten nicht, bis zum Ende zu decken. Und dann ist auch die Qualität von einem Mathias Gidsel herausragend. Dann haben wir es wieder im Sieben-gegen-sechs versucht, insgesamt war die Quote auch heute gut.

 

Aber: In den letzten 20 Minuten lassen wir einfach zu viele freie Bälle liegen, um wirklich eine Chance zu bekommen, das Spiel komplett zu drehen. Ich bin trotzdem sehr stolz. Die Halle hat uns nach dem Spiel gefeiert, trotz der Niederlage. Ich freue mich jetzt schon aufs letzte Heimspiel gegen Hamburg. Dann werden wir wieder diese Stimmung brauchen, und das Spiel dann hoffentlich in unsere Richtung drehen.“

 

TBV Lemgo Lippe: Zecher, Kastelic (13 Paraden); Hutecek (4), Theilinger (1), Zehnder (5/1), Brosch (1), Simak, Laerke (1), Schagen, Carstensen (1), Suton (5), Zerbe (2), Versteijnen, Houtepen, Petrovsky.

 

Füchse Berlin: Kireev, Milosavljev (16/2 Paraden); Darj, Tollbring, Andersson (7), Lichtlein (5), Lindberg (4/2), Gidsel (10), Freihöfer, Beneke, Av Teigum, Kopljar, Jacobs, Marsenic (6), Drux.

 

Pressemeldung: TBV