„Die Verbrechen von Lügde lassen niemanden kalt. Sie sind in ihrer Dimension und in ihrem großen Leid so vieler Kinder kaum fassbar. Es macht mich einfach nur sehr, sehr traurig und wütend zu wissen, dass viele Mädchen und Jungen angesichts der an ihnen verübten Verbrechen mit einer schweren Hypothek in ihr Erwachsenenleben starten“, erklärt Landrat Dr. Axel Lehmann. Auch wenn für diese Verbrechen zunächst einmal die Täter verantwortlich seien, so wurden auch in den Behörden teils eklatante Fehler gemacht. Und in der öffentlichen Wahrnehmung ist der Eindruck entstanden, die Behörden schieben die Zuständigkeit für die Fehler zwischen den Institutionen weiter.
Der Kindesmissbrauch in Lügde und damit auch das Verhalten sowie die Entscheidungen aller beteiligten Personen wird aktuell im Rückblick betrachtet. Und zudem auch mit dem heutigen Wissen über die Gesamtzusammenhänge. Einzelne Sachbearbeiter hatten damals Hinweise auf sexualisierte Gewalt anders bewertet. In die Bewertung der lippischen Sachbearbeiter flossen auch die Rückmeldungen des fallführenden Jugendamts Hameln-Pyrmont ein. Auf die Expertise eines anderen Jugendamts, das einen Fall betreut und damit nah an den Menschen ist, müsse das Kreisjugendamt auch in Zukunft vertrauen dürfen, erläuterte der Landrat in der Befragung.
Das Jugendamt Lippe war im vorliegenden Fall nur für akute Notsituationen zuständig. Das Vertrauen in die Angaben zum Kindeswohl aus den Rückmeldungen des Jugendamts Hameln-Pyrmont erscheint mit den heutigen Erkenntnissen als Fehleinschätzung. „Die grundlegenden Fehler, beispielweise das Kind in eine Pflegschaft zu vermitteln, sind in Hameln-Pyrmont gemacht worden. Daher schütze ich meine Mitarbeitenden im Jugendamt vor dem Vorwurf, über Fehlinterpretation hinaus Fehler gemacht zu haben und dafür trete ich auch weiterhin ein“, betont Dr. Lehmann.
In Lippe hat die Verwaltung viele Initiativen gestartet, in die Politik eingebracht und damit auch einen Konsens erzielt. Die Fachstelle Kinderschutz oder der Präventionsfonds sind Projekte, die ausschließlich aus der Verwaltung entwickelt wurden. „Ich wünsche mir auch konkrete Vorschläge aus der Politik, anstatt mit Schuldzuweisungen auf die Verwaltung einzuschlagen“, fordert der Landrat. „Kinder und Jugendliche brauchen eine Lobby, so ist auch der Gesetzgeber gefordert. Denn klarere Regeln bedeuten mehr Schutz für Kinder.“
Das Verwaltungshandeln muss sich am Kinderschutz ausrichten und sich auf die Digitalisierung und weiteren Herausforderungen ständig anpassen und weiterentwickeln. Daher richtet der Landrat auch die Forderungen an Land und Bund, den Kinderschutz vor den Datenschutz zu stellen, eine Vereinfachung der Gesetzgebungsregeln sowie eine bessere Ausstattung der Polizei.