Die Anforderungen an Verkehr und Mobilität werden nicht nur in Lippe immer komplexer. Auslöser dafür sind Impulse wie die zunehmende Digitalisierung, der demographische Wandel, das Vorhandensein begrenzter Ressourcen, aber auch der Klima- und Umweltschutz. Die Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold (IHK Lippe) hat zusammen mit der lippischen Wirtschaft einen Leitfaden Mobilität erarbeitet. Das Papier mit dem Titel „Clever unterwegs“ bietet Ansätze dafür, wie ein leistungsfähiges Verkehrssystem in den 16 Städten und Gemeinden in Zukunft aussehen und gelebt werden soll. Ein zentrales Problem sehen die Verfasser darin, dass ein wachsendes Mobilitätsbedürfnis von Wirtschaft und Bevölkerung in Lippe einem begrenzten Infrastruktur- und Mobilitätsangebot gegenübersteht.
„Für viele Personen und Wege ist in Lippe das Auto immer noch das schnellste Verkehrsmittel und zumeist erste Wahl. Individualverkehr hat eine bedeutende Rolle in unserer Region und bedarf zukunftsfester Alternativangebote“, so IHK-Präsident Volker Steinbach. Gerade bei Arbeitnehmenden sei der eigene PKW auch deshalb so beliebt, weil oftmals Alternativen fehlten. So ergab eine Mobilitätsbefragung der IHK Lippe im Herbst 2021, dass 70,5 Prozent der Belegschaft lippischer Unternehmen mit dem Kfz zur Arbeit fahren. Konsequenz: Die Straßeninfrastruktur ist zu den Stoßzeiten häufig überlastet.
Dazu kommen Nutzungskonflikte zwischen dem motorisierten Individualverkehr sowie dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und dem Rad. Da muss man ran, findet die IHK. Einen Lösungsweg sieht die Wirtschaft darin, das Rad- und Fußwegenetz auszubauen und gleichzeitig soweit es geht von der Straßeninfrastruktur zu entkoppeln. Aber auch um einen gewissen Straßenausbau komme die Politik nicht herum. „Um den Verkehrsfluss und die Leistungsfähigkeit zu verbessern, müssen die im Bundesverkehrswegeplan vorgesehenen Straßenprojekte schnell umgesetzt werden“, appelliert Volker Steinbach. Dazu zählen Maßnahmen entlang der Achsen B1, B66, B239 sowie der Ostwestfalenstraße, überwiegend Lückenschlüsse und Ortsumgehungen.
Auch die Schienenwege müssen dringend ertüchtigt werden. „Noch immer fehlen Ausweichgleise für Begegnungsverkehre entlang der Strecken Altenbeken-Lage-Herford sowie Lemgo-Lage-Bielefeld“, mahnt der Vorsitzende des IHK-Verkehrsausschusses, Achim Oberwöhrmeier. „Die Elektrifizierung des Schienennetzes darf, ausgehend vom Bahnhof Bielefeld, nicht in Lage enden, sondern sollte durchgängig bis Lemgo fortgeführt werden.“ Das sei für einen breiten Mobilitätsmix in Lippe wesentlich.
Die lippische Wirtschaft setzt aber auch auf den ÖPNV, dessen Anteil am so genannten Modal Split erhöht werden müsse. „Der ÖPNV hat das Potenzial, einen entscheidenden Beitrag zur Mobilitätswende zu leisten“, ist der stellvertretende Vorsitzende des IHK-Verkehrsausschusses, Will Wellhausen, überzeugt. „Das wird aber nur gelingen, wenn er einfacher zu nutzen, zuverlässiger und schneller wird.“ Eine wichtige Stellschraube sieht Wellhausen beim Tarif. Die komplexe Tarifstruktur müsse vereinfacht und kundenfreundlicher werden. Dies gelte besonders zwischen Verbünden. Auch sollten Tarife verkehrsmittelübergreifend gelten.
Der umweltfreundlichste Verkehr ist der, den es gar nicht gibt. Schon in der Vor-Corona-Zeit war die Wirtschaft bestrebt, eigene Verkehre so zu organisieren, dass unnötige Fahrten vermieden werden. Die zunehmende Bündelung und Verknüpfung von Verkehren unter Zuhilfenahme der Digitalisierung kann helfen, Verkehre wo möglich zu vermeiden und zugleich die Mobilität der Nutzer und den Wirtschaftsverkehr zu verbessern.
Die Wirtschaft appelliert daher an Verwaltung und Politik sich dafür stark zu machen, dass an zentral gelegenen Standorten in Lippe Mobilstationen eingerichtet werden. Als multimodale Verknüpfungspunkte sollten sie mehrere Verkehrsangebote miteinander vereinen. Demnach sind sie mit ausreichend dimensionierten Park & Ride- und Bike & Ride-Anlagen, sowie Sharing-Angeboten auszustatten. Auch Warenströme sollten durch die Etablierung von Micro-Hub-Standorten verbessert werden. Dabei werden kleine Container vor Ort von LKWs oder Sprinterfahrzeugen mit Paketen beliefert. Der Weitertransport zu den Empfängern erfolgt mit Lastenrädern oder E-Fahrzeugen.
Die IHK Lippe ist überzeugt, dass eine neue Mobilität erst dann gelingt, wenn nicht nur ein entsprechendes Angebot verschiedenster Verkehrsträger und -mittel vorgehalten wird, sondern auch der Zugang dazu vereinfacht wird. Die zentrale Aufgabe bestehe darin, Verkehre besser miteinander zu vernetzen und die Digitalisierung als wichtiges Instrument der Verkehrssteuerung zu nutzen.