Mit einem verdienten Auswärtspunkt im Gepäck begibt sich der TBV Lemgo Lippe auf die Rückreise aus Göppingen. Nachdem die Lipper gegen Frisch Auf! in Durchgang zwei mit zwischenzeitlich sechs Toren absetzen konnten, trennten sich beide Mannschaften am Ende eines nervenaufreibenden Schlussspurts mit 28:28 (15:17).
32 Tore nach 30 Minuten – Zieht man die ersten drei Minuten ab, in denen lediglich Göppings Janus Smarason traf, lieferten sich beide Teams in Durchgang eins ein regelrechtes Offensivspektakel. Dabei sah es auf Lemgoer Seite zunächst gar nicht danach aus: Aus dem Rückraum entwickelte der in Rot spielende TBV in den ersten Minuten zu wenig Gefahr, der Göppinger Mittelblock stand felsenfest. Zu der anfänglichen Ideenlosigkeit im Offensivspiel gesellten sich zunehmend auch Abspielfehler, die die erstmals in ungewohntem Blau auflaufenden Hausherren nach sieben Minuten mit Tempogegenstößen und einer 5:2-Führung davonziehen ließen.
TBV-Trainer Florian Kehrmann nahm postwendend eine Auszeit und ermahnte seine Mannen, unter anderem mehr Achtsamkeit in der Rückwärtsbewegung an den Tag zu legen und den Kopf einzuschalten. Nach der Ansprache präsentierte sich der TBV mit zunehmender Dauer wie ausgewechselt – wohl auch zur Überraschung der Gastgeber, die sich nach dem Sieg in Leipzig fest vorgenommen hatten, mit zwei Punkten nachzulegen. Doch die Lemgoer Abwehr stand fortan besser und hatte Göppingens Nemanja Zelenovic und auch das Kreisläuferanspiel gut im Griff.
Hatten sich zuvor nur Bobby Schagen und Bjarki Már Elísson über die Außen Platz verschaffen und ihre Abschlussqualität unter Beweis stellen können, so wurde es nach der Anfangsviertelstunde auch aus dem TBV-Rückraum gefährlicher. Seinen Anteil daran hatte vor allem Tim Suton, der mit einem Dreierpack die erste Drei-Tore-Führung zum zwischenzeitlichen 12:9 erzielte.
Weil auch Peter Johannesson nun mehr Bälle zu fassen bekam und der TBV zum Ende der ersten Halbzeit in Überzahl agierte, erhöhte Elísson drei Minuten vor Ende mit der ersten Fünf-Tore-Führung auf 16:11. TBV-Trainer Florian Kehrmann: „Leider gehen wir mit einer zu knappen Führung in die Halbzeit, weil wir noch zwei Tore herschenken.“ Gemeint waren die Treffer der Nationalspieler Marcel Schiller und Sebastian Heymann, die noch auf 17:15 verkürzten.
Aus der Pause kam der TBV mit enorm viel Wucht – und Tempo: Mit drei Treffern des zur Halbzeit eingewechselten Andreas Cederholm sowie jeweils Schagen und Elísson brachten ihre Farben nach 42 Minuten mit 23:17 in Front. Und viele der 468 Zuschauer in der EWS Arena dürften wohl bereits der Annahme gewesen sein, dass sich die Gäste in dieser Verfassung die Butter nicht mehr vom Brot nehmen lassen würden. Stattdessen folgte ein Bruch im TBV-Spiel.
Offensiv fehlte dem TBV fortan die Durchschlagskraft – und die zumindest gefühlt kurz vor dem Knockout stehenden Göppinger wussten das Abschlusspech und die Fehlerkette im Lemgoer Angriffsspiel nun konsequent zu bestrafen. Kehrmann: „Göppingen hat aggressiver und besser im Eins gegen Eins verteidigt, sodass wir nicht mehr in die Tiefe und auch nicht mehr rechtzeitig in die Abwehr kamen. In dieser Phase haben wir sie zu schnell wieder ins Spiel geholt“, analysierte Kehrmann die Schwächephase seiner Mannschaft im Nachgang auf der Pressekonferenz.
Dem 5:0-Lauf der Hausherren zum 23:22 folgten eine Zeitstrafe gegen Johannesson und ein Siebenmeter für Göppingen, den Marcel Schiller erneut verwandelte, 23:23 nach 50 Minuten. Bis zum Ende entwickelte sich ein wahres Drama, in dem sich keine der beiden Teams entscheidend absetzen konnte. Die Schwaben verließen sich in dieser Phase auf die Wurfgewalt ihres Nationalspielers Heymann, der mit acht Toren aus dem Spiel kaum zu stoppen war. Über den Kreis allerdings ließ der TBV an diesem Abend wenig zu. Nach 59 Minuten wuchtete Tim Suton zum 28:27. FAG-Linksaußen Schiller glich 20 Sekunden vor dem Ende abermals per Siebenmeter aus.
Acht Sekunden verblieben für einen Angriff. Florian Kehrmann nahm die letzte Auszeit, um seine Mannschaft auf diesen einzuschwören. Doch Göppingens Daniel Rebmann parierte den Unterarmwurf von Andreas Cederholm, sodass am Ende ein mitreißendes und am Ende leistungsgerechtes 28:28 auf der Anzeige stand. Kehrmann: „Ich bin trotzdem stolz auf meine Mannschaft, auch wenn sie jetzt vielleicht enttäuscht ist, nicht beide Punkte mitgenommen zu haben. Aber auf diese Leistung lässt sich aufbauen.“
TBV Lemgo Lippe: Johannesson, van den Beucken; Elísson (7/1), Kogut (1), I. Guardiola, Carlsbogård (6), Schagen (4), Timm, Suton (6), G. Guardiola, Cederholm (4).