Nachhaltigkeit und maritimer Rennsport – das passt bisher kaum zusammen. Die schnellen Rennboote sind – um möglichst leicht zu sein – meist aus schwer abbaubaren oder schlecht zu recycleten GFK- oder CFK-Verbundwerkstoffen. Dass es auch anders geht zeigt das Projekt „Formula Sailing“. Mehrere deutsche Hochschulen beteiligen sich am internationalen „1001VealCup“.
Hier treten Studierende aus ganz Europa in der Disziplin „extrem schnell Segeln“ in einer Abschlussregatta in Italien gegeneinander an. Ihre Boote sind selbst entwickelt, berechnet und gebaut. Dabei müssen die 4,6 Meter langen „Skiffs“ aus mindestens 75 Prozent nachwachsenden oder recycelten Rohstoffen bestehen. Das Rennboot der TH OWL hat auf dem Steinhuder Meer bereits seine Seetauglichkeit bewiesen.
Das seit 2019 existierende Team „Formula Sailing“ an der TH OWL hat sich dazu den Werkstoff Holz ausgesucht. Sind oder waren doch die meisten der Teammitglieder Studierende des Bachelorstudiengangs Holztechnik, aber auch des Masterstudiengangs Production Engineering and Management und des Maschinenbaus. Justus Doerfert, der gerade an seiner Masterarbeit schreibt, erinnert sich: „Ich war gerade erst ein paar Wochen an der TH OWL, als ich mit Professor Riegel in seinem Büro die Idee diskutierte, fachbereichsübergreifend und interdisziplinär ein Segelboot zu bauen.
Ich glaube, ich war damals von der Idee begeisterter als er selbst.“ Heute sind beide stolz auf das Ergebnis, auch wenn es nicht immer einfach war. „Ich habe im Freundeskreis und in meiner WG für das Projekt geworben. Aber es hat gedauert, bis wir das Team beisammenhatten“, so Doerfert. „Es macht einfach Spaß, das im Studium gelernte in so einem Projekt anzuwenden und was zu bauen, was man später selber testen kann. Engineering mit Fun-Faktor!“.
Das unter Coronabedingungen im August 2020 fertiggestellte Boot realisiert fast alle modernen Features des Hochleistungssegelsports aus Holz; Beschläge wurden teilweise auch digital gedruckt. Auf das Rigg sind die Lemgoer besonders stolz, kombiniert es doch einen speziell biegbaren Holzmast mit einem Doppel-Großsegel wie es beispielsweise derzeit nur bei den Americas-Cupern gefahren wird, der Königsklasse im Segelrennsport. Mit einem kleinen Seilzuggetriebe kann der Flügel sogar automatisch asymmetrisch getrimmt werden, je nachdem auf welchem Kurs man fährt. Das ist ein Feature, das in den Fahrtensport herunterskaliert werden könnte.
Schon unmittelbar nach der Fertigstellung wollte das Team um Professor Dr. Ing. Adrian Riegel sein „Werk“ auf der „boot“ in Düsseldorf einem breiten Messepublikum vorstellen. Zeigt es doch, was auch im Breitensport vielleicht möglich ist. Aber Corona machte den Studierenden einen Strich durch die Rechnung. Nach zwei Anläufen ist es in diesem Jahr so weit. In Halle 15 auf Stand D59 kann das Ergebnis von über 100 am Projekt teilnehmenden Studierenden bestaunt werden.
Auf dem von Lemgo aus organsierten Gemeinschaftsstand präsentieren sich neben dem Formula Sailing TH OWL-Team auch die Teams der Hochschulen aus Kiel, Karlsruhe, Münster und das neue Sail.Ing OWL Team, das vom Verein Deutscher Ingenieure in OWL initiiert wurde und gemanagt wird. Auch hier sind die Lemgoer Holztechniker wieder mit dabei. Sie wollen mit einer unorthodoxen Klinker-Methode dem Rumpf eines Retro-Klassikers – nicht das Fliegen – aber zumindest das Gleiten auf Schaum beibringen.
Auch hier wird Justus Doerfert wieder mit dabei sein. „Er macht beim VDI-Boot die Beplankung, und die wird durch die besondere Klinker-Technik ungewöhnlich und anspruchsvoll“, sagt Professor Riegel. Die Klinkertechnik sei ein UNESCO-Kulturerbe aus Skandinavien. „Wir haben diese Technik adaptiert, aber die Schuppung wird andersherum liegen. So machen wir das Boot schneller“, so Riegel zum neu geplanten Rennboot.
Ein bisschen fliegt es dann doch. Eines der Teams der FH Bielefeld wird versuchen mit einem T-Foil-Rudder, wie es beim Bootstyp der International 14ern – quasi der Mutter aller Jollen-Innovationen – bekannt ist, das Heck anzuheben. Da der Flügel unter Wasser arbeitet, wird die Anmutung eines Retro-Klassikers nicht gestört. Das erste was einem gelernten Bootsbauer zu all dem einfiel, das soll jetzt der Name dieser neuen Wettbewerbsjolle aus OWL sein: „Heresy“ zu Deutsch „Ketzerei“. Man darf doch wohl mal anders denken, um die schönste (aber zweckfreie) Fortbewegungsart an sich weiter zu bringen ….
Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Vorerst wird das fertige 2020er Boot gewienert und für die „boot“ hergerichtet. „Unser Stand ist mit zwölf mal sechs Metern recht stattlich, die Messe sponsert ihn. Ab dem 21. Januar sind dann unsere Innovationen für jeden sichtbar“, so Riegel.
Pressemeldung: TH OWL