Trotz schmerzhafter Ausfälle hat der TBV Lemgo Lippe gegen die HSG Nordhorn-Lingen einen Sahnetag erwischt und bejubelte am Ende einen deutlichen 36:29 (18:11)-Heimsieg, der über die gesamte Dauer des Spiels nie ernsthaft in Gefahr geriet. Bezeichnend für diesen Abend: Mit einer hohen Erfolgsquote legte der TBV eine bislang nie dagewesene Effizienz im Abschluss an den Tag. Bjarki Már Elísson (8 Tore) und Fynn Hangstein (7) trafen dabei am häufigsten ins Schwarze.
Not macht bekanntlich erfinderisch: 280 Tage nach seinem letzten Auftritt in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga hat Christoph Theuerkauf für den TBV Lemgo Lippe sein Comeback auf der Platte gegeben. Der Anlass war selbstverständlich kein erfreulicher: Durch die Langzeit-Ausfälle von Tim Suton, Jonathan Carlsbogård und Jari Lemke wurden die personellen Alternativen im Kader allmählich rar. Also reaktivierte TBV-Trainer Florian Kehrmann kurzerhand seinen langjährigen Kreisläufer. Ausgerechnet gegen jenen Gegner, gegen den Theuerkauf vor neun Monaten sein bis dato letztes Bundesligaspiel gemacht hatte. An diesem Abend war soeben die 9. Spielminute angebrochen, als „Theuer“ zu seinem 487. Bundesligaeinsatz kam – und nur wenige Minuten später Bundesligator Nummer 1381 erzielte.
Aber von vorn: Gerade mal eine Minute war gespielt, als Bjarki Már Elísson zwei Lemgoer Tempogegenstöße zur schnellen 2:0-Führung krönte. Vier Zeigerumdrehungen später sah sich HSG-Trainer Daniel Kubes bereits zur ersten Auszeit gezwungen. „Wir sind nicht gut ins Spiel gekommen, machen Fehler und werden bestraft“, musste HSG-Trainer Daniel Kubes im Nachhinein auf der Pressekonferenz konstatieren. Zu diesem Zeitpunkt waren die Lipper, die den Gästen in der 6:0-Deckung so gut wie keine Lücken boten, bereits auf fünf Tore davongezogen. Siebeneinhalb Minuten waren gespielt, als mit Philipp Volicek erstmals einer von insgesamt drei Ex-Lemgoern auf der Platte traf.
Als die Grafschafter in Person von Luca de Boer eine Zeitstrafe gegen sich sahen, meldete sich Christoph Theuerkauf als zweiter Kreisläufer nach 8 Minuten auch offiziell im Spiel an. Nur sechs Minuten später besorgte der 36-Jährige die erste Sechs-Tore-Führung an diesem Abend (12:6). Den Lohn der starken Anfangsviertelstunde ließ sich der TBV bis zur Halbzeitpause nicht mehr nehmen, im Gegenteil: Der aggressiv deckende TBV stellte die Grafschafter immer wieder vor hohe Aufgaben, sodass sich die Gäste nur selten gute Wurfpositionen erspielen konnten. Das Aluminium tat dann sein Übriges. „Das Spiel war so leider nach der ersten Halbzeit entschieden. Das ist hart, aber so läuft es in der Bundesliga“, sagte Kubes.
Anders der TBV: Selbst im Positionsangriff riss der TBV immer wieder Lücken, die er auszunutzen wusste. Dabei legten die Lipper eine hohe Effizienz an den Tag. 82 Prozent der Würfe fanden bis zur Pause ihren Weg ins Ziel. Spoiler: Diese Erfolgsquote sollte auch in Durchgang zwei nicht abebben. Mit einer komfortablen Sieben-Tore-Führung ging es schließlich in die Pause, die Kehrmann als wichtigen Anker für den weiteren Spielverlauf ansah.
Der zweite Durchgang startete zunächst ähnlich vielversprechend, als ein grandios aufspielender Fynn Hangstein abermals eine Lücke fand und mit einem präzisen Wurf den Torreigen eröffnete. 37 Minuten waren gespielt, als Gedeón Guardiola einen Lemgoer 3:0-Lauf zum 23:14 vollendete und die Anzeigetafeln in der Phoenix Contact- Arena erstmals einen Neun-Tore-Vorsprung zeigten. Dies geschah zu einem psychologisch wichtigen Zeitpunkt, denn zuvor hatten die Niedersachsen den Vorsprung um drei Tore schmelzen lassen. „Da war das Spiel entschieden“, wusste auch Kehrmann. Und Theuerkauf? Ihn hielt es nur selten auf dem Sitz. Er dirigierte, motivierte und bejubelte jeden weiteren Treffer seiner Teamkollegen ausgiebig.
Zehn Minuten vor dem Ende lagen die Hausherren weiter uneinholbar mit acht Toren vorn. Denn der TBV blieb vor dem Tor von HSG-Keeper Björn Buhrmese fast beängstigend effizient. „Wenn man heute etwas Negatives finden will, dann, dass wir in den letzten zehn Minuten in der Abwehr etwas nachgelassen haben“, so Kehrmann, der dafür aber auch sofort einen Grund parat hatte: Denn bis zum Schluss-Buzzer ließ er in Abwehr und Angriff fleißig durchrotieren, sodass jeder Feldspieler an diesem Abend Einsatzzeiten verzeichnen durfte. So feierte unter anderem Niko Blaauw sein
Bundesligadebüt.
Alles in allem hat der TBV auf das Stimmungstief durch die schwere Verletzung von Tim Suton eine formidable Antwort gefunden – fand auch Kehrmann: „Wir hatten nach dem Magdeburg-Spiel vier intensive Tage. Die Mannschaft war nach dem Spiel wirklich down, weil sie mit Tim sehr gelitten hat. Aber wir haben uns darauf besonnen, noch mehr zusammenzustehen. Die Mannschaft hat es heute geschafft, die von mir geforderten fünf Prozent mehr draufzupacken. Jetzt freuen wir uns auf ein heißes Derby in Minden.“
TBV Lemgo Lippe: Johannesson; Elísson (8), Kogut, I. Guardiola (1), Theuerkauf (1), Schagen (2), Timm (2), Hangstein (7), Zerbe (5/2), G. Guardiola (3), Cederholm (4), Blaauw, Geis, Baijens (3).