Archäologische Untersuchungen in einem hoch- und spätmittelalterlichen Dynastensitz bei Berlebeck, von Dr. Johannes Müller-Kissing.
Die um 1190 durch die Edelherren zur Lippe errichtete Falkenburg ist eine der Keimzellen des Landes Lippe. Auf dem Höhenzug des Teutoburger Waldes gelegen, war die Burg nicht nur der Verwaltungssitz der umliegenden Ländereien, sondern auch einer der überregionalen Dynastensitze, von denen aus die Edelherren ihr Territorium verwalteten und weiter ausbauten.
Als Sitz der Herrschaft in Lippe wurde sie von Bernhard II. zur Lippe und seinem Sohn Hermann II. gebaut. Errichtet auf dem 369 m hohen Falkenberg, war sie nahezu uneinnehmbar. Erfolglos belagert, brach 1453 bei den Vorbereitungen zu einem Fest in der Küche ein Feuer aus, durch das die Burg stark beschädigt wurde. Anfang des 16. Jahrhunderts wurde sie schließlich ganz verlassen und dem Verfall preisgegeben. Die Falkenburg war lange eine unscheinbare Ruine, das Ziel sonntäglicher Familienausflüge und Wandertage.
Niemand hätte gedacht, dass sich unter der Erde eine so eindrucksvolle und gewaltige Burganlage versteckt. Von 2004 bis 2018 wurden die Mauern der Burg, der ältesten Landesburg der Edelherren zur Lippe im Gebiet des heutigen Kreises Lippe, freigelegt und gesichert. Die eindrucksvollen Überreste der Burganlage können inzwischen von jedermann besichtigt werden. Die durchgeführten Sanierungen auf der Ruine gingen Hand in Hand mit einer groß angelegten archäologischen Untersuchung, zu dieser Zeit eine der größten Ausgrabungen in Deutschland.
Im Rahmen des Projekts führte die Bodendenkmalpflege des Lippischen Landesmuseums in enger Kooperation mit der LWL Archäologie für Westfalen, Referat für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie, und den Eigentümern Dr. Armin und Stephan Prinz zur Lippe, die Freilegung der Burg durch und dokumentierte die Funde, mit denen die über 330jährige Baugeschichte der Burg, von ihrer Gründung in den 1190er Jahren bis zu ihrer Auflassung im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, nachvollzogen werden konnte. Dabei wurden nicht nur imposante repräsentative Gebäude wie der Bergfried und der Palas oder auch die Vorburg, das wirtschaftliche Herz der Burg, untersucht, sondern mit den Umbauten des 15. Jahrhunderts auch die ältesten Feuerwaffenbefestigungen in Westfalen-Lippe.
Funde aus allen Nutzungsphasen der Burg geben zudem Einblicke in die Lebenswelt der Burgbewohner und deren Wandel im Lauf der Jahrhunderte. Eindrucksvolle goldverzierte Beschläge für Pferdegeschirr stehen dabei einfachen Spielzeugen aus Keramik und Knochen gegenüber. Zusammen mit Schreibgriffeln, Waffen, Gebrauchtkeramik und seltenen Importen syrischer Keramik geben die Funde einen umfassenden Überblick über die materielle Kultur der Menschen des Mittelalters, egal ob (Hoch-)adeliger oder Knecht. Das im Nünnerich-Asmus Verlag & Media erschienene Werk gibt auf 672 Seiten mit 169 Abbildungen, 72 Tafeln, 60 Schnitt- und 98 Profilzeichnungen, faszinierende Einblicke in die Lebenswelt der Burgbewohner und deren Wandel im Lauf der Jahrhunderte.
Johannes Müller-Kissing, Dr., Studium der Ur- und Frühgeschichte und Geschichtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Ab 2012 verschiedene Projektstellen in der Bodendenkmalpflege des Landesverbandes Lippe/Lippisches Landesmuseum Detmold und bei der LWL-Archäologie für Westfalen. Seit 2021 Stadtarchäologe von Essen und Lehrtätigkeit an der Christian-Albrechts Universität zu Kiel. Forschungsschwerpunkte Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, besonders Fortifikation und Industriearchäologie. Die Falkenburg – Archäologische Untersuchungen in einem hoch- und spätmittelalterlichen Dynastensitz bei Berlebeck. ISBN 978-3-96176-195-1, Seiten 672, Illustrationen 399, Preis 50,00 €.