Das sind Zahlen mit wenig Aussagekraft: Zwischen dem 1. März und dem 13. April hat das Innenministerium 3.200 Fälle von häuslicher Gewalt registriert, das hat Minister Herbert Reul am Dienstag erklärt. Im Vorjahreszeitraum seien es noch 4.500 gewesen. „Ein so deutlicher Rückgang von Gewalt an Frauen und Kindern lässt sich daraus aber keineswegs ableiten“, warnt der kinderschutzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Dennis Maelzer. Im Gegenteil. „Die offiziellen Zahlen geben nur die zur Anzeige gebrachten Meldungen wieder“, sagt der SPD-Politiker aus Detmold. In Wirklichkeit müsse bei den durch die Corona-Krise bestehenden Kontaktverboten und Ausgangsbeschränkungen von wesentlich höheren Fällen ausgegangen werden. „Alle Expertinnen und Experten warnen schon lange vor der hohen Dunkelziffer.
Schulen, Kitas und Jugendtreffs sind geschlossen. Eine Kindeswohlgefährdung wird dadurch schwerer erkannt, und es fehlen den Kindern Vertrauenspersonen, denen sie sich öffnen können“, betont Maelzer. Zudem suchten bedrohte Frauen in der derzeitigen Krisensituation die Schutzeinrichtungen nicht auf. Zum einen, weil sie die Gesamtsituation für die Familie nicht verschärfen möchten und zum anderen, weil sie sich vielleicht keiner weiteren Ungewissheit aussetzen möchten. Gleichzeitig erzeugt die ständige Nähe zum Täter eine enorme Drohkulisse. In Krisensituationen werden Machtverhältnisse in der Beziehung ausgespielt. Selbst der Corona-Expertenrat der Landesregierung spricht von einer „Zunahme häuslicher Gewalt und Kindeswohlgefährdung“. „Wenn der Kinderschutz zur Legitimation eines raschen Endes des Lockdowns dienen soll, wird er gerne als Argument herangezogen, ansonsten spielt die Landesregierung die Gefahr für Kinder herunter“, sagt Maelzer.
Mit Beginn der Corona-Krise hat die SPD den Kinderschutz in den Mittelpunkt gestellt und dazu ein 15-Punkte-Papier vorgelegt. Das enthält unter anderem die Forderung, dass von Gewalt gefährdete Kinder wieder in Schulen und Kitas betreut werden können. Die Entscheidung darüber treffen dabei die Jugendämter. Diesen Vorschlag hat die Landesregierung inzwischen aufgegriffen und umgesetzt. Weitere Punkte für bessern Kinderschutz sind unter anderem, dass Schulen und Kitas weiter Kontakt halten, Mittel für den Kinderschutz zu 100 Prozent ausgezahlt und Telefon- und Onlineberatungen ausgebaut werden. Zusätzliche digitale Angebote zu schaffen, kann auch eine Möglichkeit sein, um von Gewalt bedrohten Frauen zu helfen, bzw. aufzuzeigen, wie und wo sie Hilfe bekommen können.
Der Kreis Lippe und unter anderem die Stadt Detmold haben auf die Gefahr für von Gewalt bedrohte Frauen und Kinder längst reagiert und ihre Hilfsangebote an die derzeitige Situation angepasst. Kinder und Jugendliche, Mütter, Väter und andere Erziehende können die Familienhotline des Kreises Lippe unter Tel. (05231) 621777 (montags-freitags 13-19 Uhr) anrufen. Dort bekommen sie Rat und Hilfe für ihre Fragen, Sorgen und Nöte . Wer lieber indirekt Kontakt aufnehmen möchte, kann der Familienberatung unter http://www.beratung-lippe.de/e-mailberatung/ eine Nachricht senden (weitere Infos unter www.beratung-lippe.de). Die Stadt Detmold hat unter anderem eine Telefon-Hotline für Jugendliche eingerichtet. Unter Tel. (05231) 37855 ist das Team des Jugendzentrums Domizil (montags-freitags 9-18 Uhr) zu erreichen. Darüber hinaus hat die Stadt Detmold digitale Angebote für Eltern und Kinder zusammengestellt. Unter www.digital4detmold.de empfiehlt Sports4Kids-Maskottchen Hermi Bewegungsspiele oder gibt Koch- und Backtipps.