Eine am Versorgungsbedarf orientierte Gesundheitspolitik – das fordert der Vorstand der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) im Vorfeld der anstehenden Landtagswahl von der zukünftigen Regierung in Nordrhein-Westfalen. ÄKWL-Präsident Dr. Hans-Albert Gehle: „Nicht versprechen, sondern handeln. Das muss unabhängig von den künftigen politischen Konstellationen gelten, wer auch immer die nächste Regierung stellt. Darauf haben die Patienten im Land, die Ärzteschaft und die medizinischen Fachberufe ein Anrecht.“
Der neue Düsseldorfer Landtag und vor allem der nächste Gesundheitsminister oder die nächste Gesundheitsministerin bestimmten den Kurs, den das Land in der Gesundheitspolitik und der Gestaltung der Patientenversorgung in den nächsten fünf Jahren einschlage, so Gehle. „Ein Kurs, der Auswirkungen auf die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten und medizinischem Personal in Klinik und Praxis hat.“ In den zurückliegenden fünf Jahren habe das Land Nordrhein-Westfalen in vielen Bereichen gesundheitspolitische Akzente setzen können, aber nach wie vor sei die gesundheitspolitische Agenda in NRW lang.
Gehle spricht sich im Namen des ÄKWL-Vorstandes für eine regionale bedarfsgerechte Versorgung aus, „die ambulant und stationär verzahnt“. Die ambulante Bedarfs- und die stationäre Krankenhausplanung sollen nach Ansicht der ÄKWL zu einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung weiterentwickelt werden. Versorgungsbrüche an den Sektorengrenzen müssten überwunden werden. Die Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung erfordere regionale, wohnortnahe und sektorenübergreifende Kooperationen.
Zu dem Thema Krankenhausplanung sagt Gehle: „„Die amtierende Landesregierung mit Gesundheitsminister Laumann verweist auf eine finanzielle Förderung der Krankenhäuser in bislang nicht dagewesener Höhe – notwendige Investitionen, die den Kliniken jahrzehntelang vorenthalten wurden. Die neue Krankenhausplanung kann nur dann nachhaltig erfolgreich sein, wenn die Investitionsmittel nicht nur einmalig erhöht werden, sondern dauerhaft das erforderliche Niveau erreichen.“ Außerdem müsse Nordrhein-Westfalen sich auf Bundesebene für die längst überfällige Reform der Krankenhausvergütung einsetzen. „Andernfalls werden alle Bemühungen des Landes um eine bessere Struktur der Krankenhausversorgung auch weiterhin durch die massiven Fehlanreize des DRG-Systems konterkariert.“
In Bezug auf den Ärztemangel stellt der ÄKWL-Präsident fest: „Ein reiches Land wie unseres muss sich eine bedarfsgerechte Anzahl von Medizin-Studienplätzen leisten können, um nicht Ärztinnen und Ärzte aus anderen Ländern abziehen zu müssen, damit hier in Westfalen-Lippe Versorgungslücken geschlossen werden können. Um genügend medizinischen Nachwuchs zu generieren, ist es nötig, die nach der Wiedervereinigung gestrichenen Medizinstudienplätze neu einzurichten. Die Erhöhung der Studienplätze in Bielefeld und Witten durch die jetzige Landesregierung kann nur ein erster, wenn auch richtiger und wichtiger Schritt gewesen sein.“
Die vergangenen zwei Jahre im Zeichen des Corona-Virus hätten laut Gehle gezeigt, dass das Land dringend „pandemie-feste Strukturen“ benötige. So bleibe etwa der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) auf absehbare Zeit ein Gebiet mit dringendem Förderbedarf. Der ÖGD müsse wieder zu einem attraktiven Arbeitsplatz für Ärztinnen und Ärzte werden. „Für den nächsten Winter und kommende Pandemien müssen wir besser gerüstet sein“, sagt der Kammerpräsident. Dazu gehöre auch als Konsequenz aus der Corona-Pandemie, künftig ein besonderes Gewicht auf ausreichende Reservekapazitäten für den Infektionsschutz nicht nur in der Intensivmedizin zu legen. „Zelte an Krankenhaus und Praxiseingängen sind dauerhaft ein No-Go.“ Konzepte hierzu habe die ÄKWL in der Vergangenheit bereits gemacht und der Politik vorgeschlagen.
Es sei positiv, so Gehle abschließend, dass die Ärztekammer in der vergangenen Legislaturperiode in Nordrhein-Westfalen von den politisch Verantwortlichen verstärkt gehört und wahrgenommen wurde, und dies nicht nur in Fragen der Corona-Pandemie. Besonders bei der neuen Krankenhausplanung sei der ärztliche Sachverstand der Ärztekammern durch die Landesregierung ausdrücklich eingefordert worden. „Wir wünschen uns, dass auch die neue Landesregierung den Dialog mit der Ärzteschaft fortsetzt. Wir sind dazu sehr gerne bereit.“