Testfahrt im Windkanal mit dem mobilen Echtzeit-Aerometer für die optimale Sitzposition je nach Luftwiderstand. Foto: Dipl.-Ing. Volker Buchholz, TH OWL.

Mit etwas zeitlichem Verzug professionalisiert sich auch der Hobbysport, besonders der Radsport. Längst trainieren ambitionierte Freizeitfahrerinnen und -fahrer nach Herzfrequenz. Am Lenker befindet sich ein Rad-Computer mit GPS und im Antrieb wird die aktuelle Leistung gemessen, die in Echtzeit im Display des Rad-Computers angezeigt wird. Daheim wird die Trainingsfahrt mit professioneller Software ausgewertet. Grundsätzlich wie bei den Profis.

 

Für hohe Geschwindigkeiten ist die Aerodynamik der entscheidende Faktor. Mit anderen Worten: Ein Fahrzeug im Luftstrom muss „windschnittige“ und glatte Außenkonturen aufweisen. So kann etwa bei einem aerodynamisch optimierten System „Rennrad plus Fahrer“ die Beinmuskulatur Kraft bzw. Leistung sparen. Jedes Watt zählt. Der Gewinn ist enorm, da die benötigte Leistung mit der Geschwindigkeit steigt. Bei einer Verdoppelung der Geschwindigkeit steigt der Leistungsbedarf um das Achtfache. Der gesamte Luftwiderstand teilt sich bei diesem System auf 20 % für das Rennrad und 80% für die Fahrerin oder den Fahrer auf.

 

Somit liegt das größte Optimierungspotential bei der Sitzposition der fahrenden Person. Während die Profis aus den Bereichen Rennrad und Triathlon ihre Sitzpositionen im Windkanal „feinabstimmen“, gehen hier die Hobbyfahrerinnen und -fahrer leer aus. Eine Stunde im Windkanal kostet etwa 350 Euro. Doch die Entwicklung eines mobilen Echtzeit-Aerometers wird hier Abhilfe schaffen: Es misst den Luftwiderstand, also den Cw-Wert, während der Fahrt.

 

Markus Filippi und Guido Langner, zwei junge Ingenieure des Fachbereichs Maschinenbau und Mechatronik an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) in Lemgo, waren maßgeblich bei diesem Forschungsprojekt involviert. Sie haben ein mobiles System entwickelt, welches die Windgeschwindigkeit misst, die effektiv auf die fahrende Person trifft, ebenso die Windrichtung. Entstanden ist ein kleines graues abgerundetes Kästchen vor dem Lenker, aus dem zwei Messröhrchen (Pitot-Rohre) ragen. Die Lemgoer „Aero-Ingenieure“ führten am Computer Strömungssimulationen durch, prüften die Erkenntnisse aber auch praktisch im Windkanal des Labors Fluiddynamik an der TH OWL in Lemgo.

 

„Die Werte von Windgeschwindigkeit und -richtung werden mit Temperatur, barometrischem Druck, Luftdichte, Steigung, Beschleunigung und Rollwiderstand verrechnet. Folgend sieht die fahrende Person im Display nun ihren Luftwiderstand in Echtzeit und kann ihre Sitzposition auf dem Rennrad hinsichtlich der Aerodynamik optimieren“, erklärt Professor Georg Heinrich Klepp von der TH OWL, der das Projekt geleitet hat.

 

Initiator dieses Forschungsprojekts war Sebastian Schluricke, erfolgreicher Triathlet und ehemaliger Entwicklungsingenieur für Windkraftanlagen. In seiner eigenen Firma Aerotune GmbH in Flensburg hat er sein Hobby zum Beruf gemacht: Hier erfolgten erste Entwicklungsansätze für das Echtzeit-Aerometer, dann die Entwicklung der Berechnungssoftware für den Luftwiderstand und abschließend eine onlinebasierte Software zur Auswertung der Daten. Der erste große Praxistest fand mit allen Beteiligten im GST-Windkanal in Friedrichshafen statt.

 

Dort wurde das Aerometer am Rennrad mitsamt Fahrer in Betrieb genommen und die Messgenauigkeit validiert. Zwei Tage lang wurden Messpunkte angefahren. Dabei wurde der Testfahrer mit 45 km/h angeströmt. Das ist die Bezugsgeschwindigkeit von Triathleten und Zeitfahrenden. Am Ende des Mess-Marathons waren alle Beteiligten zufrieden. Das Ziel wurde erreicht. Mittelfristig können Hobbysportlerinnen und -sportler das Aerometer für einen dreistelligen Eurobetrag erwerben.

 

Dieses vom Innovationsnetzwerk „Intellus – Intelligente Unterstützungssysteme“ geförderte Projekt zeigt aber auch die Vielseitigkeit der Maschinenbau-Branche. Anders formuliert: „Maschinenbau ist mehr als nur Maschinen bauen. Fächer wie Fluiddynamik, also Strömungslehre, Messtechnik oder Leichtfahrzeuge deuten diese Vielseitigkeit an. Für junge Menschen, deren Lieblingsfächer Mathe und Physik sind, ist ein Maschinenbau-Studium an der TH OWL in Lemgo eine sehr gute Wahl. Und ein weiterer Aspekt: Das Klima retten wir mit Ingenieurswissen, nicht in Diskussionsrunden“, so Professor Klepp.

 

Bewerbungen für den zulassungsfreien Bachelor-Studiengang Maschinenbau sind ab dem 15. April 2022 über das Online-Bewerbungsportal der TH OWL möglich. Alle Informationen unter: www.th-owl.de/studium/angebote/studiengaenge/detail/maschinenbau-bachelor/.