Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus Deutschland und Europa diskutieren über Perspektiven der Waldwirt-schaft im Zeichen des Klimawandels Klimawandelanpassung, Honorierung von Ökosystemleistungen und regionale Wertschöpfung als wichtige Zukunftsthemen.
Trockenheit, Unwetterereignisse und Borkenkäferschäden: Die Folgen der zunehmenden Klimaerwärmung machten in den vergangenen Jahren auch den kommunalen Waldbesit-zenden zu schaffen. Aber der Wald ist nicht nur betroffen vom Klimawandel, er kann auch eine wichtige Rolle beim Klimaschutz einnehmen. Doch welche politischen Weichenstellun-gen braucht es hierfür? Vertreterinnen und Vertreter des Kommunalwaldes aus Deutschland und Europa kamen in Lemgo zusammen, um dies gemeinsam zu diskutieren.
EU-Waldstrategie 2030
„Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und wollen unseren Beitrag zum Klima- und Um-weltschutz leisten. Nur, ob hier mehr Einschränkungen und Bürokratie die richtigen Mittel sind, ist für uns mehr als fraglich“ stellt Dr. Christof Bartsch, Präsident des Europäischen Kommunal-waldverbandes FECOF fest. Die Kommission spreche in ihrer neuen Waldstrategie für die EU viele wichtige Aspekte der Waldpolitik an. Die konkreten Maßnahmenvorschläge seien aber sehr einseitig auf eine zentrale Steuerung der Waldbewirtschaftung und auf massive Bewirtschaftungseinschränkungen ausgerichtet.
Es müsse auch weiterhin möglich sein, national und regional forst-wirtschaftlich zu handeln. Bartsch weiter: „Es bleibt der Eindruck, dass das Thema Wald auf EU-Ebene mehr und mehr zum politischen Spielball verkommt. Wenn wir den Wald als Multitalent erhalten wollen, brauchen wir von Seiten der Politik wirksame Unterstützung bei der Umsetzung regionaler Anpassungsstrategien und keinen Kampf um politische Deutungshoheiten.“
Auch der Vorsitzende des Gemeinsamen Forstausschusses „Deutscher Kommunalwald“, Dr. Karl-Heinz Frieden, und der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg, stellen fest: „Die kommunalen Waldbesitzenden in Deutschland lehnen EU-Vor-gaben ab, die einseitig auf die Kohlenstoffspeicherung im Wald abzielen und immer mehr Waldflächen aus der Nutzung nehmen.
Die Aufgabe besteht vielmehr darin, Klimaschutz unter Beach-tung der Subsidiaritätsregeln so zu gestalten, dass die nachhaltige Waldbewirtschaftung und die Verwendung des regionalen, nachwachsenden Rohstoffes Holz dauerhaft sichergestellt werden. Die nachhaltige Waldbewirtschaftung und die Holzverwendung nehmen eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz ein.“ Die kommunalen Waldbesitzenden unterstützen damit nachdrücklich die jüngst geäußerte Kritik der zuständigen Bundesministerien aus Deutschland und Österreich sowie des Deutschen Forst-wirtschaftsrates an den EU-Vorschlägen.
Honorierung von Ökosystemleistungen der Wälder
Der Wald hat für die Gesellschaft viele Funktionen: Er ist Lebensraum für Pflanzen und Tiere, Frei-zeit- und Erholungsraum, Wirtschaftsraum, CO2-Senke und nicht zuletzt Heimat und Kulturerbe. Der Schutz des Waldes stellt daher stets auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Bisher ermöglichten die Erlöse aus der Holzproduktion die Finanzierung dieser Ökosystemleistungen. Die aktuellen Krisenzeiten machen deutlich, was schon lange überfällig ist: Eine auch finanzielle An-erkennung der gemeinwohlorientierten Dienstleistungen des Waldes und damit ein weiteres Standbein für die Waldbesitzenden.
Frieden und Landsberg erklären: “Die gemeinwohlorientierten Dienstleistungen des Waldes sind heute bedroht. Erhöhte Waldbrandgefahren, wachsende Risiken bezüglich der Verkehrssicherung entlang von Waldrändern und negative Auswirkungen auf den Tourismus treten bereits auf. Ein Honorierungssystem für die Ökosystemleistungen der Wälder muss alle Aspekte einer gemein-wohlorientierten Waldbewirtschaftung in einem ausgewogenen Verhältnis berücksichtigen: Klimaanpassung und Biodiversitätsschutz ebenso wie eine nachhaltige und pflegliche Holzernte.“ Nach dem Grundsatz `Öffentliches Geld für öffentliche Güter´ gilt es einen Gemeinwohlausgleich zu Gunsten der Waldbesitzenden zu etablieren.“
Ausbau von regionalen Wertschöpfungsketten
Aus Sicht der kommunalen Waldbesitzenden sind die Klimaschutzpotenziale durch Holzverwen-dung bei weitem nicht ausgeschöpft. Wer fossile Rohstoffe ersetzen will, kommt am Holz nicht vorbei. Die Kommunen können beim öffentlichen Bauen eine Vorreiterrolle hinsichtlich der Holz-verwendung einnehmen.
Frieden sieht die Entwicklung an den Holzmärkten in jüngerer Zeit allerdings kritisch: “Wir muss-ten wahrnehmen, dass die Preise für verarbeitetes Holz extrem gestiegen sind und Lieferengpässe auftraten, während die Waldbesitzenden vor Ort für ihr Rohholz einen dramatischen Preisverfall erlebten. Ich frage mich, warum das Holz aus hiesigen Sägewerken seinen Weg hauptsächlich auf Überseemärkte (China, Amerika) nimmt, während zeitgleich aus regionalen und nationalen Holz-bauinitiativen eine zunehmende Nachfrage entsteht. Im Interesse der Kommunen liegt es daher, zu einer Stärkung der regionalen Kreislaufstrukturen und zu einem Ausbau der regionalen Wert-schöpfungsketten beizutragen.“
Zuspruch kommt vom Verbandsvorsteher des Landesverbandes Lippe, Jörg Düning-Gast. Die Holz-, Möbel- und Zulieferindustrie sei in der Region Ostwestfalen und insbesondere im Kreis Lippe traditionell ein wichtiger Wirtschaftszweig, der aber in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung verloren hat. „Um die regionalen Wertschöpfungsketten vom Waldbesitzer bis zum Endprodukt zu stärken, planen wir jetzt ganz konkret am Standort Schloss Brake in Lemgo mit verschiedenen Partnern wie der Technischen Hochschule OWL, dem Kreis Lippe, der Stadt Lemgo und mit Förderung durch das Land Nordrhein-Westfalen ein „Smart Wood Center“, das bis Ende 2022 fertiggestellt werden soll.“