Keine 48 Stunden nach dem sensationellen Pokaltriumph in Hamburg „hat die Mannschaft genau da weitergemacht, wo sie am Freitag aufgehört hat“, sah ein rundum zufriedener Florian Kehrmann „die unglaubliche Abwehrleistung“ seines Kollektivs als Garant für den ungefährdeten 32:25 (18:10)-Auswärtserfolg bei der HSG Nordhorn-Lingen. „Wir haben Nordhorn von Anfang an die Grenzen aufgezeigt, das Spiel war zur Halbzeit eigentlich schon durch.“

 

Mit heiserer Stimme hatte Lemgos Coach vor dem Anwurf noch am Sky-Mikro angekündigt, den Teamgedanken, „der uns stark gemacht hat“, auch im Spiel gegen den Tabellen-18. einfließen lassen zu wollen. Und: Die Mannschaft sollte ihn nicht enttäuschen. Erwartungsgemäß wurde gegenüber dem Finalspiel gegen Melsungen rotiert: So bildeten zunächst Frederik Simak, Dani Baijens und Andreas Cederholm die Rückraumachse, Bobby Schagen begann gegen seinen Ex-Klub auf dem rechten Flügel, Marcel Timm am Kreis. Doch ehe es in der Emsland-Arena losging, wurden die frischgebackenen Pokalsieger von den 500 Zuschauern warm empfangen, Kapitän Andrej Kogut nahm stellvertretend einen Blumenstrauß entgegen.

 

Den Anfang machte der Gastgeber in Person seiner Klubikone Pavel Mickal, dessen Tor in seinem 500. Spiel für die HSG Nordhorn-Lingen entsprechend laut vom Nordhorner Publikum bejubelt wurde. Noch waren keine zwei Minuten gespielt, als die lippischen Pokalhelden postwendend durch Dani Baijens und Isaias Guardiola antworteten und erstmals mit 2:1 in Führung gingen. Nach etwas zerfahrener Anfangsphase, in der Schiedsrichter Mirko Krag je zwei Zeitstrafen pro Team verteilen musste, kam der TBV zunehmend besser in Schwung – angeführt von Peter Johannesson. Erst hielt der Schwede gegen Mickal, dann vermauerte er sein Tor beim Siebenmeter von HSG-Goalgetter Robert Weber.

 

Wie man es besser macht, bewies Bjarki Már Elísson kurz darauf, als er mit seinem 70. Siebenmeter-Treffer auf 6:4 stellte. Der Isländer durfte ansonsten ebenso durchschnaufen wie Andrej Kogut und Jonathan Carlsbogård. Zwei vorausgegangene Johannesson-Paraden, eine davon besonders sehenswert gegen Nordhorns Patrick Miedema, begünstigten einen 6:0-Lauf der Pokalhelden, die nun sichtlich beflügelt wirkten, immer mehr Spaß am Handball entwickelten und die Fehler des Gastgebers gnadenlos bestraften. Der TBV spielte wie aus einem Guss – und lag nach 17 Minuten mit sieben Toren vorn, 11:4.

 

Dieses komfortable Polster gaben die Lipper im weiteren Verlauf des ersten Durchgangs nicht mehr, weil man offensiv weiter gefällig blieb. Frederik Simak schweißte erst das Spielgerät mit einem Freiwurf zur ersten Acht-Tore-Führung ins Gehäuse und erhöhte wenige Sekunden später per Gegenstoß auf 16:7. Dem Zwei-Städte-Klub drohte ein Debakel. Nachdem Dominik Kalafut und Mickal verkürzen konnten, verwertete Linus Geis auf der Gegenseite einen Abpraller zu seinem ersten Saisontreffer, dem Schlussakkord einer durchweg überzeugenden ersten Halbzeit.

 

Nach dem Seitenwechsel ließ Johannesson (sechs Paraden) Finn Zecher den Vortritt. Der war allerdings machtlos, als Nordhorns Stegefelt drei Minuten nach Wiederbeginn auf 19:13 verkürzte. Zuvor hatte Baijens bereits seinen vierten Treffer markiert. Nachdem die Niedersachsen auf fünf Tore herangekommen waren, lief Isaias Guardiola einen Gegenstoß zum 21:15. Und nach etwas mehr als 39 Minuten konnte sich auch Zechner erstmals auszeichnen, als er sich erfolgreich Robert Weber in den Weg stellte.

 

Als Lukas Zerbe, der nach der Pause für Bobby Schagen gekommen war, in Minute 40 auf 22:15 gestellt hatte, schärfte Kehrmann in der Auszeit noch einmal die Sinne, weiter konzentriert zu verteidigen und im Angriff wieder mehr die Tiefe zu suchen. Nachdem Baijens vorbei am Nordhorner Block zum 25:18 gewuchtet, Fynn Hangstein einen Dreierpack geschnürt und Zerbe beim Stand von 28:23 einen wichtigen Gegenstoßversuch vor Mickal aus der Luft gefischt hatte, nahte die endgültige Vorentscheidung, als sich der Gastgeber acht Minuten vor Schluss bei sechs Toren Rückstand in doppelter Unterzahl sah.

 

Hangstein und Marcel Timm machten mit ihren Toren zum 31:24 frühzeitig den Deckel auf den fünften Auswärtssieg der Saison, der auch im zweiten Durchgang nie ernsthaft in Gefahr geriet. Baijens‘ sechster Treffer und zwei weitere Zecher-Paraden rundeten einen gelungenen Nachmittag im Emsland ab. Ein Sonderlob verteilte Kehrmann nach Abpfiff an die Spieler, die beim REWE Final4 nicht so viel gespielt „und heute gezeigt haben, dass sie ein fester Bestandteil sind, das Angriff- und Abwehrsystem gelebt und wirklich gute Leistungen gezeigt haben.“

 

Durch die Punkte 32 und 33 bleiben die Lipper dem nun punktgleichen Bergischen HC auf Platz zehn weiterhin dicht auf den Fersen. Am kommenden Donnerstag kommt es dann zum direkten Duell, dem Kehrmann mit riesiger Vorfreude entgegenfiebert, „wenn wir als Pokalsieger in eigener Halle wieder vor Zuschauern spielen dürfen.“

 

TBV Lemgo Lippe: Johannesson (6 Paraden), Zecher (5 Paraden); Elísson (3/3), I. Guardiola (3), Simak (4), Carlsbogård, Schagen (4), Timm (1), Hangstein (5), Zerbe (1), G. Guardiola, Cederholm (2), Geis (1), Reimann (2), Baijens (6).