Spätestens wenn in der „Origo Höllin“ die Hymne erklingt, ist Gänsehaut angesagt: Nach zehn Jahren kehrt der TBV Lemgo Lippe am Dienstagabend (Anwurf 20.45 Uhr, im EHF-Live-Ticker) in Reykjavik zurück auf die internationale Bühne. Im Hinspiel bei Gastgeber Valur Iceland geht es für die Lipper darum, den Grundstein für den Einzug in die EHF European League zu legen: „Wichtig wird sein, die Aufgabe sportlich sehr seriös anzugehen, die Rolle als Favorit anzunehmen, trotzdem aber gewappnet zu sein“, sagt TBV-Trainer Florian Kehrmann vor dem Duell mit dem isländischen Rekordmeister und zehnfachen Pokalsieger, für das ihm aller Voraussicht nach dasselbe Aufgebot wie gegen Leipzig zur Verfügung stehen wird.

 

Auch wenn der TBV bei der Auslosung der Quali-Runde ein schwierigeres Los hätte ziehen können: Unterschätzen wird die Isländer auf Seiten des TBV niemand. „Valur hat eine junge und technisch sehr gut ausgebildete Mannschaft, die aus der Abwehr heraus sehr viel Tempo macht. In der Abwehr verteidigen sie sehr aggressiv, mal ein bisschen kompakter, mal aber auch sehr offensiv“, stellt sich Kehrmann bei seinem Europa-Debüt als Cheftrainer auf eine Mannschaft ein, die viele der isländischen Tugenden wie Kampf und Leidenschaft aufweise und mit ins Spiel bringen werde.

 

Für Valur ist es im Übrigen nicht die erste Bewährungsprobe für diesen Wettbewerb: In der ersten Quali-Runde siegten die Isländer Anfang September jeweils in Hin- und Rückspiel gegen den kroatischen Klub RK Porec. Beim EHF Challenge Cup vor mehr als einem Jahr erreichte die Mannschaft von Snorri Steinn Gudjonsson das Viertelfinale, das infolge der Corona-Pandemie allerdings nicht mehr ausgetragen wurde. Gudjonsson ist in Deutschland kein gänzlich Unbekannter: Der heute 39-Jährige war als Spieler fünf Jahre in der Bundesliga aktiv, darunter auch zwei Jahre für OWL-Nachbar GWD Minden. In der Saison 2017/18 ließ er seine aktive Karriere als spielender Trainer bei seinem Heimatverein ausklingen, den er nun im fünften Jahr coacht.

 

Nach dem nationalen Double-Gewinn im Jahr 2017 führte Gudjonsson Valur im Juni zur 23. Meisterschaft – und feierte wie Kehrmann in diesem Jahr seinen ersten Titel als Cheftrainer. Bekanntester Spieler der Isländer ist sicherlich Torhüter Björgvinn Páll Gústavsson, der unter anderem lange Jahre für den SC Magdeburg und den Bergischen HC im deutschen Handball-Oberhaus aktiv war. Als Keeper der Kadetten Schaffhausen machte er im Jahr 2010 eine schmerzhafte Erfahrung mit dem TBV, als sich die Lemgoer den EHF-Pokal sicherten.

 

Zurück in die Gegenwart: Der TBV-Tross brach am Montagmorgen mit dem Bus in Richtung Flughafen Frankfurt auf, um von dort aus die Maschine in Richtung Reykjavik zu nehmen. Bis zum Anwurf am Dienstagabend gilt es für die Lipper, die Reisestrapazen samt zweistündiger Zeitverschiebung abzuschütteln, „eine gute Leistung zu bringen und uns auch an das internationale Niveau zu gewöhnen, gerade auch was die Auslegung von Schiedsrichterentscheidungen angeht“, blickt Kehrmann auf das Duell in der Origo Höllin voraus.

 

Der Name der rund 1300 Zuschauer fassenden Heimspielstätte impliziert übrigens keine Reisewarnung: „Höllin“ bedeutet vielmehr schlicht und einfach Halle oder Palast. Ohnehin herrscht im lippischen Lager nichts als Vorfreude: „Für uns gilt es, das Abenteuer Europa zu genießen und sehr positiv anzugehen“, spricht Kehrmann stellvertretend für sein Team und weiß ganz genau: „Es wäre ein ganz tolles Statement, wenn der TBV Lemgo Lippe nach all den Jahren wieder europaweit vertreten ist und angreifen kann.“