Nach 19 Jahren kommt der DHB-Pokal zurück ins Lipperland! Eine bärenstarke Abwehr und ein glänzend aufgelegter Finn Zecher ebnen nach dem Seitenwechsel den Weg zum eindrucksvollen 28:24 (15:12) gegen die MT Melsungen. Nach der Schlusssirene brachen in der Barclaycard Arena von Hamburg alle Dämme, Freudentränen flossen – es war der Beginn einer einzigen Jubelarie in Blau-Weiß. Zum vierten Mal in seiner Vereinsgeschichte hat sich der TBV damit zum DHB-Pokalsieger gekrönt – und spielt damit in der nächsten Saison international. Ein denkwürdiger Tag!

 

Zum Spiel: Gegenüber der gestrigen Halbfinal-Sensation gegen Kiel ließ Florian Kehrmann diesmal Lukas Zerbe und Andreas Cederholm von Beginn an ran. Vor dem Anwurf hatte Lemgos Coach angekündigt, der wurfgewaltigen Rückraumachse um Julius Kühn und Kai Häfner im Verbund die Stirn bieten und ihnen den Anlauf nehmen zu müssen. Das gelang in der Anfangsphase nicht immer. Die erste MT-Führung durch Reichmann glich erst Christoph Theuerkauf aus, ehe die etwas vorgeschobene Lemgoer Deckung den ersten Fehler erzwang und Andrej Kogut auf der Gegenseite nach vier Minuten zum 2:1 wuchtete.

 

Wieder Kogut stellte per Schlagwurf auf 4:3, ehe Jonathan Carlsbogård in der 10. Minute die erste Zwei-Tore-Führung erzielte. Nachdem Gedeón Guardiola zunächst einen Kühn-Hammer blocken konnte, landete der Abpraller bei Melsungens Felix Danner, der verkürzte. Sensationell, wie Cederholm nach dem 5:5 den Gegenstoß von Häfner fair zu stoppen wusste. Allgemein war der wendige und antrittsstarke Schwede im Angriffsspiel ein Aktivposten, versuchte in der extrem physischen MT-Abwehr immer wieder Lücken zu reißen.

 

Nachdem Carlsbogård verworfen hatte, krönte Reichmann den 4:0-Lauf der Hessen, die erstmals in ihrer Vereinsgeschichte ein Pokalfinale bestritten. „Wir haben es anfangs nicht ganz so gut geschafft, die Dynamik von Kai Häfner und Julius Kühn zu verteidigen. Dann kriegen wir ein paar Tore, dann schaffen wir es über eine noch bessere Abwehr und technscihe Fehler von Melsungen ins Spiel gekommen.

 

Als Kühn ungehindert einwuchten durfte, Cederholm nach toller Bewegung knapp verfehlte und Domajoj Pavlovic zum 6:9 traf, musste sich die Lemgoer Deckung den Vorwurf der Passivität gefallen lassen. Doch dieser währte nur kurz. Finn Zecher kam für Peter Johannesson – und in der 20. Minute legte der 20-Jährige mit der ersten Torwartparade im ganzen Spiel den Grundstein dafür, dass sich der TBV wieder herankämpfen konnte. Gedeón Guardiola nutzte einen Ballverlust von Kühn, schicke seinen Zwillingsbruder Isaias auf die Reise, der auf 10:11 verkürzte.

 

Im Gegenzug hielt wieder Zecher, dann fand Cederholm die Lücke im Melsunger Abwehrverbund und traf zum Ausgleich (25.) Jetzt waren die Lipper im Flow: Frederik Simak krönte den 5:1-Lauf, dann parierte Zecher gegen Häfner, woraufhin Carlsbogård das Spielgerät im Gegenzug ins rechtere obere Eck zum 14:12 wuchtete. Einen erneuten Ballverluste vollendete Zerbe nach starkem Cederholm-Zuspiel zur 15:12-Halbzeitführung. „Ich musste die Jungs erst einmal alle ruhig halten, damit sie nicht völlig überdrehen“, sagte Kehrmann im Nachgang auf der virtuellen Pressekonferenz.

 

Das gelang: Trotz etwas zähen Beginns blieb die Lemgoer Abwehr standhaft, ehe ein Fehler der MT im ersten Strafwurf für die Lipper mündete: Elísson übertrug seine Nervenstärke aus dem Kiel-Spiel und verwandelte auch diesen Siebenmeter – 16:12. Die anschließende Überzahl – Simak sah wegen Trikotzupfens zwei Minuten – nutzte Melsungen, um zu verkürzen. Wichtig, als Zecher Kühns Anschlusstreffer vereitelte.

 

Theuerkauf dankte es ihm mit seinem Tor zum 18:15. Als Gedeón Guardiola Maßarbeit leistete und ins verwaiste Tor der in Unterzahl spielenden Melsunger traf, war Lemgo wieder auf vier Tore davon. „Was wir dann in der Abwehr an Beton angerührt haben, war unglaublich. Das war eine Leistung, wie man sich das als Trainer vorstellt“, beschrieb Kehrmann die vorentscheidende Phase, als Melsungen nach einer Dreiviertelstunde mit der Umstellung aufs 7:6 All-In ging.

 

Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde die stets gut verdichtende TBV-Abwehr zum Bollwerk. Als Melsungens Arnar Freyr Arnarsson eine Zeitstrafe gegen sich sah, bauten Theuerkauf und Elísson die Führung auf sechs Tore aus. Von da an ging es hin und her – doch die leidenschaftlich aufspielenden Lipper gaben diesen Vorsprung nicht mehr aus der Hand. Lemgo konterte jeden Melsunger Treffer.

 

Und dann war da noch Zecher, der beim Stand von 26:21 (57.) den Wurf von Tobias Reichmann mit der Hüfte ins Toraus bugsierte. Seine elfte Parade in 40 Minuten. Kehrmann: „Oft ist das ja so, wenn gute Jungs mit einer guten Qualität ins kalte Wasser geworfen werden, dann bringen die auch gute Leistungen. Das war heute ein ganz wichtiger Punkt. Insgesamt haben Spieler, die gestern noch keine oder wenig Einsatzzeit hatten, einfach funktioniert. Das war vielleicht unser Plus.“

 

Damit gemeint war auch ein bärenstarker Zerbe. Als dieser wenig später auch seinen fünften Wurf ins Gehäuse schweißte, war die Messe beim 27:21 endgültig gelesen – und nicht nur auf der Bank sehnte man die Schlusssirene herbei. Kurz darauf war ein weiteres, lang ersehntes Erfolgskapitel in der Lemgoer Vereinsgeschichte perfekt. Kehrmann: „Ich bin mega stolz auf den gesamten Verein, der an beiden Tagen unheimlich viel geleistet hat für die Jungs – und da spreche ich nicht nur von der medizinischen Abteilung, sondern von der ganzen Geschäftsstelle, allen Menschen drumherum und natürlich auch von den Fans, die uns hier unterstützt haben.“

 

Nachdem ausgelassen feiernde Lipper die Trophäe mehrmals gen Hallendach gestemmt hatten, wurden im Anschluss noch Finn Zecher („‘Piet‘ und ich sind das Gespann des Turniers“) und Jonathan Carlsbogård, dem summiert acht Tore und neun Assists gelangen, zum besten Torhüter respektive zum besten Spieler des REWE Final4 gekürt.

 

TBV Lemgo Lippe: Johannesson, Zecher (11 Paraden); Elísson (4/1), Kogut (2), I. Guardiola (2), Simak (2), Carlsbogård (5), Theuerkauf (3), Schagen, Timm, Hangstein, Zerbe (5), G. Guardiola (2), Cederholm (2), Reimann, Baijens (1).