Zwei Gesichter zum Abschluss: Nicht allzu viel hatte nach der ersten Halbzeit auf ein siegreiches Saisonfinale hingedeutet. Mit dem Messer zwischen den Zähnen kam der TBV Lemgo Lippe aus der Pause, pirschte sich von Minute zu Minute näher heran – und packte in der Crunchtime schließlich zu. Das 35:32 (16:21) gegen die Füchse Berlin war der sechste (!) Sieg in Reihe, womit die Lipper ihre 40. Bundesligasaison nach einer bärenstarken Rückrunde mit dem achten Rang krönen.

 

Nachdem „Sierra madre“ ein letztes Mal in dieser Spielzeit den ersten Gänsehautmoment beschert und Hallensprecher Sascha Quisbrock zum letzten Mal die Mannschaftsaufstellungen verlesen hatte, bat der TBV Lemgo Lippe seine Gäste aus Berlin zum letzten Tanz. Die sportlichen Rahmenbedingungen hätten kaum besser sein können: 4294 Zuschauer in der Phoenix Contact-Arena sahen das Aufeinandertreffen des Tabellenfünften und -vierten – zumindest laut Rückrundentabelle.

 

Und einem Saisonfinale würdig konnte von Abtasten nicht die Rede sein: Vier Minuten waren gerade erst von der Uhr, als Berlins Kreisläufer Mijajlo Marsenic zur Berliner 3:5-Führung traf. In seinem letzten Spiel für den TBV hatte Isaias Guardiola, der zusammen mit Zwillingsbruder Gedeón in der Anfangssieben zunächst auch den Mittelblock stellte, bereits doppelt getroffen. Gab Lemgo zunächst noch gut Kontra, stellte Nils Lichtlein in Minute sieben erstmals auf plus der (3:6).

 

Doch der TBV lieferte die nahezu perfekte Antwort: Erst ließ sich Lukas Hutecek von nichts und niemanden aufhalten und drosch den Ball mit dem letzten Wurf zum 5:7, ehe die Lemgoer Deckung dem heraneilenden Lasse Andersson den Weg versperrte und Lukas Zerbe auf die Reise schickte – zum Anschlusstreffer! Als dann auch noch Hanspeter Brodbeck das wiederholte Meckern von Mathias Gidsel progressiv ahndete, bot sich den Lippern die Chance auf den Ausgleich. I. Guardiolas beherzter Abschluss küsste jedoch nur das Gebälk – und die Füchse zogen wieder davon. Der individuellen Klasse im Rückraum um Gidsel, Lichtlein und Anderssono hatte Lemgo im ersten Durchgang allzu oft nur wenig entgegenzusetzen.

 

Nachdem letzterer zum 9:13 getroffen hat, bat Florian Kehrmann zur ersten Auszeit. Leider ging es zunächst denkbar schlecht weiter: Niko Blaauw scheiterte frei an Dejan Milosavljev, Niels Versteijnens Bodenpass auf Jan Brosch bekam dieser nicht unter Kontrolle. Fabian Wiede erhöhte im Gegenstoß auf 9:15 – und drohte das Spiel vorzeitig abzugeben. Auch im 7:6 blieb zunächst vieles Stückwerk, Berlin blieb am Ball und offenbarte kaum Schwächen. Sutons Expresspass auf Lukas Zerbe, der zumindest auf 16:21 verkürzte, beendete den ersten Durchgang.

 

Mit dem Fuß auf dem Gaspedal startete der TBV in die zweite Halbzeit: Angeführt von Finn Zecher, dem gleich drei starke Paraden hintereinander glückten, verkürzten die Blauen durch Niels Versteijnen zunächst auf 19:21. Das Lemgoer Publikum schöpfte neue Hoffnung. Gut fünf Minuten brauchte der Tabellendritte, um durch Gidsel erstmals zu jubeln. Der TBV blieb im Flow und verteidigte nun auch unheimlich beherzt: So leitete ein Steal von Gedeón Guardiola den Gegenstoßtreffer durch Kian Schwarzer zum 22:23-Anschluss ein. Zwar währte die Freude nur kurz, doch fortan hatte Lemgo auch die Leichtigkeit im Angriffsspiel zurück, schien weniger verkopft.

 

Der TBV ließ sich nicht mehr abschütteln und drängte auf den Ausgleich. In Minute 47 explodierte die Halle: Schwarzer vollendete Huteceks Zuspiel zum 27:27. Nachdem Brosch erneut pari gestellt hatte, hätte Zecher um Haaresbreite die erste Führung erzielt, doch sein Wurf ins verwaiste Berliner Tor verfehlte sein Ziel um wenige Zentimeter. Doch die Hausherren warf schier nichts mehr aus der Bahn: Versteijnen keulte über den Berliner Mittelblock hinweg zum 29:28 (51.), Schwarzer vergoldete auch den nächsten Lemgoer Abwehrcoup zur Zwei-Tore-Führung.

 

Trotz Anschluss wahrte Lemgo seine Angriffsfreude: Tim Suton vollendete eine schöne Stafette über Hutecek und Versteijnen zum 32:30, ehe Zecher mit seiner bis dato achten Parade das 33:30 durch Brosch einleitete. Vier Minuten vor Ende hielt es nur noch die allerwenigsten auf den Plätzen. G. Guardiola und Versteijnen mit seinem achten Treffer tüteten den elften Heimsieg der Saison ein (Platz sechs in der Heimtabelle) und krönten damit ein Saisonfinale, welches nicht schöner hätte sein können. Dass Zecher nach der umjubelten Schlusssirene auch noch Lindbergs Strafwurf parierte, passte ins Bild des furiosen zweiten Durchgangs.

 

Nach dem Spiel verabschiedete der TBV Lemgo Lippe Niko Blaauw (VfL Lübeck-Schwartau), Kian Schwarzer (Eulen Ludwigshafen) sowie seine beiden Pokalsieger Isaias (nach Spanien) und Gedeón Guardiola (HC Erlangen). Auch Mannschaftsbetreuer Andre David reicht das Zepter nach 24 Jahren weiter. Ein schöneres Abschiedsspiel hätte sich wohl niemand der Beteiligten ausmalen können.

 

TBV Lemgo Lippe: Zecher (11 Paraden), Kastelic (1 Parade); Hutecek (5), Zehnder (1/1), Brosch (4), I. Guardiola (2), Simak, Blaauw, Schwarzer (6), Suton (3), Zerbe (3), Versteijnen (8), G. Guardiola (3), Runge, Houtepen.

 

Füchse Berlin: Kireev (1 Parade), Milosavljev (7 Paraden); Wiede (1), Darj (1), Holm (2), Andersson (7), Lichtlein (4), Lindberg (3/1), Gidsel (9), Freihöfer (1), Langhoff (1), Kix, Kopljar, Vujovic, Weber, Marsenic (3).

 

Pressemeldung: TBV