Was war das für ein Wahnsinns-Endspurt: Vor drei Tagen noch erkämpfte sich der TBV Lemgo Lippe gegen das favorisierte Spitzenteam HBC Nantes in der Phoenix Contact-Arena nach einem fast aussichtslosen Rückstand in den letzten Spielminuten ein Unentschieden. Nach dem Kracher in der European League reist am Sonntag nun der nächste Weltklasse-Klub ins Lipperland: Der in dieser Spielzeit alles überragende SC Magdeburg ist zu Gast (Anwurf 14 Uhr, auch ab 13.30 live zu sehen auf Sky Sport HD 2). „Ich glaube ich übertreibe nicht, wenn ich von einer unglaublich schweren Aufgabe spreche, die uns am Sonntag bevorsteht“, kennt Florian Kehrmann die Qualität des souveränen Spitzenreiters der Handball-Bundesliga.

 

Zu Recht geht der TBV-Trainer sogar noch weiter: „Sie sind dieses Jahr der klare Favorit auf die Meisterschaft.“ Auf die späte Bescherung am 2. Weihnachtsfeiertag im vergangenen Dezember hätten Magdeburg-Trainer Bennet Wiegert und sein Team trotzdem sicher gut verzichten können. Erstmals in dieser Spielzeit (wettkampfübergreifend) musste der SCM beide Punkte abtreten. Ein fast vergessenes Gefühl an der Elbe – denn über Wochen und Monate war dem Ostklub fast alles gelungen.

 

Die ärgerliche, aber dennoch verkraftbare Heimniederlage gegen Verfolger Flensburg blieb jedoch nur ein kleiner Schönheitsfehler auf einer ansonsten beeindruckenden Saisonbilanz zum Jahreswechsel: unangefochtener Spitzenreiter in der HBL, Erster in der Gruppenphase der EHF European League, Viertelfinalist im DHB-Pokal und bereits mit dem Gewinn der Vereins-Weltmeisterschaft gegen den FC Barcelona im Oktober bewies Magdeburg, dass es in dieser Saison zu den besten Teams in Europa gezählt werden darf.

 

Dass die erste Saisonniederlage daher nicht gleich auch einen Bruch im Magdeburger Spielfluss hinterlassen würde, konnte zwar vermutet werden, Bestätigung fand die Annahme aber erst nach den ersten Auftritten des Wiegert- Teams im Kalenderjahr 2022. „Auch die EM-Pause hat dem Lauf unserer kommenden Gäste keinen Abbruch getan. Sie dominieren auch weiterhin beeindruckend ihre Begegnungen“, hat Kehrmann beobachtet. Los ging es mit einem klaren Erfolg gegen GWD Minden im DHB-Pokalviertelfinale Anfang Februar – gleichbedeutend mit dem Einzug ins REWE Final4 im April. Nur drei Tage später schlug der SCM die Grünen aus Dankersen in der Bundesliga mit 28:19 in eigener Halle, gefolgt von einem 30:20 beim starken Aufsteiger TuS-N Lübbecke.

 

Auch das jüngste Spiel in der „stärksten Liga der Welt“ gegen Göppingen konnte man mehr als souverän mit 37:26 für sich entscheiden. Auffällig ist dabei nach wie vor, dass trotz einer so unglaublich großen Qualität im Kader kein Spieler heraussticht. Magdeburg spielt oft wie aus einem Guss und steckt auch bei hohen Führungen, oder aber auch Rückständen, bis zur letzten Sekunde nicht auf. Kein Wunder, dass der SCM seine Angriffe bei so viel Spielfreude nicht selten auch mal erfolgreich mit einem Kempa-Trick veredelt.

 

„Sie haben einen extrem ausgeglichenen und breiten Kader mit hoher individueller Qualität. Vor allem im Eins-gegen-Eins gelingt es ihnen immer wieder, ihre Stärken zur Geltung zu bringen, Lücken aufzureißen und dadurch einfach Abschlüsse aus sechs Metern zu bekommen“, so Kehrmann. Trotz seines gefährlichen Offensivspiels sieht der TBV-Coach die größte Stärke des nächsten Kontrahenten in der Abwehr: „Prunkstück der Magdeburger ist meiner Meinung nach trotzdem die Defensive. Sie sind sehr beweglich auf den Beinen, setzen den Gegner auch körperlich ununterbrochen unter Druck und kommen so häufig in ihr gefürchtetes Tempospiel.“

 

Diesem Druck gelte es standzuhalten. Mut für die Mammutaufgabe am Wochenende schöpft Kehrmann aus dem starken Auftritt seines Teams gegen Nantes unter der Woche. „Mit viel Kampf haben wir unter Beweis gestellt, dass wir gegen favorisierte Teams punkten können. Auch gegen Magdeburg werden wir uns nicht aufgeben“, zeigt sich der 44-Jährige durchaus selbstbewusst und voller Vorfreude. Um am Sonntag lange im Rennen um Punkte zu bleiben, müsse der TBV die Magdeburger im Angriff selbst vor Aufgaben stellen und – wie gegen Nantes – konsequent seine Torchancen nutzen.

 

Selbstverständlich wird es dabei einmal mehr auch auf die Unterstützung des großartigen Lemgoer Publikums ankommen. Das Schiedsrichtergespann für die Partie des 22. Spieltags bilden Simon Reich und Hanspeter Brodbeck. Anwurf in der Phoenix Contact-Arena ist um 14 Uhr. Leider konnten keine Karten in den freien Vorverkauf gegeben werden. Die maximale Zuschauerkapazität beträgt für diese Begegnung weiterhin 1.500 und ist durch Dauerkarteninhaber bereits komplett ausgeschöpft. Für Fans ohne Dauerkarte besteht die Möglichkeit, das Spiel ab 13:30 Uhr live auf Sky Sport 2 zu verfolgen.